Herr Röhrl, herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag! Gleichzeitig ist es 40 Jahre her, dass sie auf dem Opel Ascona 400 den Weltmeistertitel geholt haben. Was ist Ihre prägendste Erinnerung, die Sie mit der Saison 1982 verbinden?
Ganz klar, die Rallye Monte Carlo – anspruchsvoll und legendär zugleich. Sie war der Auftakt der Saison 1982. Es war ‚Monte‘-Januar und zu unserem Glück lag kaum Schnee. Denn unser stärkster Konkurrent, Hannu Mikkola, war in einem Audi Quattro unterwegs mit Vierradantrieb – und Turbolader mit locker 400 PS. Wir, im Ascona mit Hinterradantrieb, hatten 260 PS am Start. Aber der Opel hat seinem Namen alle Ehre gemacht – ‚der Zuverlässige‘. Es lief gut für uns. Als ich nach der zweiten Wertungsprüfung in Führung ging, stürmten Journalisten auf mich zu und gratulierten zum Sieg. Ich dachte nur ‚Was? Der nächste Abgrund lauert schon, ich brauche nur 30 Zentimeter zu rutschen und das war es.‘ Vor uns lag noch der Abschlusskurs mit neun Sonderprüfungen. Ferdinand Piech, damals Teamchef bei Audi, hatte verordnet, den Ladedruck des Turboladers auf das Maximum zu erhöhen, um noch mehr PS zu mobilisieren. Also musste ich ein Zeichen setzen.
Welches?
Wir haben uns den ‚Col de la Madone‘ als denjenigen Punkt ausgesucht, an dem wir die Rallye in den französischen Seealpen für uns entscheiden wollten. Christian Geistdörfer und ich hatten uns die Stelle vorab akribisch angeschaut, ich war 1000-prozentig motiviert. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und fuhr die ‚Madone‘ am äußersten Limit. Das hat den Kampfgeist von Hannu gebrochen. Ich habe ihm 28 Sekunden abgenommen, danach ist er zu mir gekommen und sagte: ‚Walter, du kannst Tempo rausnehmen, wir geben uns mit dem 2. Platz zufrieden. Du bist besser, ich gönne dir den Sieg.‘
1973 Opel Commodore GS/E Coupé
1973 steigt Walter Röhrl bei Opel Irmscher ein. Dafür kündigt der damals 26-Jährige seine feste Fahrerstelle beim Regensburger Bischöflichen Ordinariat – um stattdessen mit Beifahrer Jochen Berger in einem Opel Commodore GS/E erstmals bei der Rallye Monte Carlo anzutreten.
Wir wissen ja, dass Sie ein fotografisches Gedächtnis haben, aber Sie erinnern sich ja wirklich an jedes Detail…
Es war für mich einfach eine großartige, eine prägende Zeit. Die Momente haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt: Als wir in der letzten Nacht der Rallye den Buckel des Passes ‚Col de Turini‘ passierten, das war der Wahnsinn: Wir kamen praktisch hochgeflogen und du sahst nichts mehr außer einer grellen Wand aus Blitzlichtern. Und schon ging es wieder hinunter. Auf vereisten Straßen durch die ‚Nacht der langen Messer‘, wie die Sonderprüfung hieß – so was vergisst man nicht. Und außerdem war ich gerade vor Ort.
Aus welchem Anlass?
Ich war bei der 23. AvD-Histo-Monte am Start. In jeder zweiten Kehre sind mir die Bilder von 1982 durch den Kopf gegangen. Auch jenes von Jochi Kleint und Gunter Wanger im zweiten Ascona – wie sie im Graben lagen. Wir hätten im Finale einen Doppelerfolg eingefahren, doch die beiden erwischten einen Schneehaufen, den die Zuschauer aufgetürmt hatten, und verloren wertvolle Zeit. Das waren Bedingungen! Überall auf der Strecke lauerte Glatteis. Da ich immer als Erster gefahren bin, war ich eine Art Testpilot. Es war der Wahnsinn. Deshalb schätze ich den ‚Monte‘-Sieg mit dem Ascona auch noch höher ein als den von 1980.
1974 Opel Ascona SR
Ebenfalls mit Jochen Berger als Co-Piloten an seiner Seite holten Röhrl und das Opel-Team schon ein Jahr später den Rallye-Europameistertitel. Das Siegerauto: ein Werks-Opel Ascona A. Im folgenden Jahr erringt Röhrl dann den ersten Sieg in einem Rallye-Weltmeisterschaftslauf für sich und Opel.
1975 Opel Manta GT/E
1975 betätigte sich Walter Röhrl auch als Rundstreckenrennfahrer: Opel Irmscher baute für die „24 Stunden von Spa-Francorchamps“ einen Opel Manta GT/E auf, mit dem Röhrl und Rauno Aaltonen starteten. Sie fielen nach 18 Stunden mit Motorschaden aus.
Sie besitzen privat einen Opel GT, zurecht gemacht von dem ehemaligen Opel-Chefmechaniker Herbert Fabian. Bei welcher Gelegenheit haben Sie den Wagen zuletzt aus der Garage geholt?
Ich nehme den GT gerne mal zum Einkaufen. Denn er ist die perfekte Mischung aus Fahrfreude und sozialer Akzeptanz. Fährst du in einem GT vor, dann gibt es keinen Neid, nur Bewunderung. Die definitiv schönste Ausfahrt hatte ich vor vier Jahren. Zum 50. Geburtstag des GT. Wir waren in einem großen Konvoi auf dem Hockenheimring am Start. Mein Co-Pilot war der GT-Designer Erhard Schnell – er war ein toller Mensch. Es war ein besonderer Tag. Am Ende habe ich Herrn Schnell gebeten, meinen GT zu signieren. Vorne, auf der Motorhaube. Ich glaube, das war das einzige Mal, dass ich um ein Autogramm auf einem Auto gebeten habe. Normalerweise bin ich es, der auf Blech unterschreibt.
Sie haben Ihre aktive Motorsport-Karriere 1987 auch deshalb beendet, weil Sie das Gefühl hatten, dass der Rallyesport gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert wird. Verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen wie den ADAC Opel e-Rally Cup mit dem Corsa-e Rally – ganz ohne Emissionen?
Klar, tue ich das. Es ist bemerkenswert, was man da auf die Beine gestellt hat. Ein besonderes Problem ist das Laden. Natürlich müssen die Prüfungen jetzt kürzer sein. So lange Strecken wie wir damals gefahren sind, sind rein elektrisch nicht möglich. Wenn das der Preis ist, den Rallyesport ins 21. Jahrhundert zu bringen, dann ist das der richtige Weg.
1976 Opel Kadett GT/E Coupé
Mit dem Opel Kadett GT/E verlief 1976 nur die Rallye Monte Carlo wunschgemäß: Beim Auftakt zur Weltmeisterschaft wurde das Duo Walter Röhrl und Jochen Berger Vierte.
1982 Opel Ascona 400
1982 kehrt Walter Röhrl zu Opel zurück, sein neuer Beifahrer ist Christian Geistdörfer. Das Opel-Ingenieursteam unter Cheftechniker Karl-Heinz Goldstein hat dem Duo mit dem Opel Ascona B 400 einen Rallyewagen konstruiert, der seinerzeit als eines der zuverlässigsten Motorsportgeräte gilt. Das Duo Röhrl/Geistdörfer siegt bei der legendären Rallye Monte Carlo und holt im weiteren Jahresverlauf den WM-Titel.
Sie haben nach wie vor einen vollgepackten Terminkalender. Wird der Tag kommen, an dem auch Sie sich nach Freizeit, Muße, Nichtstun sehnen?
Manchmal schon. Wenn ich aktuell in meinen Kalender schaue – da ist von April bis Oktober jedes Wochenende verplant. Und unter der Woche sieht es auch nicht besser aus. Dann bekomme ich schon mal einen Anflug von „Warum tue ich mir den Stress an?“. Doch kaum bin ich mal zwei Wochen zu Hause, langweile ich mich. Es ist wie so oft im Leben: Die richtige Mischung macht’s.
Und an ihrem Geburtstag…
Da gehe ich wieder Schneeschuhwandern. Ich war auch heute schon unterwegs. Zwei Stunden, erst bergauf stapfen und dann den Berg hinunter – herrlich! Wenn ich nicht jeden Tag Sport mache, werde ich ungemütlich. Auch wenn die Fitness nachlässt. Das ärgert mich. Obwohl, als ich neulich mit Freunden auf dem Rad unterwegs war – einige davon gerade mal 50 – konnte ich sie noch abziehen. Bergab sowieso, aber auch bergauf.
Herr Röhrl, vielen Dank für das Gespräch. Wir bei Opel wünschen Ihnen einen wunderbaren Geburtstag und alles Gute!
März 2022