„Anstatt einen Dienstwagen in Anspruch zu nehmen, setze ich lieber auf meinen Vectra. Auf den kann ich mich verlassen.“
— Kai-Uwe Wehrheim —
Die Gemeinde Heidenrod erstreckt sich in 19 Ortsteilen über die bewaldeten Höhen der Kemeler Heide. Dass hier viele passionierte Jäger leben, wundert nicht, und dass deren Wohnzimmerwände die Geweihe erlegten Rotwilds zieren, ebenso wenig. Kai-Uwe Wehrheims Objekt des Triumphes allerdings ist keine Jagd- sondern eine Fahrtrophäe. Eine Kfz-Armatur, der darin enthaltene Tacho zeigt über 360.000 Kilometer an.
Der Mann aus Heidenrod-Langschied hat sie aus seinem Vectra A ausgebaut, bevor dieser seinen letzten Weg antrat. Bis 2006 hat er den Opel gefahren. Und wir sind heute im südhessischen Rheingau
Aufgeben würde er den 1,9 CDTI, Baujahr 2004, lediglich, „wenn das Getriebe auseinanderfliegt“. Oder „wenn eine andere Reparatur anfällt, die mich mindestens 3.000 Euro kostet.“ Dass es soweit kommt, glaubt er allerdings nicht. Denn er fährt seinen Vectra regelmäßig zur Inspektion in seine Bad Schwalbacher Service-Werkstatt.
Und er achtet darauf, dass er stets mit gutem Kraft- und Schmierstoff befüllt wird. Das nämlich seien die Geheimnisse eines langen Autolebens, erklärt Wehrheim. Die hat ihn der Händler gelehrt, der ihm einst seinen ersten Opel verkaufte: Auto-Göttert, zu dem jeder in Heidenrod und Umgebung ging, weil er als absolut zuverlässig galt. Opel, der Zuverlässige eben.
1984 war das. Und in den folgenden 34 Jahren hat Kai-Uwe Wehrheim gerade mal vier Autos gefahren – vor den beiden Vectra waren ein D-Kadett und E-Kadett angesagt. „Auch meine Eltern sind immer Opel gefahren“, zählt er. Mehr Markentreue geht nicht.
Opel Vectra: Modernisierer der Mittelklasse
An diesem Auto war alles neu: Der Name, die Technologie, die Form. Im Herbst 1988 präsentierte Opel den Vectra. Das Mittelklasse-Modell ersetzte den 1970 vorgestellten und in drei Generationen gefertigten Ascona. Über fünf Millionen Stunden Entwicklungsarbeit hatte das Unternehmen in die Konstruktion des Vectra investiert, davon allein 20.000 Stunden in die aerodynamische Ausarbeitung der Karosserie. Mit einem cW-Wert von 0,29 gehörte der Vectra zu den Besten seiner Klasse. Der Vectra, konzipiert für den europäischen Markt der 90er-Jahre, ist „progressiv im Design,
führend in der Aerodynamik, fortschrittlich in der Technik“, steht in der Pressemappe von damals. Die konstruktiven Neuerungen waren vielfältig. Neben einem optionalen, elektronisch gesteuerten Viergang-Automatikgetriebe war der Vectra als erster Opel-Pkw auf Wunsch ab Werk mit Allradantrieb erhältlich. Zum Frühjahr 1993 erschien der luxuriöse Vectra V6, der als erstes Opel-Modell seiner Klasse mit Sechszylindermotor angeboten wurde. Insgesamt gab es drei Generationen (Vectra A, B und C), bevor die Produktion 2008 zugunsten des Insignia eingestellt wurde.
„Im Stich gelassen hat mich mein Opel noch nie. Nur der Auspuff musste mal gewechselt werden. Nach 470.000 Kilometern.“
— Kai-Uwe Wehrheim —
Wie er auf die vielen Kilometer kommt? Kai-Uwe Wehrheim arbeitet in Mainz bei der Telekom. Werktags pendelt er rund 40 Kilometer über die berühmte Bäderstraße in die Gutenbergstadt ein – auch das sei der Langlebigkeit seines Fahrzeugs zuträglich, ist er überzeugt, „denn so wird der Motor jeden Morgen warm“. Als Netztechniker ist er zudem permanent im Rhein-Main-Gebiet unterwegs, „so komme ich allein mit Dienstfahrten auf rund 40.000 Kilometer im Jahr.“ Auf einen Dienstwagen hätte er zwar Anspruch, doch lässt Wehrheim sich von seinem Arbeitgeber lieber eine Kilometerpauschale auszahlen – „so habe ich einfach mehr Freiheiten.“
„Bis 2020 hat mein Vectra auf jeden Fall noch TÜV, dann sehen wir weiter.“
— Kai-Uwe Wehrheim —
Gelegentlich geht Kai-Uwe Wehrheim auch mal privat auf große Fahrt. So war er mit seinem Vectra schon im französischen Chamonix, aber auch schon in München und Berlin unterwegs. Dies hat der gewissenhafte Besitzer alles ausführlich in seinem Fahrtenbuch dokumentiert. Im Stich gelassen hat ihn sein Opel nie – außer Verschleißteilen musste lediglich mal der Auspuff gewechselt werden. Nach 470.000 Kilometern. „Da kann das schon mal vorkommen“, schmunzelt der Vielfahrer.
Dennoch: Was, wenn der treue Begleiter eines Tages doch seinen Geist aufgibt? Wehrheim spricht es zwar ungern laut aus, aber vorgesorgt hat er bereits. Der Insignia, der dem Dauer(b)renner nachfolgen soll, ist bereits konfiguriert, heimlich, still und leise.
Januar 2019