Es war der größte Wettbewerb dieser Art, der jemals durch deutsche Lande rollte – und auch danach hat sich nichts Vergleichbares mehr ereignet. Die „Olympia Rallye“ führte anlässlich der Olympiade in München 1972 vom 13. bis zum 18. August rund 3.500 Kilometer durch die Bundesrepublik. Von Norden nach Süden. Von Kiel bis München. 340 Fahrzeuge waren am Start – und 98 davon waren Opel. Mit dabei: der Cuxhavener Wilhelm Mester.
Wilhelm Mester
Herr Mester, Sie waren gerade 20 Jahre alt – und somit nach damaligen Recht noch nicht einmal volljährig. Wieso waren Sie dennoch bei der „Olymia-Rallye 1972“ dabei?
Ich war damals als Pressewart des Sportfahrer-Clubs Cuxhaven aktiv und bediente diverse Zeitungen mit meinen Artikeln. Unser lokales, mittlerweile leider verstorbenes Rallye-Ass Günther Lehmann wollte die Olympia-Rallye unbedingt begleiten – und mich dabei haben, damit wir gemeinsam von unterwegs berichten. Mit schriftlicher Einwilligung meiner Eltern klappte das dann auch. Für mich war das ein großartiges Abenteuer. Meine Artikel habe ich auf dem Beifahrersitz geschrieben, mit einer Reiseschreibmaschine auf den Knien. Und um Fotos nach Hause zu schicken, bin ich unterwegs immer wieder in Zeitungsredaktionen vorstellig geworden, die über ein Bildfunkgerät verfügten. Klar: Heute wär das alles einfacher, aber damals war es einfach uriger.
Opel ist Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben…
Und ob. Mit 98 Opel-Fahrzeugen im Feld war keine andere Marke stärker vertreten. Und in Rüsselsheim war die einzige Übernachtungspause der Rallye vorgesehen. Opel lud den gesamten Rallyetross zu sich ein, verköstigte ihn und kümmerte sich um Übernachtungsmöglichkeiten. Für uns Presseleute gab es sogar einen Raum, in dem jeder einen eigenen Schreibtisch und ein eigenes Telefon zur Verfügung hatte – das war für damalige Verhältnisse ein sensationeller Service.
Die Olympia Rallye 1972 ist auch heute noch Thema in den sozialen Netzwerk. Bei Facebook tauscht sich eine über 250 Mitglieder starke Gruppe über das Ereignis aus. Wie erklären Sie sich diese ungebrochene Faszination?
Es war ein Ereignis, das es so noch nie gegeben hatte – und auch danach nie mehr geben sollte. Der Zauber hält an. Zumal die wenigsten, die sich noch heute dafür interessieren, damals dabei gewesen sind. Ich bin 63 und war damals der Jüngste – wie viele meines Jahrgangs nutze auch ich das Medium Internet nicht so sehr und die älteren eher noch weniger. Ich denke mal, wir haben dieses Ereignis für die damaligen Verhältnisse gut in Wort und Bild festhalten und somit ein Angebot schaffen können, dass jüngere Motorsportbegeisterte sich heute noch gerne anschauen – um sich zu informieren, was damals so an Autos unterwegs war. Und an interessanten Fahrern.
Welche Fahrer waren dabei?
Mit einem Opel waren beispielsweise die Franzosen Henri Greder und Marie-Claude Beaumont am Start, die schon die Rallye Monte Carlo gewonnen hatten. Oder die Schweden Sylvia Österberg und Anders Kulläng, die mit ihrem Opel Ascona auch immer vorne mitfuhren. Einem Nachwuchstalent namens Walter Röhrl bin ich da übrigens auch begegnet – vor ein paar Wochen, bei der Bremen Classic Motorshow habe ich ihn gerade wiedergetroffen. Das war ein Spaß.
Warum hat es seitdem nie mehr etwas Vergleichbares in Deutschland gegeben?
Sie müssen sich das einmal vorstellen: Der Fahrtleiter, unser Rallye-Papst Hans Schwägerl, hat seinerzeit jedes Landratsamt zwischen Kiel und München einzeln abgeklappert, um eine Genehmigung für den jeweiligen Streckenabschnitt zu bekommen. Allein dafür brauchte er zwei Jahre. Auf der Rallye-Strecke von 3.500 Kilometern und bei den 63 Sonderprüfungen waren 3.000 ehrenamtliche Helfer eingesetzt – das wäre heute nicht mehr zu leisten. Selbst größere Oldtimerausfahrten über ein paar hundert Kilometer für 100 bis 120 Teilnehmer lassen sich nur noch sehr schwer organisieren.
August 2016