Marinkainen liegt an der Küste des Bottnischen Meerbusens, des nördlichen Teils der Ostsee. Wer auf das 1000-Seelen-Dorf in der westfinnischen Region Mittelösterbotten von Helsinki aus zusteuert, der taucht in eine TV-Naturdoku-Welt ein. Karge Wald- und Sumpflandschaften. Rentiere und Elche in freier Wildbahn, Rotfüchse im Gestrüpp, Seeadler in der Luft.
Inzwischen riecht die Luft nach Meersalz. Und je näher Marinkainen rückt, desto flacher zeigt sich die Landschaft, durchzogen von zahlreichen Flüssen. Vereinzelt tauchen immer wieder Bauernhöfe auf; die Menschen leben vom Anbau von Beeren und Getreide. Die Reise in diesen Teil Skandinaviens lohnt sich aber nicht nur wegen der einzigartigen Kulisse. Sie lohnt vor allem deshalb, weil hier der nach eigenen Angaben „weltgrößte Fan der Marke Opel“ wohnt: Juha Maunula.
SEIN GRÖSSTER SCHATZ: EIN ASCONA 400
Mit Opel-Fahrzeugen kennt sich Maunula aus wie kaum ein anderer. Tagsüber repariert der 51-jährige Automechaniker die Wagen mit dem Blitz in der ältesten Opel-Werkstatt des Landes (Auto Åström). Abends schraubt er zu Hause in seiner eigenen Werkstatt, die er liebevoll mit Opel-Blitzen verziert hat. Am Eingang prangt ein Blitz, den ihm sein Arbeitgeber überlassen hat. Und für die Geländerverzierung vor dem Speicher hat er die Blitze aus Holz gesägt und weiß gestrichen.
„Eine solche Gebäudehülle mag eigenwillig erscheinen“, sagt Maunula. „Für mich kam etwas anderes nicht infrage.“ Über das Anbringen dieser Accessoires musste er mit seiner Frau Jaana seinerzeit „etwas länger diskutieren“, Unterstützung erhielt er von seinen drei Kindern. „Die stehen auch total auf Opel“, sagt der Vater. Am Treppenaufgang fehlen noch Blitze, doch die Arbeit an den Autos hat Vorrang. „Irgend etwas gibt es immer zu tun“, sagt Maunula. Derzeit beschäftigt ihn das Getriebe seines größten Schatzes, ein Ascona 400, den er in den vergangenen beiden Wintern aus Originalteilen zusammengebaut hat.
Den ersten Opel mit 17
Bereits als kleiner Junge begeisterte sich Juha Maunula für die Marke. „Wahrscheinlich haben die Kinderärzte mir die Opel-Liebe eingespritzt“, scherzt er. Seinen ersten Opel, einen Ascona Baujahr ’72, erstand er dann schon mit 17 Jahren. Ohne Führerschein konnte er allerdings nur auf dem Hof der Eltern herumkurven, den Wagen polieren oder neue Lampen anbringen. Damals reichte ihm das noch.
Seither sind Dutzende Opel hinzugekommen. Gelegentlich trennte er sich auch von einigen Wagen, aber mittlerweile schafft er das nicht mehr. „Mir blutete immer das Herz, wenn ich wieder einen verkauft hatte.“ Das erzählt er allerdings so ruhig und ohne merkliche Regung, dass sich die Seelenqualen nur erahnen lassen.
DEN MANTA GT/E AUSSCHLACHTEN? EIN FREVEL
Umso größer ist dann die Freude, wenn ein Auto auch mal wieder zurückkommt. Seinen weißen Manta GT/E erstand er vor vier Jahren ursprünglich als Ersatzteillager für seinen Calibra – ungesehen und in schrottreifem Zustand. Als sich jedoch anhand der Fahrzeugpapiere herausstellte, dass ihm der Wagen vor über zwei Jahrzehnten schon einmal gehört hatte, war an Ausschlachten nicht mehr zu denken. „Das wäre ein Frevel gewesen“, sagt Maunula. Heute glänzt der Manta wie neu.
Über dreißig Opel besitzt Maunula mittlerweile, so ganz genau weiß er das im Moment allerdings nicht, da er nicht alle auf seinem Grundstück unterbringen kann. Ähnliche Probleme bereiten ihm seine über 450 Opel-Miniaturautos, die in eigens angefertigten Glasvitrinen ausstellt. Und was faszinierte Maunula bereits als Kind an den Autos aus Rüsselsheim? „Vor allem das Aussehen“, sagt er. „Sie waren einfach sehr schön.“
Später, in den 90er-Jahren, teilten offenbar viele andere Finnen diese Meinung. „Damals war Opel die meistverkaufte Automarke in Finnland.“ Später litt das Image etwas unter Rostschäden, aber davon ist heute nichts mehr zu spüren. „Aus Mechaniker-Sicht sind die Wagen jetzt fast zu gut, es gibt nämlich sehr wenige Probleme.“
Ein Traum geht in Erfüllung
Mit dem originalgetreuen Nachbau des Ascona 400 ist für Maunula ein jahrzehntelanger Traum in Erfüllung gegangenen. Und das ist der Moment, bei dem er trotz aller bisherigen Reserviertheit ins Schwärmen gerät. Ausführlich berichtet er über sein Ascona-Projekt, zeigt Fotos der ursprünglichen Karrosserie, erläutert detailliert die vorgenommenen Veränderungen – und seufzt hin und wieder auf, wenn er sich an einzelne Phasen des Projekts erinnert.
Schon in den 80er-Jahren begann Maunula damit, in mühseliger Kleinarbeit die Originalteile zu suchen, und trotz aller Schwierigkeiten gab er die Hoffnung nie auf, eines Tages sein Traumauto zu bauen und zu fahren. Aber ohne gute Kontakte und eine ordentliche Portion Glück hätte er sein Ziel wohl nie erreicht.
GLÜCKSTREFFER IN NORDFRANKREICH
„Besonders schwierig“, erinnert sich Maunula, „war die Beschaffung der Originalfelgen zu einem akzeptablen Preis.“ Denn um den Preis in die Höhe zu treiben, würden die wenigen Verkäufer nicht das vollständige Set anbieten, sondern stets nur einzelne Felgen. Fündig wurde Maunula schließlich in Nordfrankreich. Der Verkäufer wollte die Felgen aber nicht verschicken, sondern nur an Selbstabholer verkaufen. Der Bekannte eines Freundes, ein in der Schweiz lebender finnischer Arzt, half Maunula schließlich aus der Bredouille.
Er nahm sich einen Tag frei, holte die Felgen in Frankreich ab und verschickte sie an den Opel-Liebhaber im hohen Norden. Bei dem Zylinderkopf allerdings musste selbst Maunula einen Kompromiss eingehen. „Der Original-Zylinderkopf des Ascona 400 ist kaum erschwinglich und noch schwerer zu finden.“ Technisch war das für den Automechaniker indes kein großes Problem. Er kürzte den Sechs-Zylinderkopf eines Omega auf vier Zylinder und baute diesen anstatt des Originals ein.
Aber was reizt ihn so sehr an dem Ascona 400, dass er kaum Kosten und Mühen scheute? „Die großen Rallyefahrer haben ihn gefahren“, sagt der Motorsportfan, der im Winter selbst gern gemeinsam mit Freunden auf dem Meer über eine Eisstrecke brettert. Große Vorbilder sind Walter Röhrl und natürlich Finnlands Rallye-Held Ari Vatanen, den Maunula jahrelang regelmäßig auf Rallyes in Finnland traf, und der immer Zeit für einen Plausch mit den Fans fand.
RENNANZUG VON RALLYEHELD ARI VATANEN
Und nicht nur das: Eines Tages, im Jahr 2009, schaute Vatanen, damals schon EU-Abgeordneter in Brüssel, auf einen Kaffee bei Maunula herein. Wenige Wochen später bedankte sich Vatanen mit einem der Rennanzüge, die er als Opel-Fahrer getragen hatte. „Ich glaube, nicht einmal im Opel-Museum in Rüsselsheim haben sie solch einen Anzug“, sagt Maunula stolz.
Und Maunula muss es wissen, denn seine Opel-Liebe zieht ihn immer wieder nach Deutschland. Besuche des Opel-Museums und Werksbesichtigungen, zuletzt in Eisenach, sind die Hauptattraktionen jeder Deutschland-Reise. In diesem Jahr fuhr Maunula zum ersten Mal zum Opel-Treffen nach Oschersleben und war sehr angetan von der Stimmung auf dem einzigartigen Event.
Ausgiebig konnte er dort mit Gleichgesinnten fachsimpeln und sich mit einem weiteren Ascona 400-Besitzer austauschen. Doch bei aller Liebe zum Reisen – zu Hause in Marinkainen sei es am schönsten, sagt Maunula. „Die Gegend mit all ihren Facetten der Natur, dazu etwas Werkstattaction und anschließend eine Ausfahrt mit einem meiner Opel – was willst du mehr, um den Tag perfekt zu machen?“
Mehr als 30 Opel-Fahrzeuge besitzt Juha Maunula. 17 davon sind noch fahrtüchtig und jeden Sommer fährt er zwei oder drei andere.
Im Winter nutzt Maunula ausschließlich seinen Calibra und den Omega seiner Frau Jaana sowie den präparierten Manta für die Rennen auf der Eisstrecke.
Seit zehn Jahren ist der dreifache Vater Mitglied im „Opel 60’s&70’s Club“, dessen Mitglieder sich vorwiegend mit der Instandsetzung und Reparatur von Opel-Oldtimern beschäftigen. Häufig versäumt Maunula aber die Club-Treffen, weil er seine Zeit lieber in der heimischen Werkstatt verbringt.