Fritz von Opel und die „Opel II“

Er liebte die Geschwindigkeit und verachtete die Gefahr: Mit dieser Attitüde im Herzen und reichlich Sprengstoff im Rücken wurde Fritz von Opel weltberühmt. Seine „RAK“-Pioniertaten sind Opel-Enthusiasten seit Jahrzehnten wohlbekannt. Nur wenige dagegen erinnern sich an seine Passion für den Wassersport und daran, welche Erfolge „Raketen-Fritz“ auf diesem Feld errang. Sein rassiges Rennboot „Opel II“ ist heute fast vergessen. Dessen größter Erfolg hat sich 2017 zum 90. Mal gejährt – Grund genug, diese Facette Fritz von Opels wieder in Erinnerung zu bringen. Was gar nicht so einfach ist, denn viele Dokumente sind verloren gegangen, Aufzeichnungen nur unvollständig erhalten – die Geschichtsforschung ist hier noch nicht am Ende.

Fest steht: Nach heftigen Auseinandersetzungen mit der Obersten Nationalen Sportbehörde (ONS) im Sommer 1926 wurde die Firma Opel bis Ende 1927 von allen Automobilrennen ausgeschlossen. Daraufhin zog sich Opel gänzlich von Rennveranstaltungen zurück. Möglicherweise trug diese Entscheidung dazu bei, dass sich Fritz von Opel, der in der Geschäftsleitung von Opel tätig war, neuen Feldern zuwandte und ein Rennboot zulegte.

Das schnellste Motorboot Europas

Aber nicht irgendeins. Von Opel entschied sich für die „Namenlos“, ein 10,50 Meter langes Einstufen-Gleitboot mit zwei 260 PS starken Maybach-Luftschiffmotoren. Das 1926 gebaute Boot von Jupp Rüddel, dem Direktor der Maybach-Werke, galt mit einer gemessenen Höchstgeschwindigkeit von 106,2 km/h sowie einer Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Meile von 101,2 km/h als das schnellste Motorboot Europas und als das zweitschnellste der Welt. Nach dem Erwerb taufte Fritz von Opel die „Namenlos“ kurzerhand um und ging mit ihr als „Opel II“ in die Wassersportsaison 1927.

Opel-Manager und Abenteurer Fritz von Opel hier zusammen mit Außenbord-Sportlerin Helen Hentschel an Bord der „Opel II“, Templiner See Juni 1928.


Antrieb Der bis zu 260 PS starke Maybach Mb IVa von 1917 ist eine Weiterentwicklung des 22,8-Liter-CX-Luftschiffmotors. Während des Ersten Weltkriegs wurden mehr als 2.000 Exemplare gebaut, viele davon wurden nach dem Krieg als Stationärmotoren oder in Autos und Booten weiterverwendet. Die „Opel II“ hatte zwei Stück an Bord.

Wartungsarbeiten Fritz von Opel bei Wartungsarbeiten am backbordseitigen Maybach Mb IVa.

Zu ihrem ersten Renneinsatz kam die „Opel II“ im Sommer 1927 beim dritten Internationalen Motorboot-Meeting auf der Seine. Der erste Auftritt eines deutschen Motorbootes in Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg endete überraschend erfolgreich: In der unbeschränkten Klasse des „Coupe de France“ gewann Fritz von Opel am 12. Juli deutlich vor der einheimischen Konkurrenz. Nur zwei Tage später holte sich die „Opel II“ unter großem Jubel des fairen Pariser Publikums auch den „Preis des Französischen Marineministers“. Das Schlussrennen des Tages um die „Trophée de Paris“ geriet zum endgültigen Triumphzug für Fritz von Opel und ermunterte die deutsche Presse zu euphorischen Berichten.

Im weiteren Verlauf der Saison erreichte Fritz von Opel mit der „Opel II“ noch weitere vielbeachtete Siege. Am 2. Oktober wurde er Deutscher Meister bei der ADAC-Motorboot-Meisterschaft auf dem Templiner See. Eine Woche später siegte er an selber Stelle bei der Herbstwettfahrt der Berliner Vereine.

Waghalsige Luftakrobatik

Nur wenige Tage später, am 13. Oktober, sorgte Fritz von Opel erneut für Aufsehen – dieses Mal aber durch waghalsige Luftakrobatik. Der Flugkünstler Fritz Schindler stieg von der über den Templiner See rasenden „Opel II“ mittels einer heruntergelassenen Strickleiter zu einem fliegenden RK 2a „Pelikan“-Doppeldecker auf und kurz darauf bei Tempo 100 auch wieder herab. Die halsbrecherische Aktion kann als Bogenschlag vom wassersportlich äußerst erfolgreichen 1927 zum Jahr 1928 betrachtet werden – das Jahr, in dem Fritz von Opel sich der Fliegerei und den Raketenexperimenten zuwandte.


Aus dem Jahr 1928 sind nur zwei Regattateilnahmen von Opels dokumentiert: Vom 15. bis 17. Juni wurde er beim Großen Preis von Deutschland auf dem Templiner See trotz Problemen mit dem Motor nur von François Sigrand übertrumpft. Einen Monat später lieferte sich von Opel bei der Internationalen Rheinfahrt von Mainz nach Mülheim in Köln vor mehreren zehntausend Zuschauern ein Wettrennen mit einem D-Zug: Auf der rund zehn Kilometer langen Strecke Porz – Hohenzollernbrücke nahm er dem Zug zweieinhalb Minuten ab.

Die Spuren des Boots verlieren sich

Nach dieser Rheinfahrt verlieren sich die Spuren der „Opel II“. Ihr Besitzer legte sich noch diverse andere Motorboote zu, etwa die „Opel III“ mit DKW-Außenborder und die „Opel IV“, die bei Probefahrten bei Bingen abbrannte. 1928 und 1929 bestellte Fritz von Opel zwei weitere Boote, die aber nicht für Renneinsätze ausgerüstet wurden.

Im Juni 1933 findet sich die letzte Nennung unter dem Namen von Opel: Eine „Opel VIII“, ein knapp 60 km/h schnelles Motorboot, nahm am Motorbootrennen auf dem Templiner See teil. Am Steuer saß jedoch nicht „Raketen-Fritz“, sondern seine Frau Margot. Fritz von Opel interessierte sich in jenen Tagen für ein ganz anderes Boot: Im August 1933 ging er in Southampton an Bord der MS Europa und kehrte Deutschland den Rücken. Er emigrierte in die USA, lebte später in Frankreich sowie in der Schweiz, wo er im April 1971 im Alter von 71 Jahren starb.


Technische Daten der „Opel II“


Einstufen-Gleitrennboot aus Eiche und Mahagoni

Länge: 10,50 m

Breite: 2,40 m

Seitenhöhe: 0,94 m

Gesamtmotorleistung: 520 PS

gemessene Höchstgeschwindigkeit: 106,2 km/h

Motoren: 2 x Maybach Typ Mb IVa
(marinisierte Luftschiffmotoren) mit Schütte-Lanz-Wendegetriebe und Zeise-Rennpropeller

Zylinder: 6 Reihe, wassergekühlt

Gemischaufbereitung: Vergaser

Bohrung x Hub: 165 x 180 mm

Hubraum: 23,1 Liter

Leistung: 260 PS

Gewicht: 390 kg



Chronologie der „Opel II“


1926: Stapellauf bei Lürssen (Vegesack)

11. /12.September: Erste Erwähnung des noch namenlosen Bootes im Rahmen der Herbstwettfahrt der Berliner Vereine auf dem Templiner See; zunächst wird es stets als „Namenlos“ gelistet.

2. Oktober: Jupp Rüddel, ein Direktor der Maybach-Werke, gewinnt auf seiner „Namenlos“ bei der ADAC Herbstregatta auf dem Templiner See den Preis der „B. Z. am Mittag“ als schnellstes Boot im Wettbewerb. Die „Namenlos“ wird zum zweitschnellsten Motorboot der Welt.

1927: Fritz von Opel erwirbt das Boot

12. bis 14. Juli: Fritz von Opel wird dreifacher Sieger beim dritten Internationalen Motorboot-Meeting auf der Seine.

13. August: Sieg bei der Motorbootregatta des ADAC auf dem Starnberger See.

3. September: Von Opel erringt bei den Düsseldorf-Duisburger Motorboot-Wettbewerben auf der „Opel II“ das Blaue Band vom Rhein. Zudem werden ihm die Preise der Stadt Duisburg, der Schiffahrtsausstellung und der Rhenania-Ossag verliehen.

1./2. Oktober: Fritz von Opel wird Deutscher Meister bei der ADAC-Motorboot-Meisterschaft auf dem Templiner See.

8./9. Oktober: Sieg bei der Herbstwettfahrt der Berliner Vereine auf dem Templiner See.

1928: Die letzten Erfolge

15.–17. Juni: Zweiter Platz beim Großen Preis von Deutschland auf dem Templiner See.

12.–21. Juli: Teilnahme an der der zehntägigen Internationalen Rheinfahrt. Danach verlieren sich die Spuren der „Opel II“. Ihr Verbleib ist ungeklärt.


Auf dem Templiner See Beim großen internationalen Motorbootrennen im Juni 1928 musste sich Fritz von Opel in der unbeschränkten Klasse François Sigrand (links) und dessen Boot „Pah-Sih-Fou“ geschlagen geben. Dem Franzosen gelang damit die Revanche für Paris 1927.


Autoboote: Wie das Automobil zum Motorboot wurde. 1865 – 1945

von Carsten Klink und Leif Rohwedder
Verlag Karren Publishing, vorm. Monsenstein & Vannerdat; 508 Seiten; 79 Euro.
Opel-Mitarbeiter Leif Rohwedder hat Geschichtsforschung betrieben und Fritz von Opel in seinem neuen Buch „Autoboote – Wie das Automobil zum Motorboot wurde. 1865–1945“ ausführlich gewürdigt. Auch Spiegel Online hat das spannende Thema bereits aufgegriffen.


Stand September 2017

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Text: Leif Rohwedder
Fotos: Erich Benninghoven/Opel Automobile GmbH, Fr. Lürssen GmbH & Co. KG, Sammlung Carsten Klink, Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH, Georg Pahl/Bundesarchiv