Der Innenraum eines Autos ist wie der Wohnungsmarkt in einem begehrten Stadtviertel. In der Entwicklungsphase eines Modells sind die besten Lagen heiß begehrt. Und die Premium-Lage im Innenraum ist jene Stelle zwischen Cockpit und Mittelkonsole – mit üppig Platz, bestens erreichbar für Fahrer und Beifahrer. „Der perfekte Platz für das Ablagefach für die Sonnenbrille“, fanden die acht Frauen des „Women Perspective Panel“ (WPP). Sie hatten in Rodgau-Dudenhofen gerade einen Tag lang den Astra L und seine Mitbewerber erkundet, um Verbesserungsvorschläge für den Nachfolger des Rüsselsheimer Kompaktklassemodells zu erarbeiten.
Die Astra-Chefingenieurin Mariella Vogler erinnert sich noch gut an ihre spontane Reaktion auf den Vorschlag: „Ob Klima/Heizung, Elektronik, Infotainment oder Hardware: Jede Abteilung möchte dort hin. Und ihr wollt da ein Fach, um die Sonnenbrille abzulegen – in bester Lage? Das wird schwer!“ Um es kurz zu machen. Heute, drei Jahre später, ist das Sonnenbrillenfach im neuen Astra genau dort – zusätzlich beflockt, mit einer Klappe zum Verschließen, beim Öffnen ertönt ein sattes Klicken.
„Die Kolleginnen hatten die Gegebenheiten pragmatisch analysiert und irgendwann reifte auch bei uns die Frage: ‚Warum eigentlich nicht?‘“, erinnert sich Mariella Vogler. Und genau das schätze sie am WPP, das seit drei Jahren fester Bestandteil der Entwicklung neuer Modelle ist: „Die Anregungen sind pragmatisch, unvoreingenommen. Sämtliche Impulse des Panels haben den Astra noch begehrenswerter gemacht – für alle Kunden. Nicht nur Frauen.“ Um speziell die Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche von Frauen in die Entwicklung eines Fahrzeugs einzubringen, dafür wird ein „Women Perspective Panel“ zusammengestellt. Für jedes neue Modell. Mit Kolleginnen, die möglichst viele Perspektiven und Lebenserfahrungen einbringen.
„Wir haben Kolleginnen aus der IT im Team, aus dem Bereich Finanzen – die meisten von uns haben keine Idee davon, wie man ein Auto entwickelt, aber ganz viel Lust darauf, uns einzubringen“, sagt Marina Hettich, Leiterin des Astra-WPP. Sie selbst simuliert normalerweise Produktionsabläufe in europäischen Motoren- und Getriebewerken von Stellantis. Also, welche Maschinen und Ressourcen werden genutzt, damit die Produktion bestmöglich läuft? Wie muss der Materialfluss organisiert werden?
– Marina Hettich –
„In keiner Branche findet man eine solche Komplexität, die so spannende Herausforderungen mit sich bringt.“
„Es ist faszinierend, die einzelnen Rädchen der Produktion – neuerdings auch für die Batteriefertigung – stetig weiter zu perfektionieren“, sagt die 30-Jährige. Für die Wirtschaftsingenieurin mit Fachrichtung Maschinenbau stand früh fest, dass es sie in die Automobilbranche verschlagen wird: „Komponenten werden Just-in-Time angeliefert, Roboter fertigen Karosserien, am Ende laufen fertige Autos vom Band – wo findet man sonst eine solche Komplexität, sie so spannende Herausforderungen mit sich bringt?“ Als sie von der Möglichkeit erfuhr, sich in einem WPP einzubringen, war sie sofort dabei.
Drei Jahre liegt der Start, der Termin in Rodgau-Dudenhofen, zurück. Die WPP-Kolleginnen hatten damals eine Liste mit insgesamt zehn Vorschlägen für den neuen Astra zusammengestellt. Immer wieder wurde das Team während der verschiedenen Entwicklungsphasen daraufhin eingebunden, hat wichtige Meilensteine und Entscheidungen miterlebt. Es gab Vorschläge auf der Liste, die waren schnell erledigt, wie ein rahmenloser Rückspiegel, der nun in den höheren Ausstattungslinien an Bord ist. Andere Prozesse wie die Auswahl der Sitzbezüge durchliefen viele Schleifen: „Wir sind mit dem Ergebnis sehr, sehr glücklich. Auch wenn wir uns von den weißen Sitzbezügen nur schwer trennen konnten – sie sahen fantastisch aus. Aber helle Sitzbezüge? Da haben nicht nur die Hundebesitzerinnen unter uns dann doch ihr Veto eingelegt“, erinnert sich die Panel-Leiterin.
Beim Thema Klavierlack im Cockpit bildeten sich zwei Lager: „Die einen lieben es, für die anderen ist es ein Präsentierteller für Fingerabdrücke und Staub“, umreißt Marina Hettich die Ausgangslage. Ein ausbalancierter Kompromiss hat am Ende beide Parteien vereint: Klarlack wird eingesetzt, aber reduziert und an Stellen, die man nicht oft berührt. Besonders beeindruckt hat die Maschinenbauingenieurin eine Kundenklinik in Köln vor zwei Jahren. „Es war eine Art Geschmackstest mit Testpublikum, bei dem fünf potenzielle Designs des Astra zur Auswahl standen“, erinnert sie sich. Die meisten geladenen Probanden entschieden sich wie die Frauen des Panels für die knackig-sportliche Variante. Auch die Entwicklung des Griffs am Kofferraumdeckel haben die Frauen intensiv begleitet, Varianten getestet, ihre Einschätzungen eingebracht. Gleiches gilt für die Entwicklung des Kofferraums.
„Die Entwicklung eines Autos ist ein
erstaunlich kreativer Prozess.“
Weitere Informationen zum „Women Perspective Panel“ finden Sie hier auf LiveIn.
Beeindruckt hat die Wirtschaftsingenieurin bei allem die wertschätzende, gute Atmosphäre: „Auf der einen Seite gibt es strikte Prozesse, Zahlen und KPIs, auf der anderen Seite aber ist es auch ein erstaunlich kreativer Prozess, der nur mit einem gutem Teamspirit zu meistern ist. Wir durften miterleben, wie der Astra mit viel Liebe zum Detail entstanden ist. Die Kunden werden den neuen Astra lieben.“ Jene Kunden, die dank des WPP nicht nur eine Premium-Ablage für die Sonnenbrille im Astra vorfinden. Auch fast alle übrigen Impulse wurden verwirklicht. Und Marina Hettich hat noch nicht genug. Inzwischen engagiert sie sich im nächsten Panel für ein weiteres Opel-Modell – um auch dort die entscheidenden weibliche Impulse zu setzen.
März 2022