Igor Heppner und Christopher Ulbrich sind hochkonzentriert bei der Sache. Es ist nicht leicht, in dem Gewirr aus Kabeln und Drähten, das aus dem Motor auf der Spezialpalette vor ihnen herausragt, den Überblick zu behalten. Die beiden Motoren- und Getriebespezialisten sind für die Erstinstallation der Anlage verantwortlich. In Kürze tritt sie ihren ersten Gang in einen der neuen Prüfstände an.
24/7AUSLASTUNG IST DAS ZIEL
Die Unzahl an Sensoren, mit denen der Motor versehen ist, soll den Entwicklern Messergebnisse liefern. Die anstehenden Prüfprogramme können drei Stunden, aber auch drei Wochen in Anspruch nehmen. Und sobald eines gefahren ist, muss direkt der nächste Motor bereitstehen. Genauso akribisch für seinen Einsatz präpariert. Denn auf den Prüfständen darf es keine Ruhezeiten geben, sie müssen 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche laufen. Das ist eines der wichtigsten Ziele, die man sich im neuen Rüsselsheimer Test- und Entwicklungszentrum für Antriebssysteme gesetzt hat.
Mit ihm hat Opel sein größtes Bauvorhaben seit der Errichtung des neuen Fertigungswerks 2002 am Stammsitz gestemmt. Ein siebengeschossiger Bürokomplex mit Werkstätten im Erdgeschoss und drei zusätzlichen weitläufigen Flügeln, in denen die insgesamt 45 neuen Prüfstände installiert sind. Sie sind fast baugleich mit den Anlagen von Global Propulsion Systems in den USA und Südkorea und mit diesen digital voll vernetzt. Die Kollegen auf den Nachbarkontinenten können sogar auf sie zugreifen und die Rüsselsheimer Prüfstände für ihre Zwecke nutzen.
Zeitgemäß verpackte Innovationen
Insgesamt 36.000 Quadratmeter Gebäudefläche umfasst der Komplex, über 800 Ingenieure werden hier die Opel- und GM-Antriebe der Zukunft entwickeln. „Verpackt“ ist das Zentrum in eine für Opel neue Fassadengestaltung, die auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier bei der feierlichen Eröffnung beeindruckte: Die Wandflächen, hinter denen Büroarbeit geleistet wird, erstrahlen in hellem Weiß, vor Werkstätten und Prüfständen dagegen ist die Fassade in technischem Grau gehalten.
Doch so imposant das große Ganze auch ist: Die wirklichen technischen Meisterleistungen stecken in den Details, zum Beispiel in den Paletten, auf denen die Motoren auf die Prüfstände transportiert werden. Damit die hochsensiblen Aufbauten keinen Erschütterungen ausgesetzt werden, bewegen sie sich auf Luftkissen. „Eine Innovation, die wir von unseren Kollegen in Pontiac/USA übernommen haben, die kürzlich ihr neues Entwicklungszentrum fertiggestellt haben“, berichtet Projektmanager Derek Williams.
SPEZIALBODEN INKLUSIVE
„Wir hatten dabei allerdings die deutsche Gesetzgebung zu berücksichtigen. Der wasserdichte Untergrund, der für solche Anlagen vorgeschrieben ist, ist normalerweise so rau, dass darauf keine Luftkissen schweben können.“ Daher musste erst eine Firma gefunden werden, die einen Spezialboden anfertigte, der den gesetzlichen Anforderungen genügt. Und das war nicht die einzige Nuss, die Derek Williams in den vergangenen zwei Jahren zu knacken hatte. Andere spannende Details sind quasi unsichtbar, weil unterirdisch: die 14 Tanks, von den jeder 60.000 Liter fasst. In ihnen stehen den Entwicklern, beziehungsweise ihren Prüfständen, alle in Deutschland verfügbaren Kraftstoffe rund um die Uhr zur Verfügung.
Der Neubau war notwendig geworden, um noch kürzere Entwicklungszeiten zu ermöglichen. „Probefahrten mit Hardware-Prototypen müssen heutzutage auf das geringstmögliche Maß reduziert werden“, erklärt Derek Williams. „Da muss die Fahrzeug- wie die Motorenentwicklung im Wesentlichen bereits in Simulationen und auf Prüfständen mit einzelnen Komponenten geleistet werden.“
Testsimulationen im globalen Maßstab
Auf den neuen Prüfständen laufen die Motoren beispielsweise unter klimatischen Bedingungen, wie sie am Amazonas, aber auch in Finnland bei minus 30 Grad oder in den luftigen Höhen der Alpen herrschen. „Das alles in echt nachzufahren, würde viel Zeit und Geld kosten.“ Und das vollvernetzte Arbeiten mit Kollegen auf anderen Kontinenten, das im neuen Entwicklungszentrum gewährleistet ist, verwirkliche nichts anderes als „Industrie 4.0“ im besten Sinne. „Wir sind jetzt State of the Art, in jeder Beziehung“, so Derek Williams.
„Stärkt nicht nur Opel“
Das neue, hochmoderne Entwicklungszentrum für Antriebssysteme am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim
ist am 12. Oktober offiziell eröffnet worden. Zur Feier kam hoher Besuch: Der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier
ließ es sich nicht nehmen, den beeindruckenden Gebäudekomplex genauer zu inspizieren.
„GM hat sich aus gutem Grund für den Bau dieses Zentrums in Rüsselsheim entschieden. Es ist eine Anerkennung für die Leistungen und für das Know-How unserer hochqualifizierten Opel-Ingenieure.“
– Dan Nicholson –
„Das neue Entwicklungszentrum
wird unsere Arbeit noch schneller und effizienter machen. Es stärkt nicht nur Opel, sondern auch Rüsselsheim und den gesamten GM-Entwicklungsverbund.“
– Karl-Thomas Neumann –
Stand Oktober 2016