Abschiede sind für die Frau eines Bikers nichts Ungewöhnliches. Einen passionierten Zweiradfahrer zieht es eben immer wieder mal für ein paar Tage auf die Straße, Benzin ruft Blut. Ute Scholl-Poensgen weiß das – auch, dass sie mit einem Exemplar verheiratet ist, dass sich bei aller Leidenschaft fürs Motorrad fahren seiner Verantwortung als zweifacher Familienvater stets bewusst geblieben ist. Mehr als ein, zwei Mal im Jahr bricht der 53-jährige, der im Rüsselsheimer ITEZ die Server Operationen überwacht, nie von Zuhause aus, dann aber schwingt er sich jedes Mal für einige tausend Kilometer auf sein Bike. Der Abschied an diesem Freitag, den 18. Juli, ist jedoch ein anderer. Axel Scholl-Poensgen bricht zu einer jener Touren auf, die ein Biker nur einmal im Leben unternimmt. Von Mainz aus will er über Berlin und Moskau bis in die Mongolei, nach Ulan Bator. Fast zehntausend Kilometer in nur drei Wochen abspulen, pro Tag rund zehn Stunden im Sattel sitzen. Es ist die mit Abstand längste und härteste Tour, die er je in Angriff genommen hat.
Wie man auf so eine Idee kommt?
40 Jahre deutsch-mongolische Diplomatie: Ein guter Anlass
Axel Scholl-Poensgen ist seit Jahren bei den „Eurobikern“ aktiv. Der Verein versteht Motorrad fahren als Lebensart, will auf seinen Ausfahrten fremde Länder, Menschen und Kulturen kennenlernen, auf diese Weise einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten und dabei immer auch mal etwas Gutes tun. Axel Scholl-Poensgen war schon in Rumänien, Bulgarien und dem Kosovo, auch bis Russland ist er schon geknattert. Vor einiger Zeit begegnete er in St. Petersburg einem deutschen Botschafter, der erzählte, dass er demnächst nach Ulan Bator versetzt werde. Dann gab ein Wort das andere, und schon hatte der Eurobiker zugesagt, den Diplomaten einmal in der Mongolei zu besuchen. Termin und Anlass waren ebenfalls schnell gefunden: 2014 feiern Deutschland und die Mongolei den 40. Jahrestag ihres ersten Botschafteraustauschs. Erste diplomatische Beziehungen zum einstigen Reich Dschingis Khans hatte die ehemalige DDR bereits 1950 aufgenommen.
Reparaturen? Wenn einer improvisieren kann, dann die Russen
„Wie unsere Gastgeber uns empfangen, wenn überhaupt, wissen wir nicht“, erklärt Axel Scholl-Poensgen. „Das ist ganz ihnen überlassen.“ Für den Biker ist zunächst einmal der Weg das Ziel. Ein Jahr lang hat er sich um Visa gekümmert, an den Tagesstrecken gefeilt, Unterkünfte gebucht – und ausbaldowert, was er alles an Gepäck auf seine „Honda African Twin“ laden kann. „Ich darf gar nicht sagen, wie wenig eigene Klamotten ich dabei habe“, schmunzelt er. „Aber was soll’s – wenn mir unterwegs ein T-Shirt fehlt, kauf ich mir eben eins.“ Wichtiger sind da diverse Ersatzteile, falls das Bike unterwegs mal liegenbleibt. „Einige klassische Verschleißteile habe ich dabei. Ich hab aber auch keine Angst, mich auf das Improvisationstalent der Menschen unserer Gastgeberländer zu verlassen. Die sind nämlich viel besser als wir darin, aus wenig viel zu machen. Irgendeiner wird meinen Bock schon wieder fitkriegen.“
Mit dabei: 30 „Bärenherz“-Teddies – einer hat einen Logenplatz
Ebenso wichtig sind ihm die 30 Teddies der „Bärenherz“-Stiftung, die er ebenfalls aufgeladen hat. Sie sollen unterwegs an Kinder verteilt werden. Einem von ihnen hat er einen Logenplatz zugedacht: Hinten an der Maschine montiert, darf er die Fahrt sozusagen zurückblickend verfolgen. Am Freitag ging’s in Mainz los, am Samstag ist Axel Scholl-Poensgen in Belin planmäßig mit den übrigen neun Eurobikern zusammengetroffen, die sich dieser Wahnsinnsherausforderung stellen. Am Wochenende haben sie Polen durchquert – und noch in der Nacht zum Montag russischen Boden befahren.
Noch offen: Baikalsee oder Wüste Gobi?
Bei aller akribischen Planung – ein bisschen Improvisationsspielraum haben sich die Biker auch gelassen. „In Novosibirsk werden wir entscheiden, ob zumindest vielleicht ein Teil von uns den Weg durch die westliche Mongolei nimmt.“ Das bedeutet: Auf zum Teil unbefestigten Wegen die Ausläufer der Wüste Gobi passieren. „Wir werden sehen, ob wir dazu dann noch fit genug sind“, so Axel-Scholl Poensgen. Die planmäßig Route führt 200 Kilometer länger durch Russland, ist aber komfortabler – und schließt den Baikalsee mit ein, eines der ältesten, tiefsten und schönsten Binnengewässer der Erde.
WER WILL, KANN ÜBER „TWITTER“ DABEI SEIN
So oder so – der Kontakt nach Hause soll während der gesamten Tour nicht abreißen. Wer will, kann die Tour über Axel Scholl-Poensgens Twitter-Account mitverfolgen. „Außerdem hoff ich, in unseren Unterkünften immer mal WLAN vorzufinden.“ Auch wir werden die Leser von Opel Post online auf dem Laufenden halten. Zudem wird ein Kamerateam des SWR die Eurobiker begleiten und über die Fahrt eine Dokumentation erstellen, die voraussichtlich im September in der Reihe „Mensch! Alltag“ ausgestrahlt wird.