Eine Galerie ist ein Ort, der für die Ausstellung zeitgenössischer Kunst genutzt wird, um sie einem breiten Publikum zu vermitteln. Ein solcher Ort ist jetzt an einer besonderen Stelle auf dem Rüsselsheimer Opel-Werksgelände entstanden. Der Tunnel, der zu den Gleisen der Bahnstation „Opelwerk“ führt, ist jetzt eine Galerie. „Blitz-ARTig“ präsentiert auf einer Länge von über 200 Metern Opel-Kunst – kreative Auseinandersetzungen mit Unternehmensgeschichte und Produkten, verspielt, witzig, informativ und technisch eindrucksvoll umgesetzt. Gestaltet wurde die Unterführung der Extra-Klasse von Opel-Mitarbeitern in ihrer Freizeit und von Schülern des Neuen Gymnasiums Rüsselsheim.
„Wir wollten etwas Außergewöhnliches schaffen“, nennt Wolfgang Rentsch, Director Global Facilities Opel/Vauxhall, die Grundidee während der Vernissage, die am 1. Juni stattfand. Unter seiner Leitung formierte sich die Interessensgemeinschaft. Einfälle wurden gesammelt und die gewannen schnell an Kontur: Opel-Motive sollten es sein, natürlich, aber nicht auf herkömmlichen Leinwänden, sondern auf Blech, man ist schließlich Automobilunternehmen.
Also lieferten die Kollegen des Presswerks passende Platten, 70 Stück, jeweils 1,80 mal 1,26 Meter groß, die Mitarbeiter der Lackiererei sorgten für die schwarze Grundierung und Auszubildende der Berufsausbildung, allen voran Felix Müller und Sascha Oerter, fertigten aus 65 Metern Vierkantrohr und 7.200 Nieten die Rahmen, an denen die Kunstwerke aufgehängt wurden.
Von Adam Opel bis GT Concept
Parallel machte sich ein „Kreativteam“ ans Werk, geeignete Motive zu identifizieren: 412 Meter lang sind beide Tunnelwände zusammen genommen – reichlich Platz für Abwechslung. Der spektakulärste Einzelentwurf füllt die Ostwand auf der kompletten Länge. Leiterin der Künstlergruppe ist Pinar Demirgöz, Projekleiterin im Facility Management. Zusammen mit den Advanced Desigern Holger Weyer und Friedhelm Engler hat sie die künstlerische Gestaltung der Ostwand vorangetrieben. Entstanden ist eine beeindruckende Collage aus gelaserten Lichtpunkten, die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Unternehmens thematisieren: Da fehlt das Konterfei Adam Opels ebenso wenig wie ein aktuelles Insignia-Modell sowie die Monza Concept- und die GT Concept-Studie.
„Den Startschuss gab ein Brief aus Chile“
Wolfgang Rentsch, Director Global Facilities Opel / Vauxhall, über das außergewöhnliche Projekt
Herr Rentsch, wie fühlt man sich als Galerist?
In erster Linie stolz. Zum einen auf die Dynamik, mit der sich dieses Projekt in nur 23 Monaten entwickelt hat. Und zum anderen auf die Begeisterung und die Kreativität, mit der alle Beteiligten zu Werke gegangen ist. In der Interessengemeinschaft hat jeder Einzelne seine besonderen Talente und Qualifikationen eingebracht. Und angesichts der Vielfalt an Kunst und Künstlern, die wir hier präsentieren, dürfen wir diese Unterführung zurecht als Galerie bezeichnen, zu der der Name „Blitz-ARTig“ wirklich hervorragend passt.
Wer gab die Initialzündung für dieses Projekt?
Sie werden es kaum glauben: Das war ein deutscher Hotelier, der in Chile lebt. Sein Vater hat bei Opel gearbeitet, und im Sommer 2015 hat er diesen in Rüsselsheim besucht. Dabei stieg er am Opel-Bahnhof aus. Von dessen Zustand und dem der Unterführung war er nicht gerade begeistert. Daraufhin schrieb der Hotelier einen Brief, in dem er darauf hinwies, dass dies keine Visitenkarte für ein Unternehmen wie unseres sei. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir die Unterführung zwar regelmäßig gestrichen, aber die Flächen waren stets umgehend wieder beschmiert. So kam der Stein ins Rollen: Warum nicht mal was machen, was innovativ und kreativ ist – typisch Opel eben?
Dass der Tunnel beziehungsweise die Galerie zum Hessentag eingeweiht wird, ist ja wirklich eine Punktlandung…
Ganz ehrlich, das hatten wir gar nicht angestrebt. Aber das Projekt entwickelte eine solche Eigendynamik, dass wir irgendwann gesagt haben, jetzt schaffen wir das auch noch. Dreh- und Angelpunkt war die Ostwand mit Collagen aus gelaserten Lichtpunkten. Als klar war, dass wir diesen technisch und organisatorisch aufwendigen Part bis zum Landesfest schaffen, füllten sich flux auch die übrigen Tafeln mit tollen Ideen. Super, dass es geklappt hat. Zum Hessentag werden nämlich viele einpendelnde Besucher den Opel-Bahnhof nutzen, um zur Hessentagsarena am Adam Opel Haus zu gelangen.
Um die Entwürfe umzusetzen, mussten die Laser exakt 623.042 Punkte in die Bleche schneiden. Eine Operation, für die keine der ME-Lasermaschinen im Werk vorgesehen ist. Also schrieb Philipp Hoffmann, IT-Spezialist im Aftersales, ein neues Softwareprogramm. In seiner Freizeit, in der sich auch alle anderen Mitglieder dieser „Interessengemeinschaft“ engagierten. „Ich wollte eigentlich mein Zeichentalent einbringen, aber als Programmierer war es natürlich Ehrensache, an dieser Stelle kreativ zu werden“, so Hoffmann.
Ascona A und Phantasieautos
Die Westwand blieb handgemalten Motiven vorbehalten. Sie widmen sich unter anderem dem Motorsport. Unter anderem ist Walter Röhrls legendärer Ascona A zu sehen, mit dem er 1974 die Rallye-Europameisterschaft gewann. Zudem sind an der Westwand nun einige wunderschöne Oldtimer zu entdecken, die sich nicht identifizieren lassen. Kein Wunder: Es handelt sich um Phantasieprodukte, die Schüler des Neuen Gymnasiums Rüsselsheims entworfen und auf Blech gezaubert haben. Von der Grundidee bis zur Fertigstellung der Tunnelwände brauchte es nur 23 Monate. Und natürlich handwerkliches Geschick. Das brachte Peter Oettel mit in die Gemeinschaft. Ob Beleuchtung hinter der Laserblechwand, Transport der Gemälde oder Logistik, der Facility Manager ist Leiter der Handwerksgruppe.
Stand Juni 2017