Nur eine Handvoll Baujahr 1939er-Kapitäne dürfte es heute in Österreich geben, schätzt Gerhard Eisen. Er besitzt einen solchen. Der Opel Kapitän wurde ab 1938 bis 1940 als „Kapitän Baujahr 1939“ produziert. Heute gibt es von dieser ersten Kapitän-Version nur mehr ganz seltene Exemplare; der Großteil ging in den Wirren des Zweiten Weltkriegs unter.
Nachkriegsgeschichte
Gerhard Eisen erzählt: „Nach Kriegsende entdeckte mein Vater in einem Schuppen die Karosserie von einem Kapitän und erwarb sie zu einem geringen Preis.“ Gemeinsam mit zwei Freunden – alle drei arbeiteten damals bei Opel Günther in Linz – habe er das Auto neu aufgebaut; freilich mit Bestandteilen, wie sie damals verfügbar waren. In den 50er-Jahren sei das Auto fertig gewesen, berichtet Gerhard Eisen. Es habe aber nicht einem Original-Kapitän Baujahr 1939 entsprochen. Doch erste Probefahrten konnten stattfinden.
Dann machten sich die drei Freunde selbständig mit einer Kfz-Werkstatt. Der Opel Kapitän wurde so etwas wie das Maskottchen des Betriebs: der Werkstätteninhaber kaufte ihn den anderen beiden Freunden ab. Gefahren wurde der Kapitän aber nicht. Etwa zwanzig Jahre lang.
Vom Vater zum Sohn
Erst in den Siebziger-Jahren kam eine Änderung: Gerhard Eisen’s Vater übernahm die Kfz-Werkstätte und Gerhard Eisen erhielt den Kapitän geschenkt. Unter der Bedingung ihn zu restaurieren und selber zu nützen, nicht zu verkaufen!
Drei Jahre lang dauerten die Restaurierungsarbeiten, wobei sich die Suche nach Original-Bestandteilen als äußerst schwierig erwies: „Einen Kotflügel habe ich am Dachboden entdeckt, einen anderen in Deutschland gekauft.“ Besonders wichtig die Scheinwerfer von Bosch: „Die Scheinwerfer-Form beim Kapitän Baujahr 1939 ist markant. Ferrari hat diese Scheinwerfer sogar später auch verwendet. 1948 war das“, gewährt der Oldtimer-Restaurator Einblick in sein Know-how.
Seit 1980 fährt Gerhard Eisen seinen komplett als Originalmodell ausgestatteten Kapitän Baujahr 1939. Und vorher – 1976 – übernahm er auch noch die Kfz-Werkstätte vom Vater. Außerdem wagte er ausgedehnte Ausfahrten mit dem alten Kapitän; zum Beispiel – in den 80er-Jahren – zu einer Rallye bis nach Budapest. „Mit vier Erwachsenen und Gepäck.“
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„Ein herrliches Fahrgefühl.”
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Nichts für den Alltag
Heute nimmt Gerhard Eisen mit seinem mittlerweile 80 Jahre alten Kapitän regelmäßig an den Treffen der Alt-Opel-Interessengemeinschaft, des Oberösterreichischen Veteranenclubs und an Oldtimer-Rallyes teil. „Ein herrliches Fahrgefühl“, sagt er dazu. „Nichts für den Alltag.“
Was so besonders ist an diesem Auto? „Er ist ganz leicht zu bedienen und problemlos zu fahren. Man muss nur wenig schalten, eigentlich nur bei großen Steigungen zurückschalten. Die Achsen, die Federung – für damalige Zeiten eine komplett neue Konstruktion – sind auch heute noch eine feine Sache.“
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„Ich fahre über Land 80 bis 90 km/h Höchstgeschwindigkeit.”
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Drei Gänge sowie ein Sechszylinder-Motor mit 2,5 Liter Hubraum und 55 PS. „Dieser Motortyp wurde erstmals im Super 6 eingebaut“, ergänzt Gerhard Eisen. „Ich fahre über Land 80 bis 90 km/h Höchstgeschwindigkeit. Da läuft er wirklich ruhig.“ Und stellt fest: „Bei der Geschwindigkeit will ich nichts ausreizen. Ich fahre schonend. Da schnurrt mein Kapitän nur so dahin.“
In amerikanischem Stil
Die Vorgeschichte zum Opel Kapitän: Am 17. März 1929 verkauften Wilhelm von Opel und sein Bruder Friedrich Opel 80 Prozent des Automobilkonzerns Opel an General Motors/GM. Bis 1931 übernahm GM das Unternehmen vollständig.
Das erste Opel-Modell in amerikanischem Stil war der Admiral (1937). Ein Jahr später (1938) folgte auf diesen der Kapitän Baujahr 1939.
Bis zur kriegsbedingten Einstellung der Produktion im Jahr 1940 wurden vom Kapitän (Baujahr 1939) 25.374 Einheiten hergestellt; rund 13.000 davon für den Export.
Selbsttragende
Ganzstahl-Karosserie
„Ein Wagen, der der Welt gehört“ warb Opel 1938 für seinen neuen Vertreter der Mittelklasse, den es als zwei- und viertürige Limousine sowie als zweitüriges Cabriolet mit vier Sitzplätzen zu kaufen gab, und der die Lücke zwischen Oberklasse-Admiral und den populären Modellen Kadett sowie Olympia schließen sollte.
Die Besonderheiten des ersten Kapitän: die selbsttragende Ganzstahl-Karosserie (ohne Rahmen) und der autobahnfeste Kurzhub-Motor, ein 2,5 Liter-Sechszylindermotor mit 55 PS. Dessen hängende Ventile wurden über eine stirnradgetriebene Nockenwelle, Stößelstangen und Kipphebel betätigt.
Als er produziert wurde, erreichte der Opel Kapitän Baujahr 1939 eine Spitzengeschwindigkeit von 126 km/h. “So steht’s im originalen Verkaufsprospekt, den ich habe”, erklärt Gerhard Eisen.
Die Einzelradaufhängung mit Stabilisator vorne sowie die hydraulischen Bremsen und Stoßdämpfer waren damals serienmäßig noch längst nicht selbstverständlich. Das Design mit erstmals in den Kotflügeln integrierten, sechseckigen Scheinwerfern, sich nach oben öffnender, einteiliger „Alligator“-Haube und angedeutetem Fließheck folgte den stilistischen Vorbildern der Fahrzeuge aus den USA. Der Kofferraum war von außen zugänglich.
80 Jahre Opel Kapitän
1938 Fertigungsbeginn Kapitän ´39 (Werk Rüsselsheim)
März 1939 Beim Genfer Autosalon feiert der Opel Kapitän seine öffentliche Premiere
1940 kriegsbedingter Fertigungsstopp
5. Juli 1946 Beginn der Nachkriegs-Fertigung im Werk Rüsselsheim
Oktober 1948 Fertigung erster Nachkriegs-Opel Kapitän (Werk Rüsselsheim): Kapitän ´48; nur mehr als viertürige Limousine mit Portaltüren und runden Scheinwerfern
1950 – 1951 Kapitän ´50 mit moderner Lenkradschaltung, überarbeitetem Innenraum
1951 – 1953 Kapitän ´51 mit veränderter Karosserie, ungeteiltem Heckfenster und mehr Chrom. Motor mit 58 PS/43 kW
1953 – 1955 Kapitän ´54 in moderner Ponton-Form mit markantem „Haifischmaul“-Kühlergrill. Motor mit 68 PS/50 kW
1955 – 1958 Kapitän ´56/´57 mit senkrechten Gitterstäben statt des „Haifischmauls“ und „Flossen“ als hintere Kotflügel. Motor mit 75 PS/55 kW
9. November 1956 In Rüsselsheim wird das zweimillionste Opel-Auto gefertigt; ein Opel Kapitän mit goldfarben lackiertem Dach und vergoldeten Zierteilen
1958 – 1959 Kapitän P1/Kapitän P 2,5 = „Schlüsselloch-Kapitän“ wegen der schlüssellochförmigen Heckleuchten. Motor mit 80 PS/59 kW
1959 – 1963 Kapitän P2/Kapitän P 2,6 mit 3-Gang-„Hydramatic“-Getriebe (ab 1960) und Servolenkung (ab 1962). Motor mit 90 PS/66 kW
1964 – 1968 Kapitän A. Motor mit 100 PS/74 kW und 125 PS/92 kW (ab 1965)
1969 – 1970 Kapitän B
Mai 1970 Die Produktion des Kapitän B wird eingestellt
September 2018