The world is not enough: Graham McGaw, Garry Sowerby, Colin Bryant (from left) and their Frontera.

In 21 Tagen um die Welt

Garry Sowerby (70) hat einige der längsten Autofahrten der Welt in Rekordzeit absolviert. Vier dieser Fahrten – darunter die von 1997 mit dem Opel Frontera – haben ihm einen Eintrag ins „Guiness Book of World Records” beschert. Er ist CEO der Odyssey International Limited, ein Unternehmen für Abenteuerreisen, das er 1979 gegründet hat. Sowerby lebt in Halifax, Kanada.

Es mag auf der Reise einige Momente gegeben haben, in denen sich Garry Sowerby überlegte, ob er nicht vielleicht doch wahnsinnig geworden war. Wie um alles in der Welt hatte er sich auf diesen Trip einlassen können? Der Augenblick, in dem sein iranischer Ansprechpartner Ahmad Homayouni ihn fragte, was er denn an Waffen im Gepäck habe, dürfte so einer gewesen sein. Vor allem, als er die Fassungslosigkeit im Gesicht seines Gegenübers sah, als er ihm antwortete: „Gar keine.“

Auf den Spuren
von Jules Verne

Aus Sicht eines Einheimischen war die Reaktion verständlich: Dieser Typ wollte mit seinen beiden Kumpels die Wüste Pakistans durchqueren, rund 600 Kilometer an der Grenze zu Afghanistan entlang! Von den über 45 Grad Celsius Außentemperaturen mal abgesehen, waren dort permanent Benzin- und Opiumschmuggler unterwegs, außerdem streiften schwer bewaffnete afghanische Rebellen durch die Region. Und Garry Sowerby wollte da mal eben durchbrettern, einfach so. Unbewaffnet, von Kerman im Iran aus, durch die Wüste, weiter ins indische New Delhi. Und von dort nach Chennai am Golf von Bengalen, wo sein Schiff nach Australien wartete.

Auf dem Weg durch den Orient: Der Frontera rollt, die Hitze flirrt, und von der Spitze des Minaretts erklingt das Gebet eines Muezzins.

Iraner und andere Nicht-Briten mögen ein solches Vorhaben vielleicht für irre halten. Echte Engländer dagegen dürften dies jedoch bestenfalls als extreme Ausformung ihres berühmten Sportsgeistes ansehen. Schließlich hat ein gewisser Jules Verne schon 1873 einen Roman über einen Briten namens Phileas Fogg geschrieben, der in 80 Tagen um die Welt reiste. Diese drei Gentlemen wollten das Gleiche in vier Wochen schaffen. Und das im Jahr 1997 – so what?

Zwei Offroad-Experten und ein Opel/Vauxhall-Ingenieur

Zumal Phileas Fogg lediglich Privatier und sein Diener Passepartout zwar treu, aber technisch unbedarft war. Diese Drei aber waren absolute Könner. Garry Sowerby etwa, damals 47 Jahre alt, war als Offroad-Spezialist fürs Extreme schon mal auf vier Rädern von Südafrika zum Nordkap gedüst. Der 50-jährige Colin Bryant galt als einer der besten Offroad-Rallyepiloten Großbritanniens. Und der 36-Jährige Graham McGaw war Entwicklungsingenieur bei Opel/Vauxhall im englischen Luton und kannte das Fortbewegungsmittel seines Teams mindestens so gut wie sich selbst: einen Opel Frontera.

Opel Frontera wird 30
vom Newcomer zum Bestseller

GRENZENLOS Die Autowelt war viele Jahrzehnte lang geteilt: Einerseits gab es komfortable Limousinen für die Straße, andererseits puristische Wagen fürs Gelände. Das änderte sich mit dem Jahr 1991: Opel präsentierte auf dem Genfer Automobilsalon mit dem Frontera ein „allradgetriebenes Freizeit-Automobil“.

GEWALTIG Die Rüsselsheimer begründeten mit dem Frontera (Spanisch für „Grenze“) das Segment der 4×4-Alleskönner und lösten europaweit einen wahren Allrad-Boom aus. Bereits 1993 hatte der Frontera die gesamte grobstollige Konkurrenz abgeschüttelt und sich an die Spitze der Zulassungsstatistik gesetzt. 

GANZHEITLICH Entwickelt wurde der Opel Frontera von einem internationalen Ingenieur-Team speziell für die Ansprüche der Käufer auf dem europäischen Markt. Eine gute Aerodynamik, Personenwagen-Komfort, Funktionalität, ein dynamisches Erscheinungsbild und gutes Handling standen bei der Konzeption im Vordergrund. 

GEFRAGT Der Frontera wurde als „Geländewagen des Jahres 1991/92“ ausgezeichnet. 1993 und 1994 war der Frontera der meistverkaufte Offroader Europas; der größte Einzelmarkt war Deutschland. Insgesamt wurden über 320.000 Einheiten zugelassen. Prominentes Werbegesicht war der Extrembergsteiger Reinhold Messner. 

GEFERTIGT Für die Frontera-Produktion wurde das Joint-Venture „IBC Vehicles“ im britischen Luton nördlich von London genutzt. Heute werden an diesem Standort der Opel Vivaro und der Zafira Life hergestellt.

GENERATIONEN Mit neuem 2,2-Liter-Turbodiesel-Direkteinspritzer und 3,2-Liter-Sechszylinder geht im Herbst 1998 die zweite Generation des Opel Frontera an den Start. Der neuentwickelte Offroader wartet mit verbessertem Fahrkomfort und Handling sowie höherer Sicherheit und frischem Design auf.

Allrad und 2,5 Liter Turbodiesel –
einfach ideal

Und diese Drei sollten sich aufhalten lassen von Wüste, Schmugglern und Rebellen? Never ever. Sie erreichten Chennai exakt elf Tage, 21 Stunden und 25 Minuten, nachdem sie in London aufgebrochen waren – am 1. Oktober 1997. Fünf Minuten (!) später, als sie es sich bei der Planung ihrer Reise ausgerechnet hatten.

Heute ist die „Frontera World Challenge“ Geschichte – und nur einer von vielen Rekorden, die der nunmehr 70-jährige Garry Sowerby in seinem Leben als Motorsport-Abenteurer aufstellte. Im kanadischen Halifax fungiert er nach wie vor als Präsident und CEO des „Odyssey Management Team“. Und an diesen 24 Jahre zurückliegenden Trip erinnert er sich im Gespräch mit der Opel POST, als sei er erst gestern über die Ziellinie gefahren.

Als erstes „allradgetriebenes Freizeitauto“ nahm der Frontera das Konzept der SUV vorweg.

Warum es ein
Frontera sein musste?

Ein Grund war der 2,5 Turbodiesel mit 115 PS (85 kw), der damals gerade neu herausgekommen war: „In Kombination mit dem zuschaltbaren Four-Wheel-Drive war er einfach ideal für unsere Zwecke“. Außerdem war überall auf der Welt ein Service mit passenden Ersatzteilen verfügbar. Denn seinen Siegeszug auf den Automobilmärkten rund um den Globus hatte der Frontera bereits sechs Jahre zuvor angetreten. Als erstes „allradgetriebenes Freizeitauto“ nahm er das Konzept der „Sport Utility Vehicles“ (SUV) vorweg, immerhin heute das am stärksten wachsende Fahrzeugsegment.


„Wir haben allerdings nie einen Service benötigt“, erzählt Garry Sowerby. Den australischen Kontinent etwa – exakt 7.884 Kilometer –, auf dem der Frontera als Holden vertrieben wurde, durchquerten die drei Gefährten in drei Tagen, siebzehn Stunden und 17 Minuten. Von dort ging’s mit dem Flugzeug weiter nach Neuseeland.

Flugtauglich: Die Strecke von Australien nach Neuseeland wird per Flieger überbrückt.

Frontera lässt sich auch von Barbie nicht stoppen

Und der Abschnitt per Flieger offenbarte einen Vorteil, auf den normale Frontera-Fahrer wohl kaum gekommen wären. „Dank seiner Größe und Gewichts war der Allrad-Allrounder auch für einen Transport durch die Luft gut geeignet. Und er passte hervorragend in die 20 Fuß-Container, in denen er über den Pazifischen und den Atlantischen Ozean geschifft wurde.“


In Taiwan allerdings wäre es ums Haar zu einem Zwischenstopp gekommen, der die Zeitrechnung der kühl kalkulierenden Briten über den Haufen geworfen hätte. Das Schiff, auf dem sie eingecheckt hatten, wollte die Frontera-Reise plötzlich stornieren. Der Grund: Es musste kurzfristig eine Fracht Barbie-Puppen aufnehmen, die dringend fürs Weihnachtsgeschäft benötigt wurden. Sowerby instrumentalisierte kurzerhand die englischsprachige Weltpresse, um die Frachtergesellschaft nochmal zum Umdenken zu überreden – mit Erfolg.

Von 45 Grad Plus in der iranischen Wüste bis 15 Grad Minus in Alaska – kein Problem für den Frontera.

Den amerikanischen Kontinent steuerten die Globetrotter übrigens auf der Höhe von Alaska an. Einfach machen kann es sich schließlich jeder. Denn nach den 45 Grad plus in der Wüste Pakistans war es nun an der Zeit, das andere Extrem zu genießen: Auf dem Weg durch den hohen Norden der USA nach New York durfte sich das Team bei zeitweise 15 Grad minus abkühlen. Was dem Frontera ebenfalls keine Probleme bereitete. Das Serienmodell war von den Spezialisten übrigens nur geringfügig modifiziert worden. Unter anderem mit einer verstärkten Vorderachse, speziellem Unterbodenschutz, Überrollkäfig, Hosenträgergurten sowie größer dimensioniertem Luftfilter, Tank und natürlich Klimaanlage.

Aus der Wüste in die Großstadt: Rush Hour in Indien.

Vom Big Apple aus ging es über den Atlantik nach Spanien, dort über Frankreich auf die Fähre Dover-Calais – und zurück nach London. Am Donnerstag, dem 11. Dezember 1997, fuhr der Frontera vor dem Old Royal Observatory in Greenwich vor. Nach 29.000 Kilometern Fahrt über vier Kontinente und durch 16 Länder. Abzüglich der Flug- und Schiffsreisezeiten benötigte die Crew 21 Tage, zwei Stunden und 14 Minuten.

Hartnäckigkeit, Glück und Können bis zum Äußersten

Sie trafen Punkt 10.30 Uhr ein. Ortszeit, versteht sich. Denn ihre Uhren hatten Garry Sowerby, Colin Bryant und Graham McGaw stets rechtzeitig umgestellt – und nicht den Fehler gemacht, der Phileas Fogg um ein Haar seinen Wetteinsatz gekostet hätte.


„Mit einem Auto um die Welt zu fahren ist ein komplexer, kostspieliger und zermürbender Härtetest, der Hartnäckigkeit, Glück und Können bis zum Äußersten fordert“, erinnert sich Garry Sowerby heute. „Der Frontera hat uns ermöglicht, ihn zu bestehen.“ Außerdem sei Opel/Vauxhall ein dankbarer Sponsor gewesen. „1997 war das letzte Produktionsjahr der ersten Frontera-Generation. Nach unserer Aktion sollte sich die Öffentlichkeit fragen: Wenn mit dieser Generation so etwas möglich ist – wie gut muss dann die nächste sein?“


April 2021

Text: Eric Scherer, Fotos: Odyssey International Ltd.