Eine Staubwolke taucht aus der Ferne auf, das Fahrzeug schießt über die Kuppe in eine langgezogene Kurve, das Heck kommt quer, Dreck spritzt auf, der Fahrer bringt sein schlingerndes Gefährt unter Kontrolle, hartes Anbremsen für die folgende Spitzkehre, punktgenau stellt der Pilot seine Fuhre wieder gerade, um herausbeschleunigen zu können. Weiter volle Attacke, ein Tritt aufs Gaspedal – und weg ist er. Eine Szene aus einer ganz normalen Rallye. Alles wie immer und dann doch wieder nicht. Denn irgendwas war anders. Richtig – der Klang. Irgendwie futuristisch, aber dennoch cool. Das war ein Elektroauto, oder?
Die Weltpremiere
Richtig, ein Elektroauto, genauer gesagt: das erste elektrische Markenpokal-Fahrzeug der Welt. Der Opel Corsa-e Rally hat kürzlich seine erste Rallyesaison mit Bravour beendet. Bis zu 15 der schnellen Stromer aus Rüsselsheim haben im ADAC Opel e-Rally Cup die deutsche Rallye-Szene bereichert – von der traditionalistischen Verbrenner-Gemeinde mitunter durchaus skeptisch beäugt. Aber am Ende des Tages war’s eben doch klassischer Rallyesport. Schnell und spektakulär, so wie es sich der Fan wünscht. Sieben Veranstaltungen hat der ADAC Opel e-Rally Cup in seiner Debütsaison absolviert. Und dabei bewiesen, dass elektrischer Rallyesport funktioniert. Mit bis zu 60 rein elektrischen Wertungsprüfungs-Kilometern aus einer Batterieladung – und innovativer Ladeinfrastruktur. Die Rallye-Boliden lassen sich in weniger als 30 Minuten laden. Die gemeinsam von eLoaded und Opel Motorsport entwickelte Ladelösung passte zum Nachhaltigkeitsgedanken ebenso perfekt wie zum Innovationsgeist, der dem gesamten Projekt innewohnt.
SO FUNKTIONIERT DAS INNOVATIVE LADEKONZEPT: Mittelspannung wird mit bis zu 20.000 Volt vom öffentlichen Stromnetz abgenommen und mit Hilfe eines eigenen Transformators auf 1.000 Volt Gleichstrom reduziert. Der grüne Strom aus dem Netz fließt in spezielle Ladewürfel, die „Cubes“. Von denen hat jedes Rallyeauto einen eigenen unterm Opel Motorsport-Servicezelt stehen (Foto oben). Dank zwei Megawatt Gesamtleistung können so bis zu 18 Fahrzeuge mit 100 Kilowatt gleichzeitig geladen werden. Und zwar während die Teams ihren ganz normalen Service durchführen (Foto unten).
„Jeder hat das gleiche Material.
Wenn du gewinnen willst, muss du
besser fahren als die anderen.“
Timo von der Marel
Die Performance
Die war über jeden Zweifel erhaben. Ein Top-Fahrwerk, eine perfekte Gewichtsverteilung und das hohe Drehmoment von 260 Newtonmetern des Corsa-e Rally bereiteten den zumeist jungen Besatzungen jede Menge Fahrspaß. Klar, je besser das Auto, desto schneller auch der Ruf nach mehr Power. Aber: Gab es je einen Rennfahrer, der je über zu viel Motorleistung geklagt hat? Und letztlich geht es um einen Markenpokal für junge Teams, die sich in diesem Sport entwickeln wollen. Und das geht auch mit 136 PS. „Das Beste an diesem Cup“, schwärmte Routinier Timo von der Marel, mit 32 Jahren der Älteste und Erfahrenste im Cup-Feld, „ist sowieso die harte Competition. Jeder hat das gleiche Material. Wenn du gewinnen willst, muss du besser fahren als die anderen. So einfach ist das. Und das ist es auch, was den ADAC Opel e-Rally Cup so cool macht!“
Wir haben eine neue Ära im Rallyesport eingeläutet!“
Opel Motorsport Direktor Jörg Schrott spricht im Interview über Ideen, Ziele und Hürden rund um den ersten elektrischen Rallye-Markenpokal der Welt.
Inwiefern war es eine Pionierleistung, die Opel und der ADAC vollbracht haben?
Es gab keinerlei Erfahrungswerte für die Durchführung eines elektrischen Rallye-Markenpokals im Vorfeld. Es gab keine Standards seitens der Verbände für elektrischen Rallyesport. Alles musste von Null erarbeitet werden. Wir haben neue Wege beschritten – eine Pionierleistung im besten Sinne also. Beispielhaft möchte ich hier die Ladeinfrastruktur und das Sicherheitskonzept nennen.
Welche Überlegungen und Entscheidungen mussten sie etwa beim Laden treffen?
Generatoren zur Stromerzeugung waren nie eine Option. Unsere Vorgaben waren klar: Die Lösung musste leistungsstark, nachhaltig und mobil an verschiedenen Orten einsetzbar sein. Das Wichtigste: Jedes Rallyefahrzeug muss in derselben Zeit dieselbe Energiemenge erhalten. Alles andere hätte den Gedanken der Chancengleichheit eines Markenpokals konterkariert. Wir haben im Vorfeld unterschiedliche Lösungen diskutiert, mit vielen Anbietern gesprochen.
Und Sie haben letztendlich den passenden Partner gefunden?
Ja, die Jungs von eLoaded haben sofort verstanden, worum es geht, und gemeinsam mit uns eine Lösung entwickelt, die all unsere Forderungen erfüllt hat. Wie sich im Laufe der Saison gezeigt hat, war diese Lösung die richtige. Und der Partner auch: Du merkst ja erst, wie gut die Leute sind, wenn mal was nicht funktioniert. Auch da hat eLoaded sich als Teamplayer erwiesen. Die Jungs sind echte Racer.
Gilt das auch für den Corsa-e Rally?
Den haben wir über mehr als 10.000 Testkilometer getriezt und geplagt, bis wir uns sicher waren, dass er im harten Rallyeeinsatz bestehen kann. Wobei du so viel testen kannst, wie du willst – dann kommst du zur ersten Rallye, und auf einmal hast du irgendein Thema auf dem Tisch, was zuvor noch nie aufgetreten war. Das ist im Rennsport immer so. Allerdings haben wir auch davon profitiert, dass die Serienbasis des Corsa-e so gut ist.
Inwiefern?
Motor, Batterie und Inverter haben wir ja unverändert vom Serienauto übernommen. Dazu konnten wir Rennsport-erprobte Komponenten verwenden, etwa im Bereich Fahrwerk, Käfig, Bremsen und so weiter. Was wirklich spannend war, das war der sehr gute und enge Austausch mit unseren Kollegen aus der Serienproduktion. Sie haben uns oft wertvollen Input bei der Entwicklung geben. Und wir haben ihnen Erkenntnisse und Daten geliefert, die sie sonst nicht ohne Weiteres bekommen hätten, weil sie sich nie in diesen Leistungsbereichen bewegen, die im Motorsport alltäglich sind.
Wie lautet ihr Fazit nach der ersten Saison?
Die Saison war genauso anspruchsvoll und herausfordernd, wie wir das erwartet hatten. Zu sagen, alles wäre reibungslos verlaufen, wäre gelogen. Es war uns klar, dass im Saisonverlauf das eine oder andere Problem auftreten kann. Und das war auch so. Aber im Team haben wir alle Schwierigkeiten gemeistert. Es macht Spaß, wenn du siehst, dass sich harter Einsatz lohnt und ein Projekt funktioniert.
Aber Opel hat den Markenpokal nicht aus Spaß an der Freude ins Leben gerufen…
Natürlich geht es vor allem darum, etwas für das Markenbild zu tun. Innovations- und Wettbewerbsgeist, Dynamik, Leidenschaft, Präzision, aber auch Effizienz und Nachhaltigkeit – das sind Attribute, die perfekt zur Marke Opel passen. Wo könnte man diese Eigenschaften besser darstellen als im Motorsport? Und mit dem ADAC Opel e-Rally Cup hat Opel eine neue Ära im Rallyesport eingeläutet.
Die Competition
Die war absolut mitreißend. Zwar spielte der Franzose Laurent Pellier über die gesamte Saison hinweg seine Klasse und Routine aus und sicherte sich damit schon vorzeitig den Cup-Titel. Allerdings merkte auch der Franzose aus dem Saintéloc Junior Team im Laufe der Saison, dass die Luft unangenehm dünn wurde. „Ich denke, wir hatten zu Saisonbeginn einen guten Dreh gefunden, wie man mit dem Corsa-e Rally schnell sein kann. Aber mit jeder Rallye sind die anderen nähergekommen. Und um beim Finale nochmal zu gewinnen, mussten wir uns richtig lang machen“, gestand der 26-Jährige. In der Tat: Beim Saisonfinale in Sachsen siegte Pellier letztlich um nur 4,6 Sekunden vor van der Marel.
Die Vizemeisterschaft sicherte sich mit Max Reiter eine der gegenwärtig wohl größten Rallye-Hoffnungen Deutschlands. Nicht zuletzt mit dem Sieg bei der ADAC 3-Städte Rallye zeigten der 21-Jährige und seine Beifahrerin Lina Meter ihr enormes Potenzial auf. Abgeklärt und routiniert fuhren die Saarländer beim Finale schließlich auf den dritten Rang und machten damit den Vizetitel und gleichzeitig ihren sechsten Podestplatz in sieben Cup-Veranstaltungen klar – beeindruckend!
„Mit jeder Rallye sind die anderen
näher gekommen. Zum Ende mussten
wir uns richtig lang machen.“
Laurent Pellier
Die VIP-Gäste
Wie hoch die Trauben im ADAC Opel e-Rally Cup hängen, spürten auch die prominenten Gastfahrer, die sich im Laufe der Saison im VIP-Gastauto von Opel-Partner TotalEnergies versuchten. Die Rundstrecken-Asse Timo Scheider – starker Fünfter beim Saisonauftakt in Stemwede – und Lance David Arnold zeigten sich vom schnellen Stromer genauso begeistert wie Rallye-WM-Star Yohan Rossel, der beim Saisonhöhepunkt im Rahmen des tschechischen EM-Laufs bei der Barum Czech Rally Zlín Platz 4 belegte. Eine Aussage war bei allen Gastfahrern identisch: „Es hat riesig Spaß gemacht!“ Genau diesen Wortlaut benutzte auch Model Ashley, Teilnehmerin bei der TV-Castingsendung „Germany’s Next Top Model“ nach ihren heißen Taxifahrten an der Seite von Opel-Rennlegende Volker Strycek anlässlich der ADAC Rallye Stemweder Berg.
Die Talentschmiede
Ein wichtiger Eckpunkt des Cups ist die Nachwuchsförderung wie Opel und ADAC in den vergangenen Jahren bereits gezeigt haben. Vier Junior-Europameistertitel in Folge zwischen 2015 und 2018 kamen ja nicht von ungefähr. „Mit dem ADAC Opel e-Rally Cup und dem ADAC Opel Rally Junior Team als zweiter Stufe setzen wir dieses erfolgreiche Konzept fort“, betont Opel Motorsport Direktor Jörg Schrott.
Was bleibt also nach der Debütsaison des ersten elektrischen Rallye-Markenpokals der Welt? „Das Bewusstsein, dass elektrischer Rallyesport funktioniert und wir damit nicht zuletzt dem deutschen Rallyesport wichtige Impulse für die Zukunft gegeben haben“, so Jörg Schrott. „Der ADAC Opel e-Rally Cup ist eine echte Pionierleistung der beiden starken Partner ADAC und Opel. Wir haben in dieser Saison viel gelernt. Und diese Erkenntnisse gilt es nun über den Winter umzusetzen.“
November 2021