30.000 Besucher strömen zu den Opelvillen nach Rüsselsheim.
„Schauen wir mal“, sagt der Mann im pinken Leinenhemd, der seit 2004 Markenbotschafter für Opel und Instrukteur bei den OPC-Fahrertrainings ist, mit einem verschmitzten Grinsen. Vorfreude? Vermutlich. Genug Auswahl ist da: 3.400 fahrende Schätze stehen bei der 18. Auflage der größten Oldtimer-Tagesveranstaltung bereit.
Warum es immer gelb sein muss
Unsere erste Station ist schnell gefunden: Zielstrebig steuert Winkelhock einen zitronengelben Opel GT an. „Das ist meine Farbe“, bekennt der Opel-Markenbotschafter. „Mein Helm, mein Fahrrad – bei mir muss immer alles gelb sein. Das macht meine Frau manchmal wahnsinnig.“ Zudem stellt der Opel GT für den Le-Mans-Sieger so etwas wie eine unerfüllte, große Liebe dar. Er ist mit dem Kultwagen nie ein Rennen gefahren – und auch privat hat es das Coupé noch nicht in die Winkelhock‘sche Garage geschafft. „Leider hatte ich nicht das Glück wie Walter Röhrl, dem sich vor zwei Jahren die Gelegenheit bot, von seinem ehemaligen Chefmechaniker Herbert Fabian einen toprestaurierten GT zu beziehen“, seufzt das Rennsport-Ass. „Seit ich das in der Opel Post gelesen habe, beneide ich den Walter darum.“ Dafür hat der junge Jockel Winkelhock zumindest eifrig an Opel GT-Modellen herumgeschraubt, als er in den 1970-er Jahren Karosseriebauer lernte, wie er uns verrät. In der Werkstatt seines Vaters, dem Kran- und Abschleppunternehmer Manfred Winkelhock aus dem württembergischen Berglen-Steinbach.
Kaum betreten wir an dem sonnigen Sonntagvormittag den schattigen Park, sticht dem gebürtigen Waiblinger ein Fiat 600 ins Auge – und frühste Jugenderinnerungen werden wach. „Der Wagen muss älter sein als ich“, sinniert der 57-Jährige. „In so einem hat mir mein Vater das Autofahren beigebracht, auf der Wiese hinter unserer Werkstatt.“
Kuppeln, schalten, beschleunigen – das werde ich nie vergessen. Damals war ich gerade mal zwölf.“ Womit er seine Bestimmung schon sehr früh fand. Autos ließen ihn fortan nicht mehr los.
Stets gehütet, aber
niemals gefahren
Als 16-Jähriger diente Jockel seinem Bruder, der wie sein Vater ebenfalls Manfred hieß, als „Schmiermaxe“, als dieser sich bei Berg- und Rundstreckenrennen oder im Slalom versuchte. Und in was? „In einem NSU, Baujahr 71“, erzählt der Rennfahrer. Es dauert nicht lange und er hat unter den Klassikern im Grünen ein identisches Modell ausgemacht. Es gehört Andreas Maxion aus Wiesbaden, der ganz gerührt ist, als Jockel Winkelhock erzählt, dass er dieses Modell zwar wie seinen Augapfel gehütet, aber niemals gefahren hat: „Mein Bruder hat niemand anderen hinters Steuer gelassen.“ Andreas Maxion will ihm sofort die Schlüssel in die Hand drücken, doch Jockel winkt ab: „Danke, heute nicht.“ Es warten noch so viele Klassiker – oder sind es Erinnerungen –, die entdeckt werden wollen.
Ein paar Meter weiter begrüßen Michael und Tamara Belz die Rennsport-Legende. Jockel Winkelhock mag die beiden auf Anhieb mindestens so sehr wie den Opel Manta GT/E in voller Rallye-Aufmachung, den die beiden präsentieren. „Ich hab‘ mein erstes Rennen für Opel in einem 400er Manta gefahren, der sah fast genauso aus“, erinnert sich Jockel Winkelhock. „Vor 32 Jahren. Das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, gemeinsam mit Norbert Haug und Karl Mauer. Wir sind Zweiter geworden, was ein Riesenerfolg für uns war. Viel hätte nicht gefehlt, und wir hätten gewonnen.“
Ein Mann mit vielen Namen.
Einer davon: „Smokin’ Joe“.
Auf dem Weg zum Main wartet unverhofft Auto „Nummer 4“: In der Nähe des Damms parkt ein BMW M3, Baujahr 1987. Jockel atmet tief durch. „In so einem bin ich meine erste Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft gefahren.“ Ab 1990 nämlich. Drei Mal gewann er die DTM, zwei Mal siegte er im 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Ab 1993 startete er für BMW auch in der britischen Tourenwagenmeisterschaft. Dort erwarb er sich unter anderem den Spitznamen „Smokin’ Joe“. Wegen seiner Donuts nach Siegen und dem Titelgewinn in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft – natürlich auch wegen der Kippe im Mundwinkel, sobald er den Helm vom Kopf hatte. Doch das hat er sich inzwischen abgewöhnt.
Auf der Mainwiese überwältigen den Flaneur ein letztes Mal Erinnerungen auf unserem Rundgang. Er erblickt einen feuerroten Porsche Turbo. „In so einem habe ich 1986 den Porsche Cup gewonnen. Ein ungeheuer spannender Wettbewerb, da dort alle das gleiche Auto fahren. Auch Hans-Joachim Stuck und Jochen Maas waren mit dabei.“ Diesen Erfolg wertet Jockel als Sprungbrett in seine weitere Karriere, denn von da an ging es für ihn bergauf. Er schaffte den Sprung in die Formel 3 und die Formel 1. Dennoch schwingt bei diesen Erinnerungen ein großer Schmerz mit. „Ein Jahr, bevor ich mit dem Sieg im Porsche Cup so richtig durchstartete, war mein Bruder tödlich verunglückt.“
Eine Dreiviertelstunde ist es her, dass wir den Rundgang gestartet haben. Jetzt rufen weitere Pflichten – unter anderem ein Interview. Ein Jockel Winkelhock ist als Gesprächspartner eben immer gefragt. Opel GT, Fiat 600, NSU, Opel Manta GT/E, BMW M3 und ein Porsche – sechs Autos sind auf der Winkelhock‘schen Liste gelandet. Autos, die Stationen des Lebens der Rennfahrer-Legende und des Menschens widerspiegeln.
Vielen Dank, Herr Winkelhock für diesen Rundgang.
Stand Juni 2018