Jerusalem statt Detroit



↑  Ein Best of der Konferenz „OPELxWIRED future.mobility“.


01_2017-029B12_J3C2706

Carlo Ratti ist Direktor des „Senseable City Lab“ am Massachusetts Institute of Technology.

 1 Wie neue Formen der Mobilität Städte verändern


Wie werden die neuen Formen der Mobilität unsere Städte verändern? Äußerlich wahrscheinlich gar nicht mal so sehr, dafür aber können sie ihnen einen neuen Spirit verleihen – so das Credo des italienischen Architekten und Visionärs Carlo Ratti. Als Direktor des „Senseable City Lab“ am Massachusetts Institute of Technology entwickelt er neue Ansätze der Mobilität. Denn: Nichts prägte das Aussehen von Städten im 20. Jahrhundert mehr als das Auto. Autos, die heutzutage jeden Tag zu 95 Prozent ungenutzt sind. „Es gibt Schätzungen, dass jedes gemeinschaftlich genutzte Auto, etwa über Sharing-Systeme, zwischen zehn und 30 in Privatbesitz befindliche Autos auf den Straßen ersetzen könnte“, so Ratti. Solche Dynamiken könnten mit der Etablierung von selbstfahrenden Autos exponentiell, quasi unbegrenzt, steigen. Das wiederum habe einen dramatischen Einfluss auf das urbane Leben: „Die Grenze zwischen privaten und öffentlichen Formen des Transports verschwimmen. Das könnte zu einer Stadt führen, in der – zumindest theoretisch – auf Anfrage jeder transportiert werden kann, mit einem Bruchteil der Autos, die heute unterwegs sind.“

↑  Carlos Ratti über das Internet der Dinge.


 2So viel Potenzial steckt in Assistenzsystemen


Wie werden Autos zukünftig mit Menschen kommunizieren? Dazu zeigte Prashanth Halady einige verblüffende Perspektiven auf. Etwa, dass es keinesfalls eine Utopie ist, Autos in naher Zukunft allein durch Blicke zu steuern können. Doch auch in den gegenwärtig schon genutzten Fahrerassistenzsystemen stecke noch enormes Potenzial. Der Direktor des Global Center of Competence for Human-Machine Interaction von Bosch präsentierte eine aktuelle Studie seines Unternehmens, der zufolge bereits im Jahr 2025 weltweit 260.000 Unfälle mit Personenschäden vermieden werden und 400.000 Tonnen an CO2-Emmissionen eingespart werden können, wenn weiter auf vernetztes und assistiertes Fahren gesetzt wird. Allein für Deutschland haben die Analytiker 30.000 Unfälle pro Jahr weniger errechnet. Weltweit würden 4,43 Milliarden an Schadenskosten gespart. Von der Zeitersparnis durch den verbesserten Verkehrsfluss mal ganz abgesehen.

Prashanth Halady Direktor des Global Center of Competence for Human-Machine Interaction, Bosch.


03A_2017-029B12_J3C2823

Tarek Al-Wazir Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung im Gespräch mit Moderator

 3  „Große Ziele sind wichtig, denn sie erzeugen Druck.“


Dass 2020 tatsächlich eine Million Elektroautos durch Deutschland fahren, wie es die Bundesregierung einmal vorgegeben hat – daran glaubt Tarek Al-Wazir nicht mehr. Der Hessische Minister für Wirtschaft, Energie und Verkehr hält es aber nach wie vor für richtig, „sich große Ziele zu setzen, denn es erzeugt Druck.“ Der aber kann nicht allein auf der Automobilindustrie lasten. Dass auch die Politik ihren Beitrag leisten muss, um etwa flächendeckende Lade-Infrastrukturen für E-Autos zu schaffen, ist Tarek Al-Wazir bewusst.

 

Die Aufgabe der Autobilhersteller sei es, Vertrauen zu schaffen: „Der Kunde darf nicht länger denken, er könne mit einem E-Auto nur 200 Kilometer fahren und müsste dann vier Stunden rasten, um die Batterie seines Autos aufzuladen.“ Elektro-Autos sind nach Ansicht des Ministers auch besser geeignet für die zukunftsweisende „Share-Economy“. Die könne die Ballungsräume enorm entlasten, müsse aber auch in den ländlichen Räumen mit frischen Ideen vorangetrieben werden. „Öffentlichen Nahverkehr überall anzubieten, ist schon jetzt nicht mehr möglich“. Carsharing wäre auch dort ein Zukunftskonzept, um die wachsenden Mobilitätsprobleme zu lösen.


 

 4Eine Auto-Flatrate? Nur eine von vielen potenziellen Spielarten der Mobilität


„Wie wichtig ist es, in welchem Auto man sitzt, wenn man es nicht selbst fährt?“ Die provokante Frage stellte Marcus Willand, Berater des Porsche-Tochterunternehmens MHP. Das autonome Fahren nennt er den „Game Changer“, die Entwicklung also, die grundlegendste Veränderungen mit sich bringen wird. Auch auf gesellschaftlicher Ebene. „Die Mobilitätsbranche ist ein boomender Markt, der durch das autonome Fahren exponentiell wachsen wird. Das verändert nicht nur den Personen- in viel größerem Maßstab auch den Frachtverkehr“, führte Willand aus. Ein kleiner Indiz, welche gesellschaftlichen Auswirkungen diese Entwicklung haben könnte: „In etwa 40 Bundesstaaten der USA ist der Lkw-Fahrer der häufigste Job.“ Der Berater warf bemerkenswerte Schlaglichter auf potenzielle künftige Spielarten der Mobilität. Ganz neue Flotten könnten entstehen: Spezielle autonome Shuttles übernehmen an Stelle von Taxen Krankenfahrten zu Kliniken (Willand: „Ein Millionenmarkt“). Auch könnte Mobilität eine Art Zusatzservice werden: Beim Buchen eines Kino-Tickets kommt für einen Aufpreis das autonome Shuttle vor die Tür gefahren. Oder die Spielart in Anlehnung an Mobilfunkverträge: Für den Betrag X gibt es die Mobilitäts-

Marcus Willand MHP – A Porsche Company

Flatrate. Smartphone gleich Auto, Freiminuten gleich Kilometer. Willand: „Eine solche Mobilitäts-Flat in keine Zukunftsmusik. Sie wurde bereits angeboten. Die Nachfrage war so groß, dass der Anbieter die Offerte aussetzen musste.“


Dr. Andreas Herrmann Marketingprofessor der Universität St. Gallen.

5 Jerusalem statt Detroit: Verschiebungen in den Parametern der Autoindustrie


Wenn man sich mit der Zukunft der Mobilität beschäftigt, kann ein Status quo hilfreich sein: Wie viele Autos gibt es weltweit? 1,2 Milliarden. Wie viele Kilometer legen diese Autos im Jahr zurück? 16 Billionen Kilometer, 108.000 Mal die Strecke von der Erde zur Sonne. Dr. Andreas Herrmann nutzte diese Zahlen, um zu verdeutlichen, „wie stark das Mobilitätsbedürfnis bei annähernd sieben Milliarden Menschen auf der Erde wachsen wird.“ 130 Jahre lang habe man das Auto gleich gedacht – kaufen und fahren. Die nächste Stufe stehe bevor – teilen und fahren lassen. Welche Potenziale birgt das autonome Fahren? Herrmann:  „94 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen.“ Der Umkehrschluss: Ein Großteil ließe sich vermeiden.  Der Mobilitätsmarkt sei unermesslich, so der Marketing-Professor: „Die Internet-Giganten wie Google und Amazon bereiten sich vor.“

Die Konsequenzen sind grundlegend: Die heutigen Schwergewichte der Automobilindustrie verortet man in den USA und Deutschland. Die künftigen könnten laut Herrmann ihren Sitz und China oder Israel haben. Dort, wo sich Pioniere der IT- und High-Tech-Industrie konzentrieren. Die Gefahr, die er für heutige Automobilhersteller sieht, ist, dass sie auf den Status eines Hardware-Zulieferers reduziert werden könnten.


 6Algorithmen stammen auch aus Rüsselsheim


„Deutschland wird kein Vorreiter in Sachen E-Mobilität sein.“ Diese bemerkenswerte Aussage stammt von Burkhard Milke. Er ist Direktor Elektrische Systeme bei Opel. Er sage dies nicht verbittert oder enttäuscht, es sei einfach eine Tatsache: „Wir in Europa haben keinen Innovationsdruck.“ Man werde in Frankfurt nicht die Straßen aufreißen und beispielsweise Induktionsschleifen verlegen. Anders sei das in China. Dort entstünden komplett neue Städte am Reißbrett, ausgelegt auf die Bedürfnisse von E-Mobilität und autonomen Fahren.

Moderator Lars Gaede möchte wissen, wie weit man bei Opel in Sachen autonomes Fahren ist. „Da kann ich Sie leider nicht in die Karten schauen lassen. Aber so viel: Wir hier im ITEZ sind in der globalen Verantwortung und wenn im Silicon Valley Autos automatisiert fahren, können sie davon ausgehen, dass einige der Algorithmen aus Rüsselsheim stammen“, so Milke. Dass sich das autonome Fahren durchsetzt, steht für den Direktor außer Frage. Mehr noch: „Man wird es irgendwann für unverantwortlich halten, selbst zu fahren.“ Denn menschliches Versagen sei nun mal der Grund für den Großteil aller Unfälle.

Burkhard Milke Direktor Elektrische Systeme bei Opel.

 


In Teil 2 der wichtigsten Botschaften von der OpelxWIRED-Konferenz:

Unter anderem Dr. Lena Rittger, Opel-Projektleiterin Driver Performance Advanced Technology, zum Thema: Wir bringen Autos das autonome Fahren bei, doch wie vermitteln wir es den Menschen?  Oder Technikphilosophin Janina Loh von der Universität Wien zur Frage, wer haftet, wenn zwei autonome fahrende Fahrzeuge kollidieren. Außerdem prognostizierte der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky, wie wir im Jahr 2027 leben, arbeiten und uns fortbewegen werden. Nicht zuletzt ging es um das zukünftige Design von Autos. Hierzu diskutierte Opel-Chefdesigner Friedhelm Engler mit Professor Lutz Fügener von der Hochschule Pforzheim und Alexander Mankowsky von Daimler. Weitere Insights gibt es im Opel-Blog.

 

Stand Juni 2017

 

Duphaston Online
Buy Advair
Buy Serevent without Prescription
http://allergyremediesonline.org/spiriva/