Es zischt und dampft, weiße Wolken steigen über der Schulter von Adam Opel auf. Bernd Hettinger heizt dem Gründer des Autobauers mächtig ein. In der linken Hand einen Bunsenbrenner, rechts eine Sprühflasche mit Chemikalien, arbeitet er sich Zentimeter für Zentimeter vom Kopf über den Rumpf zu den Beinen. Wo Opel eben noch golden und kupferfarben schimmerte, verändert sich die Oberfläche hin zu einem matten Grau mit blau-grünen Sprenkeln.
Adam Opel heißt Patienten wie Besucher willkommen
Hettinger ist Kunstgießer und verpasst der Statue von Adam Opel in der Gießerei „Kunstguss“ in Mainz-Kastel den letzten Schliff. Die Skulptur entsteht im Auftrag des Rüsselsheimer GPR-Klinikums. Adam Opel soll dort später einmal im Neubau „Bettenhaus C“ das Foyer zieren, in Kombination mit einer hinterleuchteten Fotoleinwand soll er aus dem Opel-Portal heraustreten und Patienten wie Besucher willkommen heißen. Für die Gestaltung zeichnet der Künstler Uwe Wenzel verantwortlich.
Arbeit mit Kaliumsulfit, Flammen und Kupferdrahtbürste
Der Vorgang, mit dem Bernd Hettinger beschäftigt ist, nennt sich Patinieren. Die Patina, eine dünne Schicht aus Oxyd, ist wie eine Haut, die die Bronze konserviert. Doch zunächst muss Hettinger eine Grundierung für die Patina herstellen. In der Sprühflasche befindet sich gelöstes Kaliumsulfit: Schwefelleber mit Wasser. Zusammen mit den Flammen entsteht eine Schicht als Grundlage für die eigentliche Patina. Mit einer Kupferdrahtbürste verteilt Hettinger die Flüssigkeit bis in die kleinste Ritze.
Die Bronze darf nicht verbrennen
Nach einer halben Stunde ist es geschafft. Jetzt nimmt Hettinger einen Pinsel und trägt eine blaue Flüssigkeit auf: Kupfernitrat. Wieder beginnt er am Kopf. Wo die Chemikalie die Bronze berührt, schillert es sofort in Regenbogenfarben. Sobald Hettinger mit dem Bunsenbrenner darüber geht, verändert sich die Farbe ins Rötliche. Die Temperatur der Skulptur beträgt 59 Grad Celsius. Knifflig: Die Bronze darf nicht verbrennen, muss aber reagieren. Und auf einmal ist Opel ganz grün im Gesicht.
Rote Ziegeln, grünes Gesicht
„Das ist gewollt“, erklärt Uwe Wenzel, der den Arbeiten beiwohnt. Die endgültige Farbe der Skulptur hängt von der späteren Umgebung ab. „Ich habe mich für Grün entscheiden, weil die Figur später vor einer Leinwand steht, die das aus roten Ziegeln bestehende Opel-Portal abbildet“. Farblich sei das ein schöner Kontrast. Auch die künftigen Lichtverhältnisse fließen in die Überlegungen ein, so dass am Ende alles stimmig ist.
Schutzschicht gegen Talg und Schweiss
Damit das gelingt, braucht es ein Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten. Uwe Wenzel und die Mitarbeiter der Kunstgießerei tauschen sich ständig aus. „Unsere Kunst besteht darin, den Künstler zu verstehen“, sagt Ludwig Lichtenthal, der mit Bernd Hettinger zusammen Gesellschafter der Kunstgießerei ist. In dem Fall ist das nicht schwer: Hettinger, Lichtenthal und Wenzel haben zusammen studiert und sind befreundet. Bei der Arbeit wird nichts dem Zufall überlassen. „Hättest Du es gerne grüner?“, fragt Hettinger den Künstler. Doch Uwe Wenzel ist mit dem Ergebnis zufrieden. Nun bekommt Adam Opel noch eine Wachsschicht. Diese dient der Konservierung, damit die Bronze nicht weiter reagiert – etwa durch Talg und Schweiß, wenn Besucher die Skulptur später berühren.
Eine Schweißnaht ist hier nicht nur eine Naht
Zuvor mussten die einzelnen Teile erst mal verschweißt werden. Denn nach dem Gießen und Modellieren bestand Adam Opel aus mehreren Teilen, waren Kopf, Rumpf und Beine getrennt. Das Schweißen erfordert Geschick und Können. „Das ist anders als beim Handwerk, wo es um genaue Maße geht“, sagt Lichtenthal. „Wir müssen bei jedem Schritt überlegen, ob es dem gewünschten Ergebnis dient.“ Eine Schweißnaht ist eben nicht nur eine Naht, sondern ein ästhetischer Akzent. Bislang klappte alles wie am Schnürchen. Nach getaner Arbeit sind die Nähte so fein, dass sie kaum zu sehen sind. „Wir wissen, wo sie ist, das genügt“, sagt Lichtenthal mit einem verschmitzten Lachen.
Beim Aufstellen wird es um jeden Zentimeter gehen
In der Plastik steckt unheimlich viel Arbeit, sie ist Hand- und Maßarbeit durch und durch. Jetzt, wo die Patina fertig ist, muss die Opel-Skulptur am Zielort noch aufgestellt und in seiner Umgebung arrangiert werden. Beim Aufstellen wird es wieder um jeden Zentimeter gehen. Lichtenthal: „Das bleibt knifflig bis zum Schluss.“
Echter Rüsselsheimer: Uwe Wenzel wird 1960 geboren und wächst in Rüsselsheim auf, wo sein Vater als Maschinenschlosser bei Opel arbeitet. Wenzels erstes Auto ist ein hellblauer B-Kadett.
Anfänge: Von 1981 bis 1990 studiert er Bildende Kunst an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Seither gestaltet Wenzel unter anderem Projekte im öffentlichen Raum, darunter viele in Rüsselsheim.
Karriere: Bekannt ist Wenzel zudem von der Künstlergruppe „Wendemaler“ und der Rüsselsheimer Kinderkunstwerkstatt. 1995 ist er Mitbegründer von „Traiser + Wenzel“, einem Büro für Gestaltung in Darmstadt.
Auszeichnung: 2005 erhält Wenzel den Kulturpreis der Stadt Rüsselsheim.
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