„Ich war drin“

Als sein großer Wunsch endlich in Erfüllung geht, ist Thomas Wietzorek mächtig abgelenkt. „Oh Mann“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich das hier genießen kann.“ Denn ja, Wietzorek ist seit 16 Jahren bei Opel und noch nie im Rüsselsheimer Design Center gewesen. „Dieser Ort übt eine enorme Anziehungskraft auf Autoliebhaber wie mich aus“, merkt Wietzorek an. „Zugleich ist das Gebäude für Nicht-Designer so schwer zugänglich wie Fort Knox für Goldräuber.“ Nun darf Wietzorek endlich die heiligen Hallen des Sperrbezirks betreten.

 

Abtauchen in eine völlig neue Welt
Doch nein, die Anspannung in seinem Gesicht ist kein Ausdruck von Vorfreude. Er ist gedanklich bei seinen Kollegen aus der Chassis-Qualitätssicherung. „Wir haben da eine technisch knifflige Situation, ich bleibe deshalb nur kurz im Design Center und muss dann weg.“ Das sagt Wietzorek auf der Rolltreppe, die in die erste Etage der Opel-Kreativschmiede führt. Offenbar eine Stairway to Heaven. Denn 20 Sekunden später betritt der gelernte Fertigungsmechaniker, wie er später einräumen wird, „eine völlig neue Welt, die ich noch nie zuvor gesehen habe“. Und seine Bedenken? Auf der Strecke geblieben, irgendwo zwischen Rolltreppe und dem Experimental GT von 1965, auf den er jetzt zuläuft.

 

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Thomas Wietzorek schaut Andrey Gusev (l.) und Pierre-Olivier Garcia über die Schulter.


Computerloses Handwerk trifft auf die gegenwart
Es ist der Donnerstag voriger Woche und der erste von insgesamt drei Festtagen rund um das Design Center. Die Designschmiede feiert ihr 50-jähriges Bestehen, dazu eingeladen sind neben Fachjournalisten exklusiv die Opel-Mitarbeiter. Am Ende werden 10.000 Mitarbeiter zu der Veranstaltung gekommen sein. Zum Jubiläum gibt es eine historische Ausstellung, die Besucher können Ikonen wie GT, Manta und Insignia bestaunen und fahren. Zudem bieten die Form- und Liniengeber einen Einblick hinter die Kulissen ihrer Arbeit: Zum einen, wie sie noch vor Jahrzehnten ablief, als computerloses Handwerk; zum anderen gibt es Live-Demonstrationen aktueller Design-Technologien, veranschaulicht an Rechnern und der neuesten Opel-Studie, dem Monza Concept.


„Ich bekomme weiche Knie“

Thomas Wietzorek, der Chassis-Experte aus der Qualitätssicherung, erlebt das Geschehen im Design Center bei einer Exklusiv-Führung für Fachjournalisten. Er nimmt an ihr als Gast der Opel Post teil. Sein Blitz-Fazit zum Szenario im ersten Obergeschoss, das den Retro-Part im nachgebauten 60er-Jahre-Studio serviert: „Ich bekomme weiche Knie. Hier steckt so viel Tradition, so viel Opel und so viel Stolz drin.“ Was Wietzorek überwältigt, ist das Ambiente, ein bisschen Loft, ein bisschen Museum, stylish und heimelig zugleich. An den Wänden hängen Skizzen und Zeichnungen, sie stammen größtenteils von Design-Legende Erhard Schnell, der den damaligen Zeitgeist einfing und einflussreiche Automobil-Visionen kreierte, darunter den GT.


Mit Bleistiften, Pastellkreide und Feuerzeugbenzin
Jetzt startet Wietzoreks Zeitreise aber richtig: In der Mitte des Raums malen die Designer Andrey Gusev und Pierre-Olivier Garcia mit Bleistiften und Pastellkreide Entwürfe des GT und des Luxuscoupés CD (1969). Dabei erklären sie, wie man mit Feuerzeugbenzin Farbkontraste entstehen lässt. Wenige Meter weiter befindet sich die Station „Tape Drawing“. An einer Mattfolie ist dort eine 1:1-Zeichnung des GT befestigt, und Oliver Elst zeigt Wietzorek, mit welchen Handgriffen er die Klebebandstreifen anbringen und so die Linienführung der Karosserie gestalten kann.

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Modelleurin Henny Tomczak erklärt, worauf es bei Clay-Entwürfen ankommt.


Raspeln, staunen, vergleichen
Schweißtreibend wird es für den Studio-Gast an dem GT-Modell in Originalgröße aus Clay-Material. Wietzorek raspelt sich mit Messer, Slicks und Blechen durch den Stoff, der eine Art Mix aus Knetmasse und Ton ist. „Das war damals die perfekte Methode, die Maße und die Optik eines Fahrzeugs zu begutachten und zu verfeinern – und ist es heute noch immer“, sagt Modelleurin Henny Tomczak. Gleich daneben stehen die echten Klassiker. Der ockerfarbene GT hat es Wietzorek am meisten angetan.


Schnappschuss mit der Legende

„Dieselbe Farbe hat auch mein eigener Opel-Schatz, ein Kadett D von 1979“, sagt er. „An ihm tüftle und schraube ich in meiner Freizeit.“ Der ältere Herr, der ihm in diesem Moment zustimmt, sorgt dafür, dass Wietzoreks Kinnlade eine heftige Abwärtsbewegung macht. Es ist der Meister höchstpersönlich: Erhard Schnell, der Mann, der den Designstil von Opel über Jahrzehnte prägte. Der heute 85-Jährige ist als Ehrengast vor Ort – und gefragtester Interviewpartner der zahlreichen Medienvertreter. Dennoch nimmt er sich Zeit für Wietzorek, die beiden sprechen über die Kadett-Baureihen, die urbane Junior-Studie von 1983 und den Erfolg des Calibra. Noch rasch ein gemeinsames Erinnerungsfoto im GT. Und dann geht es für Wietzorek zurück in die Zukunft.

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Begegnung mit einer Legende: Wietzorek mit GT-Schöpfer Erhard Schnell.


Die Neuzeit wartet im Erdgeschoss

Ab ins Erdgeschoss, hier steht die Neuzeit: Rechner mit riesigen Bildschirmen, an denen die Designer Ideen für neue Modelle sammeln, diskutieren und anpassen. Automobilentwicklung 2.0. Man arbeitet mit Spezial-Software, sie ermöglicht 3-D-Ansichten in einer virtuellen Welt und hohe Auflösungen für die Detailtreue. Doch ohne Clay-Modelle kommen auch die Formpioniere von heute nicht aus. Neben den 1:3- Entwürfen des ADAM tummelt sich ein Monza Concept aus Clay, nicht geknetet, sondern über Nacht von einer Fräsmaschine gefertigt.


Die Schwarze Witwe kann ihn nicht verführen

Thomas Wietzorek lächelt beim Rausgehen und sagt: „Das ist wie ein Abenteuerspielplatz, aufregend, spaßig und lehrreich.“ Als ihn ein Event-Betreuer fragt, ob er nicht Lust hätte, eine Runde zu drehen mit einem Admiral oder der Schwarzen Witwe, dem Nachbau eines schwarz-gelben Rekord C-Renntourenwagens von 1967, da zögert Wietzorek kurz. Da war doch was. Die technisch knifflige Chassis-Situation – kurzzeitig fast in Vergessenheit geraten. Wietzorek grinst, als das verlockend-monströse Röhren des Witwen-Aggregats ertönt. Dann sagt er: „Das ist nett, danke, aber nein, ich gehe zurück zu meinem Team, wir müssen jetzt an der Linie Gas geben.“


Stand Juni 2014

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Wie alles begann

Opel war 1964 der erste europäische Autobauer, der ein eigenes Design Studio einrichtete. Vorbild war das Kreativzentrum der Konzernmutter GM in Detroit. Dort arbeiteten schon 1956 mehr als 1200 Menschen an der Gestaltung von Fahrzeugen. Gegründet wurde die dortige Abteilung als „Art & Colour Section“ bereits 1927. Zehn Jahre später entstand mit der Y-Job-Studie, einem Cabriolet von Buick, das erste Konzeptfahrzeug der Automobilhistorie.

 

In Europa hatte man damals für Designideen sogenannte Karossiers, die Auftragsarbeiten ausführten. Und natürlich hatten auch BMW oder Mercedes ihre Design-Abteilungen, aber ein eigenes Center im Stile des GM-Baus gab es in Stuttgart und München nicht. Und Konzepte, die man auf Messen als Ideen für die Zukunft zeigen konnte, ebenfalls nicht. 


Im Jahr 1965
präsentierte Opel mit dem Experimental GT das erste Konzeptfahrzeug eines europäischen Herstellers auf einer Messe. Der Vorläufer des späteren Opel GT stammt aus der Feder von Erhard Schnell. Der heute 85-jährige war Leiter der Vorausentwicklung im Design und arbeitete am GT-Konzept „in geheimer Mission“ – gemeinsam mit seinem Team tüftelte er an der innovativen Form, ohne Wissen des Vorstands.