Pssssst!

Von Nähmaschinen über Fahrräder bis hin zum Automobil – die Opel-Historie ist reich an Schätzen. Doch es gibt auch einige Produkte „Made in Rüsselsheim“, die in Vergessenheit geraten sind. Anlässlich des 160. Geburtstags des Unternehmens haben wir im Archiv ein Dutzend „OPEL SECRETS“ aufgestöbert.

01 Der frostige Bestseller

Der Kühlschrank ist in den 50er-Jahren der Traum vieler deutscher Hausfrauen. Eines der begehrtesten Modelle ist der „Frigidaire“ – und diese Marke hat eine gemeinsame Geschichte mit Opel. Zu tausenden wurden die Kühlschränke in Rüsselsheim hergestellt. Wie es dazu kam? Frigidaire baute bereits seit 1916 Kühlgeräte, 1918 wurde das Unternehmen von General Motors gekauft. Ab Mitte der 1920er boomte das Geschäft, die Nachfrage stieg weltweit stark an. Und so expandiert die GM-Tochter Frigidaire auch nach Deutschland. 1926 wird in Berlin die Frigidaire GmbH gegründet, ab 1931 liefert Opel aus Rüsselsheim Komponenten für die Berliner Montagelinie. Am 1. Oktober 1938 übernimmt das Rüsselsheimer Stammwerk schließlich die komplette Montage der Geräte. Ab 1949 tragen die in Hessen produzierten Kühlschrank den Hinweis „Produkt der Adam Opel AG“ im Logo. Nach einem Design-Relaunch im Jahr 1954 avanciert die Marke sogar zum Marktführer in Westdeutschland. Ab Mitte der 1950er möchte sich Opel aber auf die boomende Automobil-Produktion konzentrieren – und so fällt die Entscheidung, die Frigidaire-Fertigung im Jahr 1959 einzustellen. Die Kühlschränke für den europäischen Markt kommen danach nur noch aus den Werken Hendon/London und Gennevilliers/Paris. Frigidaire existiert übrigens noch heute, die Marke gehört inzwischen einem schwedischen Konzern.

02 Der Gigant für den Acker

Riesige stählerne Räder, davor ein gewaltiger Motor, dahinter ein ausladendes Metallskelett – was bitteschön ist das? Ein Motorpflug! 1911 präsentierte Opel diese monumentale Landmaschine. Ihr Herzstück war ein neu entwickelter 60-PS-Motor mit zehn Litern Hubraum. Das Aggregat lag vor den Rädern, um ein Gegengewicht für den Fahrer und die sechs Pflugscharen dahinter zu bilden. Opel will mit dem Koloss den Landwirten eine Alternative zum Dampfpflug bieten. Denn der Motorpflug lässt sich von nur einer Person bedienen. Die Produktbeschreibung verspricht „auf mittelschwerem Boden täglich zehn bis zwölf Hektar umpflügen“ zu können. Das wäre für den Landwirt eine enorme Arbeitserleichterung gewesen. Wäre. Denn wie sich herausstellte, waren die Ackerflächen im Rhein-Main-Gebiet zu kleinteilig, um das Gerät sinnvoll einzusetzen. Die Fertigung wurde zurückgestellt, dann brach der Erste Weltkrieg aus und das Projekt wurde nicht weiterverfolgt. Was bleibt, ist die historische Besonderheit, dass Opel als eines der ersten Unternehmen der Motorenwagen-Branche ein landwirtschaftliches Fahrzeug entwickelt hat.   

03 Ab in die Lüfte

Das Jahr 1911 hält neben dem Motorpflug eine weitere Premiere bereit – den Opel-Flugmotor. Die Anforderungen an Flugmotoren in Bezug auf Zuverlässigkeit, Laufruhe und Leistung waren um 1910 enorm gestiegen. Eine Herausforderung, der sich die Rüsselsheimer Motorenbauer nur zu gern stellten. Der 65 PS starke wassergekühlte Opel-Vierzylinder ist mit rund 130 Kilogramm extrem leicht. Dabei basiert die technische Grundkonstruktion auf den Triebwerken der damaligen großen Opel-Motorwagen. Seinen ersten großen Auftritt absolviert das neue Aggregat auf dem Darmstädter Flughafen. Dem vom Flugpionier August Euler in einem Doppeldecker eigenen Fabrikats durchgeführte Jungfernflug eines Opel-Motors wohnen nicht nur die 71jährige Sophie Opel und ihre fünf Söhne bei, sondern auch Prinz Heinrich von Preußen und Großherzog Ernst Ludwig zu Hessen. Auch sechszylindrige Flugmotoren werden später von Opel hergestellt. Dabei handelt es sich aber um Lizenzfertigungen während des Ersten Weltkriegs. Die Konstruktionen von Argus (Typ As III O) und BMW (Typ IIIa O) verraten durch den nachgestellten Buchstaben „O“ ihre Rüsselsheimer Herkunft. Kurz vor Kriegsende konstruieren die Opel-Spezialisten noch einen Neunzylinder-Flugmotor mit 200 PS, der zwar noch auf dem Prüfstand getestet wird, das Werk aber nie verlässt.

04 Was Winzer wollen

Dass Firmengründer Adam Opel 1862 mit der Herstellung von Nähmaschinen begann und sich erst Ehefrau Sophie und seine Söhne vier Jahre nach seinem Tod dem Automobilbau widmeten, ist kein Geheimnis. Aber dass Opel ab 1885 zehn Jahre lang auch Kellerei-Maschinen produzierte und damit sehr erfolgreich auf dem deutschen Markt unterwegs war, das wissen nur wenige. Adam Opel hatte auf Anregung von Winzern aus der Nachbarschaft „Kapselateure“, also Korkmaschinen, in sein Fabrikationsprogramm aufgenommen und wurde so erster deutscher Anbieter solcher Produkte. Trotz der guten Nachfrage offenbarte sich bald jedoch ein Problem: Die Korkmaschinen waren ein Saisongeschäft. Die Nähmaschinen und auch die Fahrräder, die das Unternehmen seit 1887 produzierte, sorgten dagegen das ganze Jahr über für Auslastung der Produktionsstätten. Und so verkauften die Söhne nach dem Tod Adam Opels 1895 die gesamte Fabrikation an Kellerei-Maschinen an die Opel-Mitarbeiter Blöcher und Lorenz. Die machten sich selbstständig und profitierten noch lange vom guten Ruf der „Opel-Korkmaschinen“.

05 Motor trifft auf Zweirad

Motorzweirad nannte Opel 1901 sein erstes Motorrad – das schmale hochbeinige Gefährt kann seine Abstammung vom Fahrrad kaum verleugnen. Aber bereits das Premieren-Modell zeichnete die Bauform vor, die sich in den Folgejahren durchsetzen sollte – der Motor wurde in den Rahmen eingesetzt, das Hinterrad mit einem Riemen angetrieben. Mit einer Motorleistung von 1 ¾ PS fuhr das Vehikel bis zu 40 km/h schnell. Und erzielte auf dem Markt gute Erfolge – weitere Modelle folgten. Das letzte Opel-Motorrad war die Motoclub 500, die von 1928 bis 1930 angeboten wurde. Obwohl sich moderne Prototypen in der Erprobung befanden, drängte der neue Hauptanteilseigner General Motors 1930 auf die Einstellung dieses Opel-Produktionszweigs.

06 Hub, Hub, Hurra!

Auf Initiative von Heinrich Müller, damals Meister der Transport-Abteilung in Rüsselsheim, entwickelte Opel 1936 einen Hubtransporter. Und der war für 3.750 Reichsmark auch auf dem freien Markt zu erwerben. Mit einer Nutzlast von drei Tonnen und zwei Metern Hubhöhe galt er seinerzeit als bahnbrechend. Herzstück war ein 1,5-Liter-Motor mit 37 PS/27 kW, wie er auch im Blitz Eintonner und im 1938er Olympia zum Einsatz kam. Sein Kraftstofftank fasste 30 Liter. Eigentlich sollte er höchstens bis zu 40 km/h gefahren werden, schaffte aber locker mehr. Gebaut wurden rund 300 Stück. 1940 verkaufte Opel die Produktion in Lizenz an einen anderen deutschen Fahrzeugbauer. Hauptabnehmer waren die Deutsche Reichsbahn und die Deutsche Post. Im Jahr 1976 waren noch rund 60 Opel Blitz-Hubtransporter im Einsatz. Ein Exemplar hat heute seinen Platz im Deutschen Landwirtschaftsmuseum in Hohenheim bei Stuttgart. Und Heinrich Müller ist Fahrzeug-Historikern bis heute als „Hubmüller“ ein Begriff.

07 Dem Weltgeschehen ganz nah

Während der Zeit der Weimarer Republik boomte die Filmbranche, Lichtspielhäuser schossen wie Pilze aus dem Boden, Millionen Menschen strömten in die Kinos. Nicht nur, um Spielfilme zu schauen, sondern auch, um sich in Wochenschauen über das Weltgeschehen, gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Ereignisse zu informieren. Ab Mitte der 20er-Jahre gab es die „Opel-Wochenschau“, eine Nachrichten-Zusammenstellung, gesponsert von dem Automobilunternehmen aus Rüsselsheim. Einzelne Ausschnitte der „Opel-Wochenschau“ aus den Jahren 1926 und 1927 sind im Bundesarchiv in Koblenz archiviert. Zu sehen sind kurze Filmsequenzen über die Eröffnung der Zugspitzbahn, die 300-Jahr-Feierlichkeiten von New York, aber auch „Die Auffahrt der preisgekrönten Opelwagen“ in einem Blumenkorso in Frankfurt oder waghalsige Stunts mit Fahrzeugen, die das Opel-Logo tragen. Wie bei Wochenschauen zu dieser Zeit üblich, sind die Beiträge eine stumme Filmabfolge, dazwischen werden Tafeln mit Informationen eingeblendet. Was heute unspektakulär anmutet, war für die Zuschauer damals elektrisierend. Erstmals konnten sie mit eigenen Augen an Ereignissen aus aller Welt teilhaben.

08 Vorsicht vor dem Raubfisch!

Der versteckte Hai bei Opel ist inzwischen eine schöne Tradition: 2006 tauchte das Tier erstmals im Corsa auf. Wie er dort landete? Opel-Designer Dietmar Finger zeichnete zu Hause ein paar Entwürfe der Außenlamellen des Handschuhfachs. Sein Sohn schaute ihm über die Schulter und fragte: „Papa, warum zeichnest du nicht einfach einen Hai?“ Also zeichnete er einen Raubfisch, zeigte den Entwurf den Vorgesetzten und Kollegen – und die waren begeistert. Von da an breitete sich der Hai in allen neuen Opel-Modellen aus. Der jeweils leitende Interior-Designer darf ihn zum Ende des Entwicklungs- und Design-Prozesses im Innenraum platzieren – ohne zu verraten, wo. Und so ist aus der Idee inzwischen ein beliebtes „Easter Egg“ geworden: Eine versteckte Aufmerksamkeit, die die Kunden begeistert, wenn sie ihren neuen Opel in Empfang nehmen und auf die Suche gehen.  

09 Der olympiareife Bob

Unter dem Projektnamen „LP 13“ konstruierten Rüsselsheimer Ingenieure einen Bob eigens für die Olympischen Winterspiele 1980 in Lake Placid, USA. Wo er aber kurioserweise dann doch nicht zum Einsatz kam. Die Geschichte beginnt bereits 1977: Opel-Designer erhalten den Auftrag, die Bobs des Deutschen Bob- und Schlittenverbandes (DBSV) mit Sonderlackierungen zu versehen. Dabei kommt den Rüsselsheimern die Idee, nicht nur Kosmetik zu betreiben, sondern das Sportgerät völlig neu zu gestalten. Der Verband ist einverstanden! Unter Opel-Regie wird im Windkanal eine innovative Form herausgearbeitet und eine völlig neue Lenkung entwickelt. Zudem werden die Kufen mit Federn und Dämpfung ausgestattet. Erste Tests zeigen: Der Vierer- als auch der Zweier-Bob sind pro Lauf 0,65 beziehungsweise 1,35 Sekunden schneller als die bisherigen Modelle – im Spitzensport sind das Welten. Aber um Wettbewerbsgleichheit zu gewährleisten, lässt der Verband die Athleten bei der Qualifikation nur in den alten herkömmlichen Bobs antreten. Und das bedeutet: Die qualifizierten Teams müssen sich mit dem futuristischen Opel-Bob erst vertraut machen. Doch dafür reicht die Zeit nicht – vor allem die innovative Lenkung können die Fahrer kurzfristig nicht perfekt beherrschen. Das Risiko ist zu hoch, der DBSV zieht die Opel-Bobs zurück. „Diese Geräte waren ihrer Zeit weit voraus – zu weit“, erinnert sich der Bob-Legende André Lange. Dass der Opel-Bob das Design der Sportgeräte trotzdem bis in die heutige Zeit nachhaltig beeinflusst hat, ist unbestritten.

10 Die Kunst des Leichtbaus

Das Museum of Modern Art (MoMA) in New York beherbergt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Und zu dieser Sammlung gehört seit 2008 der „Bone Chair“. Entworfen hat ihn der niederländische Künstler Joris Laarman – auf der Basis von Daten aus dem Rüsselsheimer Entwicklungszentrums. Der Aluminium-Stuhl wurde in der Sonderausstellung „Design and the Elastic Mind“ zusammen mit einem Motorhalter aus einem Opel Vectra präsentiert. Der Motorhalter wurde wie auch der „Bone Chair“ nach biologischen Konstruktionsprinzipien entworfen. Bionik nennt sich die Wissenschaftsdisziplin, die systematisch die Konstruktions- und Wachstumsprinzipien aus der Natur analysiert und auf technische Entwicklun­gen in der Fahrzeugindustrie anwendet. Das Ziel: Das Gewicht von Komponenten reduzieren und gleichzeitig die Festigkeit erhöhen – ein Leichtbau-Design nach dem Vorbild der Natur. Rüsselsheimer Ingenieure haben ein Simulationsprogramm entwickelt, das die natürlichen Wachstumsregeln zum Beispiel von Bäumen auf die Komponentenentwicklungen überträgt. Das Ergebnis: Bauteile wie der Motorhalter sind ein Viertel leichter und gleichzeitig um 60 Prozent stabiler.     

11 Mit Opel-Power in die Formel 1

Das Foto zeigt Michael Schumacher 1990 auf dem Weg zu seinem ersten Titel in der deutschen Formel-3-Meisterschaft. Im Heck seines Reynard 903: der legendäre Opel-Zweiliter-16V-Motor. Opel war ab 1990 nicht nur ein gefragter Motorenlieferant in der Formel 3 – das 2.0-16V-Triebwerk aus Rüsselsheim avancierte zum erfolgreichsten Rennmotor überhaupt. Viele spätere Formel-1-Stars haben mit Opel-Power im Rücken die Raffinessen des Formelsports erlernt: Rubens Barrichello, David Coulthard, Giancarlo Fisichella, Heinz-Harald Frentzen, Mika Häkkinen, Nick Heidfeld und Ralf Schumacher. Opel holte allein in Deutschland 164 Formel-3-Siege und weitere 30 nationale Meistertitel rund um den Globus. Zu Meisterehren in der Deutschen Formel 3 mit Opel-Aggregaten kamen Jos Verstappen (1993), Jarno Trulli (1996) und Nick Heidfeld (1997).

12 Nützliche Anhängsel

Als „Leichtmetaller“ wurde er einst beworben, der praktische Opel-Pkw-Anhänger aus Aluminium für Gewerbe, Kleintransport, Freizeit und Urlaub. Im zugehörigen Prospekt von 1981 werden sechs Ausführungen in jeweils vier Größen angeboten, das ergibt stolze 24 Varianten. Die größte Ausführung war 2,20 Meter lang und hatte eine Nutzlast von einer Tonne. Ein Blitz-Emblem – zum Beispiel auf der Ladeklappe – trugen die Einachser leider nicht. Dann wären die wenigen verbliebenen Exemplare mit Sicherheit sehr gesuchte Sammlerstücke. 1913 hatte Opel schon einmal einen Anhänger im Sortiment. Dabei handelte es sich allerdings um einen Zwei-Tonnen-Zweiachser mit Deichsel, der für Lkw bestimmt war.


November 2022

Texte: Eckhart Bartels, Tina Henze, Leif Rohwedder, Eric Scherer Fotos: Opel Classic Archiv, Bundesarchiv Abt. Filmarchiv / Transit Film GmbH, privat