Dem Meriva ist das gelungen, was bislang noch kein Fußballteam in der Champions League geschafft hat: den Titel zu verteidigen. Der Meriva ist zum zweiten Mal in Folge das „Fahrzeug mit der höchsten Kundenzufriedenheit in der J.D. Power VOSS Studie Deutschland“ im Segment Kompakt-Van. Und diese Studie bewegt sich durchaus auf Champions League-Niveau. Ein guter Anlass also, um mit Thomas Simon, seit 1. Januar 2012 Vice President GM Europe Quality, über die Titelverteidigung, das perfekte Auto und die Kunst der Balance zu sprechen.
1. Herr Simon, was bedeutet die Titelverteidigung des Meriva beim J.D. Power VOSS-Report für Opel/Vauxhall?
Simon: Der Meriva erreicht 80,4 Prozent Zustimmung – ein absoluter Spitzenwert. Die für die Studie befragten Besitzer fahren das Auto im Schnitt seit zwei Jahren und sind damit zu Recht die härtesten Kritiker. Die Ergebnisse zeigen eines ganz deutlich: Unsere Fokussierung auf die Qualität wirkt sich wie geplant direkt auf die Kundenzufriedenheit aus. Der J.D. Power VOSS-Report ist in Sachen Kundenzufriedenheit so wichtig, weil er nahezu die gesamte Bandbreite der Kundenerfahrungen erfasst – von der Qualität, über Attraktivität und Service bis hin zu den Unterhaltskosten.
2. Attraktivität, Service und Unterhalt – diese Kategorien gehen über das hinaus, was man originär unter Qualität versteht. Inwieweit hat sich der Qualitätsbegriff gewandelt?
Er hat sich immens verändert. Qualität ist heute wesentlich mehr als die Defektfreiheit, vielmehr ist es zusätzlich die „Presence of Good“. Alle Erfahrungen, die der Kunde mit einem Produkt und mit der Marke macht, spielen eine Rolle. Es geht also über die – wir nennen sie „Hardcore-Qualität“ – hinaus. Der erweiterte Qualitätsbegriff ist heute bei GM und bei Opel integraler Bestandteil des Geschäftsmodells.
3. Wenn also die Defektfreiheit nicht mehr ausreicht: Wie nehmen Kunden Qualität wahr?
Mit allen Sinnen. Wie sieht es aus, wie fühlt sich das Lenkrad, der Sitz, der Schaltknauf an? Wie klingt der Motoren-Sound? Wie riecht es im Innenraum? Die Liebe zum Detail, das Streben nach und das Umsetzen von Perfektionismus muss in und an allen Ecken des Autos spürbar und erkennbar sein. Nur dann können wir den Kunden glücklich machen.
Und ich bin überzeugt: Wir haben noch nie so gute Autos gebaut wie heute. Und sie haben noch nie so gut ausgesehen. Doch es geht über das Automobil hinaus. Wie zufrieden bin ich mit der Werkstatt? Was lese ich über Opel in meiner Tageszeitung? Alle Berührungspunkte mit der Marke spielen eine Rolle.
4. Die Meriva-Kunden sind zufrieden. Doch wo steht Opel/Vauxhall beim Thema Qualität insgesamt?
Wir haben uns neu orientiert. Das manifestiert sich in der Strategie DRIVE! 2022. Und das gilt auch für das Thema Qualität. Hinter unserer Initiative QUALITY! 2022 stehen nicht weniger als zehn Kerninitiativen mit dem Ziel, in allen Fahrzeugsegmenten für die Bereiche Initial-Qualität, Dauerhaltbarkeit und Zuverlässigkeit, sowie Kundenzufriedenheit eine Spitzenposition zu erreichen. Wir werden es uns nicht leisten, bis 2022 zu warten. Jedes neue Fahrzeug, das wir launchen, launchen wir in der Spitzenposition. Wettbewerbsstudien zeigen, dass wir uns mit den Modellen ADAM und Mokka in Sachen Kundenzufriedenheit und Problemen pro Fahrzeug genau dort befinden – in Spitzenpositionen.
5. Woher wissen Sie, was der Kunde möchte, was ihn zufrieden macht?
Wir stellen inzwischen im Entwicklungsprozess die Kundenzufriedenheit ganz an den Anfang. Noch bevor finanzielle Genehmigungen eingeholt werden, legen wir fest, wo wir wie performen wollen. Dazu gibt es exakt 38 Kundenzufriedenheits-Attribute. Das sind zum Beispiel die Rundum-Sicht, Performance, CO²-Ausstoss, Attraktivität, Interieur Design, Exterieur Design. Jedes dieser 38 Attribute ist messbar. Während des Entwicklungsprozesses hoffen wir nicht nur darauf, mit einem Produkt eine realistische Chance auf dem Markt zu haben – wir wissen es. Die jüngsten Produkte – ADAM und Mokka – zeigen das eindrucksvoll. Und dieses Jahr geht es weiter mit Vivaro, ADAM Rocks und dem neuen Corsa. Ich verspreche: Da ist Musik drin.
6. Gibt es das perfekte Auto?
Nein, das eine perfekte Auto gibt es nicht. Das Fundament des Automobils, die sogenannten Physics, muss perfekt sein. Dann geht es darum zu verstehen, was in den jeweiligen Segmenten und Märkten von unseren Kunden gewünscht und erwartet wird. Ein Kunde mit Familie auf der Suche nach einem Van greift eher zu einem Zafira Tourer oder Meriva und hat andere Anforderungen als der, der einen Astra OPC kauft. Der eine achtet unter anderem auf Funktionalität und die Ladekapazität, der andere auf die Performance. Wir legen mit Hilfe der Kundenzufriedenheits-Attribute fest, in welchen Punkten wir mit welchem Fahrzeug herausstechen wollen.
Ein Automobil kann nicht in allen Attributen Klassenbester sein. Zumindest könnte man es sich dann nicht mehr leisten. Aber wir müssen dort die besten sein, wo unsere Kunden den Fokus sehen. Und dort, wo wir als Marke stehen wollen – das beste Auto zu einem vernünftigen Preis zu bieten. Ein gutes aktuelles Beispiel: Die Autotest-Redaktion kürte den Insignia Sports Tourer 2.0 CDTI in Sachen Preis/Leistung in der Mittelklasse zum Sieger.
7. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Vice President Quality aus?
Ich bewege mich täglich überwiegend in der ‚Zukunft‘. Zur Erläuterung: Vor zehn Jahren haben wir die Hälfte unserer Arbeitszeit darauf verwendet, tagesaktuelle Themen zu behandeln. Heute verbringen wir mehr als die Hälfte unserer Zeit damit, in die Zukunft unserer künftigen Modelle zu blicken. Das ist gut so, denn all das, was man von vorne herein richtig konzipiert, muss man am Ende des Prozesses nicht korrigieren. 30 Prozent der Zeit widme ich dem aktuellen Produktgeschehen, der Rest entfällt auf klassische Managementaufgaben.
8. Was sind Themen, die Sie aktuell beschäftigen. Können Sie ein Beispiel nennen?
In Europa ist die Haltedauer der Fahrzeuge, also wie lange ein Kunde ein Fahrzeug fährt, signifikant gestiegen. Ein Kunde trifft seine Entscheidung, ein neues Fahrzeug zu kaufen, also zu einem Zeitpunkt, an dem das Erlebte beim Kauf viele Jahre zurückliegt. Im Vordergrund steht die jüngst gemachte Erfahrung. Wie war der Service beim letzten Werkstattbesuch, als die Bremsscheiben gewechselt wurden? Wie waren die Kosten? Und vor allem: Wie sieht das Auto jetzt nach fünf, sechs Jahren aus? Wirft das Leder am Sitz Falten? Wird der Lack stumpf? Diese Tatsache haben wir fest im Blick und arbeiten gezielt daran.
9. Gibt es einen Kardinalfehler bei Ihrer Arbeit?
Eines dürfen wir nie vergessen: Wir sind Automobilhersteller. Alles beginnt und endet mit dem Auto. Wir könnten ein Auto, dass am Kundengeschmack vorbei konzipiert ist, nach wie vor ohne Fehler entwickeln und bauen. Es würde super funktionieren, aber es ließe sich nicht verkaufen. Auch das funktioniert nicht: Ich mache alles falsch beim Konzipieren, in der Entwicklung und bei der Fertigung und zünde dann ein Verkaufsfeuerwerk, habe die tollsten Gebäude, die nettesten Verkäufer, es gibt immer frisch gebrühten Kaffee – der Kunde wird unzufrieden sein. Es gibt nicht das eine oder das andere – alles muss passen und die richtige Balance haben.
Stand Juli 2014
Thomas Simon ist seit 1. Januar 2012 Vice President General Motors Europe Quality. Der 1966 in Österreich geborene Thomas Simon begann seine Karriere 1986 bei Opel Wien. Sein Werdegang führte ihn über verschiedenste Funktionen unter anderem nach Rüsselsheim als Chefingenieur und Direktor der Powertrain Fertigungsplanung für gesamt Europa und nach Turin als Vice President Quality Antriebsstrang Fiat-GM Powertrain. 2007 übersiedelte Simon als Vice President Quality & Reliability Global Powertrain nach Detroit, USA. Im Juni 2010 kehrte er nach Europa zurück und verantwortete als Global Vehicle Line Executive im Rüsselsheimer ITEZ die Kompaktklasse von GM weltweit.
Was ist J.D. Power?
J.D. Power Associates ist eine der renommiertesten Marktforschungs-Institutionen der Welt. Gegründet 1968 und benannt nach dem Urheber James David Power III., hat das Unternehmen in Sachen Kundenzufriedenheit ein großes Gewicht. Seit 2002 gibt es die jährliche Zufriedenheits-
untersuchung mit Autofahrern auch in Deutschland.
Wie funktioniert der J.D. Power Report?
Beim J.D. Power Report 2014 wurden 18.000 Autofahrer per Online-Interview nach den Erfahrungen mit ihrem Auto befragt. Die Teilnehmer fahren das jeweilige Modell etwa zwei Jahren. In die Wertung schaffen es nur Modelle, für die mindestens 50 auswertbare Antworten vorliegen. Bei der Herstellerwertung müssen es mehr als 100 Antworten sein.
Wie misst man Zufriedenheit?
Die Fragen im J.D. Power Report sind in die vier Kategorien Qualität/Zuverlässigkeit, Attraktivität, Service und Unterhaltskosten untergliedert. Alle Bewertungen werden gewichtet und bilden einen Gesamtzufrieden-
heitswert in Prozent. Hierbei geht die Attraktivität mit 27 Prozent am stärksten ein, Unterhaltskosten mit 25, Qualität/Zuverlässigkeit mit 24 und Service mit 23 Prozent.