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„Wenn du etwas nicht zu Ende bringen willst, brauchst du gar nicht anzufangen.“
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Bessere Voraussetzungen, um ein versierter Automobil-Restaurateur zu werden, lassen sich in einem Lebenslauf kaum finden. Hermann Elbert lernte am „Binger Schlag“ in Mainz sein Kfz-Handwerk, bei „Auto-Kraft“. Als junger Familienvater wechselte er ins Rüsselsheimer Entwicklungszentrum, wo er 35 Jahre lang Gelegenheit hatte, abwechselnd an so ziemlich jeder Fahrzeugkomponente mitzuentwickeln, die ein Opel zu bieten hat. Wichtigster Lehrmeister aber war sein Vater, der ihm einst beibrachte: „Wenn du etwas nicht zu Ende bringen willst, brauchst du gar nicht anzufangen.“ Die Weisheit hat er immer beherzigt. Und vielleicht auch mal insgeheim verflucht, als er sich der größten Herausforderung seines Schrauberlebens stellte: dem Restaurieren eines Opel Kapitän, Baujahr 1939.
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„Ich überlegte, welche Autos mir aus meiner Kindheit am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben sind.“
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Opel-Klassiker wieder flott gemacht hat er schon immer gerne. Vorkriegsmodelle begeisterten ihn zunächst nicht, bis er eines Tages ein Oldtimer-Treffen besuchte. Von da an wollte er sich auch mal an einem sogenannten Schnauferl versuchen.
Tempo-Dreirad oder Kapitän
Und welches sollte es sein? „Ich überlegte, welche Autos mir aus meiner Kindheit am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben sind. Da gab es diese Tempo-Dreiräder, die aber kamen für mich nicht infrage“, erinnert sich der heute 70-Jährige. „Dann fiel mir unser alter Metzger in Mainz-Gonsenheim wieder ein. Der hatte einen alten Kapitän auf seinem Hof stehen, und samstags kam ab und zu sein Schrauber vorbei, um daran eine Inspektion zu machen, bei der er etwa bei laufendem Motor die Ventile einstellte. Da hingen wir Kinder am Zaun und hielten Maulaffen feil.“
Ergo: Ein Kapitän sollte es sein.
Die Gelegenheit kam 1989, als ein Arbeitskollege ihm von seinem Kapitän erzählte, den er eigentlich selbst restaurieren wollte, ehe ihn der Mut verlassen hatte. Als Hermann Elbert sich das Wrack ansah, wusste er warum: durchgerostet, nicht komplett, fahrbereit schon gleich gar nicht, nur mit riesigem finanziellen und zeitlichen Aufwand wiederherzustellen – Oldieschrauber klassifizieren dergleichen als „Zustand 5“.
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„Ich musste mir die Teile in ganz Deutschland zusammensuchen.“
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Genau das richtige also für den Mann, der nur anfängt, was er auch zu Ende bringt. In diesem Fall aber würde es so schwer werden wie nie zuvor. „In den 1990er-Jahren gab es noch kein Internet, da musste ich mir die Teile in ganz Deutschland zusammensuchen. Ohne die Alt Opel-IG und ihren Typ-Referenten Alfred Kling hätte ich das nie geschafft.“
Zehn Jahre benötigte Hermann Elbert, um diesem Kapitän zu neuem Glanz zu verhelfen. „Fast jedes Wochenende und nach jedem Feierabend habe ich dran gearbeitet“, erinnert er sich. „Da kann ich nur froh und dankbar sein, dass meine Familie das mitgemacht hat.“ Das gilt insbesondere für seine Frau Waltraud, genannt „Usch“.
„Im Grunde war der Kauf des ersten Kapitän ein Fehlgriff“, resümiert der 70-Jährige heute. Denn von dem ursprünglichen Modell ist nicht mehr viel vorhanden. Elbert besorgte sich in den Niederlanden noch einmal eine originale Fahrgastzelle, in Rennerod einen komplett neuen Vorderbau, und ließ seinen Kapitän aus drei verschiedenen Wracks neu entstehen. Dr. Frankenstein lässt grüßen. Dessen Monster aber war bekanntlich keine Augenweide, im Gegensatz zu Hermanns Elberts Kapitän.
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„Im Grunde war der Kauf des ersten Kapitän ein Fehlgriff.“
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Der Oldie ist heute in Royalblau lackiert, picobello, die Chromteile blitzen. Für die tadellos weißen Knöpfe, im Original Bakelit, hat Elbert einen moderneren, widerstandsfähigeren Kunststoff verwendet. Dieses Auto wäre die Zierde eines jeden Händler-Showrooms.
Die Sitzbezüge sind aus Leder, das gab’s damals nicht serienmäßig, „obwohl ich überzeugt bin, dass, wer es wirklich wollte, es auch bekommen hat“. Auch der 2,5 Liter-Motor mit sechs Zylindern und 55 PS sieht aus, als habe der Kapitän bislang lediglich seinen Stapellauf hinter sich gebracht.
Dabei ist Elbert mit ihm viel unterwegs. Fast 60.000 Kilometer hat er seit 1999 mit dem Opel zurückgelegt, meist zu Treffen oder Oldtimer-Ausfahrten. Wenn in der Region Klassiker zum Stelldichein gebeten werden ist er ohnehin immer dabei, ob an den Opel Villen beim Klassikertreffen, bei Schloss Waldthausen oder am „F40“ in Rüsselsheim, wo der ehemalige Opel-Kommunikationsexperte Heinz Zettl alle zwei Monate einlädt. Und „Usch“ sitzt immer auf der Beifahrerseite. Sie teilt glücklicherweise auch die geselligen Seiten der „Oldtimerei“, wie Hermann Elbert es nennt.
Was er über das Vorleben seines Kapitän weiß? Nicht viel, denn Papiere existieren nicht mehr. In Rüsselsheim montiert worden sein muss er wohl im Frühjahr 1939, denn 1938 wurden nur wenige gebaut. Im März 1939 feierte der Kapitän seine öffentliche Premiere auf dem Genfer Automobilsalon.
Unterwegs in Tschechien
Während des Krieges könnte er im Militäreinsatz gewesen sein. Davon zeugten im Ursprungsmodell Überreste einer Zusatzbatterie, die wohl für ein Funkgerät gedacht waren – und ein paar Löcher, die Einschüsse gewesen sein könnten. Nach dem Krieg, so viel ist bekannt, war der Kapitän in Tschechien unterwegs, ehe ihn ein Opel-Händler aus dem rheinhessischen Nierstein in die Heimat zurückholte.
Aber wen interessiert schon die Vergangenheit? Dieser Kapitän hat noch eine große Zukunft vor sich. Dank Hermann Elbert.
80 Jahre: Herzlichen Glückwunsch, Herr Kapitän!
1938 Fertigungsbeginn Kapitän ‘39 im Werk Rüsselsheim
März 1939 Beim Genfer Autosalon feiert der Opel Kapitän seine öffentliche Premiere
1940 kriegsbedingter Fertigungsstopp
5. Juli 1946 Beginn der Nachkriegs-Fertigung im Werk Rüsselsheim
Oktober 1948 Fertigung des ersten Nachkriegs-Opel Kapitän im Werk Rüsselsheim: Kapitän ’48 als viertürige Limousine mit Portaltüren und runden Scheinwerfern
1950 – 1951 Kapitän ’50 mit moderner Lenkradschaltung, überarbeitetem Innenraum
1951 – 1953 Kapitän ’51 mit veränderter Karosserie, ungeteiltem Heckfenster und mehr Chrom. Motor mit 58 PS/43 kW
1953 – 1955 Kapitän ’54 in moderner Ponton-Form mit markantem „Haifischmaul“-Kühlergrill. Motor mit 68 PS/50 kW
1955 – 1958 Kapitän ’56/’57 mit senkrechten Gitterstäben statt des „Haifischmauls“ und „Flossen“ als hintere Kotflügel. Motor mit 75 PS/55 kW
9. November 1956 In Rüsselsheim wird das zweimillionste Opel-Auto gefertigt: ein Opel Kapitän mit goldfarben lackiertem Dach und vergoldeten Zierteilen
1958 – 1959 Kapitän P1/Kapitän P 2,5: „Schlüsselloch-Kapitän“ genannt wegen der schlüssellochförmigen Heckleuchten. Motor mit 80 PS/59 kW
1959 – 1963 Kapitän P2/Kapitän P 2,6 mit 3-Gang-„Hydramatic“-Getriebe (ab 1960) und Servolenkung (ab 1962). Motor mit 90 PS/66 kW. In Österreich wurde der Kapitän P2/PLV mit einem 2,5-Liter-Motor mit 85 PS ausgeliefert
1964 – 1968 Kapitän A. Motor mit 100 PS/74 kW und 125 PS/92 kW (ab 1965)
1969 – 1970 Kapitän B
Mai 1970 Die Produktion des Kapitän B wird eingestellt
Dezember 2018