Die Geburtstagstour
Ende 1937 erschien Opels erster in Serie gefertigter Luxuswagen, später wegen der nach den Werksferien begonnenen Fertigung als Admiral ‘38 bezeichnet. Doch 1937 ist schon das richtige Jahr für das große Jubiläum, gefeiert vor dem Adam Opel Haus, auf lauschigen Landstraßen im rheinhessischen Hügelland und auf Schloss Westerhaus, dem Weingut der Familie von Opel. Einige Insignia Grand Sport waren auch dabei. Organisiert hat die Tour die Alt-Opel IG und Opel Classic.
Was für ein Bild am bewölkten Morgen Mitte Juli vor dem Adam Opel Haus in Rüsselsheim. Zwölf Admiral haben sich für eine ganz besondere Tour zum 80. Geburtstag versammelt. Erst einmal das obligatorische Gruppenfoto inklusive Menschenauflauf. Das Jubiläumstreffen war bewusst nicht vorab betrommelt worden, es sollte im familiären Rahmen stattfinden. Doch immer wieder mussten die begeisterten Schlachtenbummler freundlich, aber bestimmt aus dem Fotomotiv komplimentiert werden. Währenddessen herzliche Begrüßungsszenen unter den Besitzern. Manche kennen sich vier Jahrzehnte und länger, andere sind ganz neu dabei, werden aber sofort in die Admiral-Familie aufgenommen. Der überstrapazierte Begriff von der verschworenen Gemeinschaft, hier trifft er zu.
Endlich geht es los.
Der Admiral-Anlasser dreht langsam, lässt ein dumpfes würp-würp ertönen, und dann erklingt die typische Mischung aus äußerst leiser Mechanik, dezentem Ansauggeräusch und bassigem Auspuffton. Tatsächlich tritt der von einem wuchtigen Sechszylinder mit immerhin 3,6 Litern Hubraum angetriebene Admiral druckvoll an und die Steigungen des Hügellandes erfordern kaum jemals ein Zurückschalten. Das übrigens leise und zivilisiert abläuft, denn das Getriebe ist bis auf den ersten Gang synchronisiert. Ein dezent dosierter Hieb Zwischengas, wenn es in den Ersten geht. Das ist alles.
Nur geht es nicht in den Ersten runter, weil das massive Drehmoment Steigungen einfach wegbügelt. Der Motor stellt ab der Leerlaufdrehzahl reichlich Kraft bereit. Typische, auf Drehmoment ausgelegte Drosselmotoren hatten auch die ersten Olympia und Kapitän, doch im Admiral tritt wegen des längeren Hubs der Charakter noch deutlicher zutage.
Mit sympathischer Trotzigkeit
Diese ersten Kilometer fahre ich mit Josef Lummer, Szene-Urgestein aus der Gegend von Paderborn, der zusammen mit Ehefrau Elisabeth angereist ist. Seine Limousine trägt die seitlichen Zierleisten korrekt, also mit dem roten Streifen nur unten auf den seitlichen Zierleisten und schon gar nicht auf den fein ausgeschliffenen Türgriffen. Darauf legt er Wert. Aber die roten Streifen im Grill? „Die gehören da nicht hin, aber so finde ich das schön und dazu stehe ich!“ Schon wegen der prekären Ersatzteillage neigen die Mitglieder der Admiralität zu einer ebenso selbstironischen wie sympathischen Trotzigkeit.
Oldtimerleute vor allem der Vorkriegsfraktion sind durchweg alte Uhus, bisschen staubig, Herrschaftswissen und so? Von wegen. Auftritt Nicole Seemann, begleitet von Freund Dirk Bellof. Nicole, Raspelfrisur mit langer blonder Strähne, dunkel geschminkte Augen, dunkel geschminkte Lippen, ein Bild von einer sehr modern eingestellten jungen Dame. Die zierliche Nicole fährt den Admiral selbst. Warum auch nicht? Kraftfahrer hieß es zwar in den Tagen des alten Luxusliners und verglichen mit heutigen Automobilen braucht die Bedienung auch Kraft. Aber nicht so viel, dass eine zierliche junge Dame mit dem gut fünf Meter langen Admiral nicht jederzeit souverän fertig würde. Rangieren im Stehen, da wird es unangenehm, aber ein kleines bisschen Gas und er rollt und es geht. Auf der Landstraße werden die relativ geringen Bedienkräfte erst deutlich. Servo gab es noch nicht, also musste es ein Lenkrad großen Durchmessers (und feiner Machart) tun. Damit lenkt es sich leicht, wenn auch ziemlich viel.
Eine halbe Million auf dem Tacho
Ich steige um in das Hebmüller-Cabriolet von Klaus Adler. Hier geht es hinten enger zu als im Werksmodell und für lange Strecken eignet sich der große Wagen nur als Zweisitzer. Eine halbe Million Kilometer hat der niemals abgemeldete Hebmüller gelaufen. Gut 100.000 hat Klaus draufgefahren. „Kürzlich waren wir damit am Neusiedler See und haben die Österreicher besucht“, erzählt Klaus Adler, als sei es die normalste Sache auf der Welt, so etwas mit einem 80 Jahre alten Auto zu tun. Die Karosserie des Cabriolets knarzt auf Bodenwellen leicht, Lenkung und Fahrwerk deuten aber nirgends Arbeitsbedarf an. Klaus Adler hat einen ganz anderen Beruf gelernt, aber eine Jugend auf einer Tankstelle hat nicht nur bleibende Eindrücke hinterlassen, sondern auch profunde Kenntnisse. Zum Admiral gekommen ist er wie viele andere auch über den Kapitän ‘51, als Einstiegsdroge in die Vorkriegswelt.
Nun geht es auf einer engen Straße steil bergan. Steil bedeutet in diesen Kreisen: zweiter Gang. Das will was heißen. Der Tross erreicht Schloss Westerhaus, das Weingut der Familie von Opel. Gräfin Ivonne und Graf Johannes von Schönburg-Glauchau begrüßen die Teilnehmer herzlich auf dem seit 1408 bestehenden Anwesen, das vor gut 100 Jahren zum Schloss ausgebaut wurde. Die Gräfin ist eine geborene von Opel und so kommt es, dass auf dem Etikett des Opel-Weins von Schönburg-Glauchau steht.
Wer möchte Flammkuchen, wer Starthilfe?
Die Kinder stehen vor und neben einer Batterie Elektroöfen und machen Flammkuchen. Schnibbeln, belegen, einschießen, rausholen, verteilen. Es gibt Profis, die das nicht schneller hinbekommen. Beeindruckend! Und es schmeckt derartig gut, dass es für viele nicht beim angekündigten kleinen Imbiss bleibt. Draußen tauschen sich die Admiral-Fahrer aus. Nicole Seemann und Dirk Bellof sind auch wieder dabei (und sie werden problemlos ins Ziel kommen). Ein Teilnehmer benötigt Starthilfe. Die Lichtmaschine des Modells war nicht eben stark ausgelegt und wer viele Verbraucher betreibt, muss sich schon mal helfen lassen. Manche Autos laufen längst mit stärker dimensionierten Lichtmaschinen. Schwieriger als das Verabreichen des kleinen Stromstoßes gestaltet es sich allerdings, die Kinder aus dem Gläser-Admiral von Frank Orschter und Anke Büttner zu bekommen. Die beiden sind zum ersten Mal dabei und ihr schöner Admiral stößt auf großes Interesse.
Österreichs einziger Admiral
Für die Rückfahrt steige ich in den Wagen von Renate und Dr. Wolfgang Kern, die mit Österreichs einzigem Admiral aus Graz angereist sind. Ebenfalls zum ersten Mal dabei und sie haben Spaß. Die Limousine läuft tadellos, aber bald zeigt sich, was es mit dem raffinierten Design der Frontpartie auf sich hat: Der Motor versorgt den Innenraum mit viel Abwärme. Deshalb trägt der Admiral oben über den Kotflügeln die bildschönen Luftauslässe, deshalb hat er zusätzlich Entlüftungsklappen vor der A-Säule. Und die vier seitlichen Drehfenster, betätigt von bildschönen, manuell bearbeiteten Kurbeln, sind auch alles andere als Luxus.
Wolfgang kommt als Oldtimerliebhaber von einem schwäbischen Fabrikat. Dann musste es ein Blitz sein, dann erfuhr er, es gab mal einen großen Opel mit einem solchen Motor. Was mochte das für ein Fabelwesen sein? Heute fährt er den einzigen Admiral ‘38 in Österreich.
Die Braut heulte bitterlich…
Zum Schluss eine herrliche kleine Anekdote, erzählt von Klaus Adler, der freimütig einräumt, das Hobby belastet seine Finanzen doch erheblich. Sein Admiral muss daher arbeiten – als Hochzeitskutsche. „Da hast Du immer einen vollen Reservekanister dabei, trau nie der Kraftstoffanzeige!“ Liegengeblieben ist er nie, aber an einen skurrilen Zwischenfall erinnert er sich. Das Verdeckgestänge machte schlapp, das rückwärtig montierte Blumengesteck machte den Abflug, die Braut heulte bitterlich. Wo das doch Unglück bringt! Ob sie noch verheiratet ist, berichtet die Überlieferung nicht. Admiral-Fahrer hingegen bleiben treu.
Was vor 80 Jahren der Admiral für Opel war, das ist heute der neue Insignia, er wurde von den Teilnehmern mit großem Interesse begutachtet. Er kann, wie sollte es nach acht Dekaden auch anders sein, viel mehr und verlangt viel weniger als sein betagter Vorgänger. Es gibt Ersatzteile und Fachwerkstätten. Und: man kann ihn leasen.
Stand August 2017