Bestückt mit braunem Gefieder dreht sich hinter der Glasscheibe eine riesige Walze. Die Emufedern streichen dabei sanft über die Karosserie. „Jeder Grandland, der hier vom Band läuft, bekommt diese Streicheleinheit“, erzählt Ralf Möller, Mitarbeiter der Lackiererei im Eisenacher Werk, den Besuchern. Was haben inmitten eines hochautomatisierten Prozesses in einem der modernsten Automobilwerke Europas Emufedern zu suchen? „Manchmal ist die Natur unschlagbar“, sagt Ralf Möller, „die Federn entfernen selbst feinsten Staub, außerdem wirken sie antistatisch.“ Die Behandlung gibt es, bevor der Basislack, also die eigentliche Farbe, aufgetragen wird.
Nicht nur Größe, Hightech und Logistik: Es sind diese schönen Details, die die Faszination Fertigung ausmachen. Und davon gibt es beim „Tag der offenen Tür“ Mitte September jede Menge. 3.000 Besucher nutzen die Gelegenheit, das Eisenacher Werk zu besuchen. Der Anlass: In dem Werk am Fuße der Wartburg, auf der Martin Luther vor exakt 500 Jahren die Bibel ins Deutsche übersetzte, werden seit 30 Jahren Opel-Modelle gefertigt.
„Hier werden Bestseller in
erstklassiger, sprichwörtlicher
Eisenach-Qualität produziert.“
– Opel CEO Florian Huettl –
Am Vormittag wird der Tag mit einem Festakt eröffnet. Nicht nur 30 Gäste sind eingeladen, auch 30 Mitarbeiter hören die Festreden. Für den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow verkörpert das Werk in Eisenach den Fakt, „dass in Thüringen Zukunft Tradition hat“. Für Opel-Chef Florian Huettl ist es unter anderem ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur komplett elektrischen Marke. Und Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf erinnert das 1992 eröffnete Werk an die langjährige „automobile Seele“ der Stadt.
Für Jennifer Reinhold – wir treffen sie später beim Werkrundgang – ist das Werk „ein Stück Familie“. Sie selbst arbeitet in der Lackiererei, während ihre Mutter Steffi Spiegler in der Fertig- und Endmontage Türmodule montiert und ihr Vater Roy Spiegler im Rohbau die Schweißvorgänge beaufsichtigt. Viele Eisenacher Familien tragen das automobile Gen in sich, die Stadt ist eines der wichtigsten Zentren der deutschen Autoindustrie – in dessen Stammbuch sich Opel vor 30 Jahren eingereiht hat.
Der Autobauer aus Rüsselsheim engagierte sich nach der Wende als einer der ersten westdeutschen Automobilhersteller in den neuen Bundesländern. Und legte durch das neue Werk und das entsprechende Investitionsvolumen von über einer Milliarde Mark den Grundstein zur Wiederbelebung des Automobilbaus in der traditionsreichen Region. 3,7 Millionen Fahrzeuge sind bislang im Eisenacher Werk vom Band gelaufen – erst Astra, dann Corsa und Adam, heute der Grandland. Das Top-SUV ist das erste elektrifizierte Modell, das in Eisenach gefertigt wird. Und man kann es heute Probefahren kann.
Schirm auf, Schirm zu – das Wetter ist durchwachsen. Die Schlange für die Probefahrten aber wächst, ebenso wie die für die Thüringer Bratwürste. Begehrter als SUV und Wurst ist nur der feuerrote Opel Rocks-e aus dem Fuhrpark der Werkfeuerwehr. Das vollelektrische City-Mobil kann man bereits ab 15 Jahren mit einem Mofa-Führerschein fahren. Im Minutentakt klettern Kindern auf den Fahrersitz. Die nächste Generation – sie teilt bereits die Faszination für das automobile Erbe der Region.
„Das Werk Eisenach ist ein Stück Familie.“
– Jennifer Reinhold –
September 2022