Die Corona-Pandemie beschert uns Zeiten, die vor uns noch niemand erlebt hat. Tatsächlich? Wer exakt 100 Jahre zurückblickt, entdeckt Parallelen. Damals forderte die sogenannte „Spanische Grippe“ Millionen Todesopfer, die wirtschaftlichen Auswirkungen waren verheerend, zumal auch die tiefen Spuren, die der Erste Weltkrieg hinterlassen hatte, noch nicht beseitigt waren. Auch Opel und seine Beschäftigten blickten seinerzeit in eine ungewisse Zukunft, und auf den Straßen fanden die Volksverhetzer zunehmend mehr Publikum.
Eben wegen einigen dieser aktuell anmutenden Aspekte haben Eckhart Bartels und sein Redaktionsteam im Opel-Jahrbuch 2021 auf diese Zeit einen besonderen Augenmerk gerichtet – und festgestellt: Es gab in diesen dunklen Jahren auch Hoffnungsschimmer. Opel etwa gelang es, trotz aller Schwierigkeiten die Grundlagen für eine schon bald darauf einsetzende Aufwärtsentwicklung zu schaffen – so, wie auch zur Jahreswende 2020/2021 einige Zeichen für eine bessere Zukunft gesetzt sind.
Das Licht am Ende
des Tunnels: der „8M21“
Im Jahr 1920 gibt es zahlreiche Gründe für einen sorgenvollen Blick in die Zukunft. Ein von verschiedenen politischen und militärischen Mächten kontrollierter Wirtschaftsraum, Geldentwertung, in vier Jahren Krieg zerstörte Produktionsanlagen, Menschen, die ihre Angehörigen verloren haben und mit diesen ihr Vertrauen in ihre politische Führung – unter diesen Voraussetzungen ist es der gesamten deutschen Industrie beinahe unmöglich, wieder Tritt zu fassen.
Die Opel-Söhne, die nach dem Tod ihres jüngsten Bruders Ludwig nur noch zu viert sind, gründen die „Gebr. Opel GmbH“ und tun ihr Möglichstes. Sie lassen zunächst die Fahrradproduktion wieder anlaufen, entwickeln Hilfsmotoren, beleben anschließend die Fertigung ihrer Vorkriegsmodelle wieder. 1921 lassen sie erstmals wieder mit einer echten Neuheit aufhorchen: dem „8M21“.
Setzt auch im Motorsport Akzente
Der 25 PS-Flitzer bewegt sich hubraumtechnisch in der 1,5 bis 2,0 Liter-Klasse, in der sich nun alle deutschen Hersteller versuchen, und soll „den Arzt bei seiner mühevollen Praxis, den Kaufmann an Geschäftstagen beim Besuch der Kundschaft und des Sonntags bei kleinen Ausflügen und mit Familie oder Freunden“ begleiten, aber auch „die elegante Dame beim Einkaufen in der Stadt oder zum Besuch von Theater und Konzert, den Sportsmann zur Fahrt nach seinen Sportplätzen.“ So steht es jedenfalls im Werbeprospekt. Schon bald darauf setzen die Opel-Enkel Fritz und Hans sowie die Werksfahrer-Legende Carl Jörns mit dem Neuen im Motorsport Akzente.
Das Konzept geht auf: Mit dem 8M21 verdoppelt das Unternehmen seine Personenwagenproduktion und hat wieder ein hochwertiges, zuverlässiges Modell in einem exzellenten Preis-Leistungsverhältnis am Markt. Opel ist wieder da.
Ein besonderes Schmankerl: Eckhart Bartels und sein Team haben einen Artikel ausgegraben, den der Amateur-Historiker Hans-Heinrich von Fersen 1985 veröffentlichte. Er schildert darin seine Erlebnisse mit einem Opel-Sechszylinder, den seine Eltern sich 1923 zulegten, als der Autor gerade 15 Jahre alt war. Papa Fersen hatte ihn einem lettischen Butter-Schmuggler abgekauft, dem das damalige Opel-Flaggschiff, das auf 100 Kilometern 30 Liter Sprit schluckte, zu auffällig geworden war.
Mehr als nur der „Raketen-Fritz“:
Der Opel-Enkel in allen Facetten
„Herr Professor, beurteilen Sie mich nicht nach dem Raketenauto. Ich arbeite auch ernsthaft.“ Dieses Zitat aus einem Brief von 1929 zeigt: Der Autor hatte anscheinend schon zu Lebzeiten Probleme damit, auf den „Raketen-Fritz“ reduziert zu werden. Am 8. April 2021 jährt sich sein Todestag zum 50. Mal, seine große Zeit aber waren die wilden Zwanziger. Und die beleuchtet Leif Rohwedder, Leiter Visual Communications bei Opel, als Gastautor dieses Opel-Jahrbuchs. Dabei zeichnet er ein Bild von Fritz von Opel in allen ihm gebührenden Facetten.
Pionier und Visionär
Der Opel-Enkel war nämlich weit mehr als der „Raketen-Fritz“, der 1928 mit der Weltrekord-Fahrt seines „RAK 2“ die Weltöffentlichkeit aufhorchen ließ. Fritz von Opel war leidenschaftlicher Unternehmer, Pionier und Visionär, und als Motorsportler ein absoluter Tausendsassa, der zu Wasser, zu Lande und in der Luft unterwegs war.
Schon 1930 prophezeite er in einem Interview mit der „New York Times“, dass die Flugstrecke zwischen Berlin und New York eines Tages in nur drei Stunden bewältigt werden könne. Mit der „Concorde“ sollte dies Jahrzehnte später Wirklichkeit werden. Fritz von Opel wollte dafür schon zu seiner Zeit einen speziellen Raketenantrieb entwickeln und eben diese Leidenschaft für derart explosive Aggregate wurde sein Verhängnis. Vater Wilhelm verkaufte das Familienunternehmen lieber an General Motors, da er es nicht seinem Sohn und dessen riskanten Ideen überlassen wollte – die einsetzende Weltwirtschaftskrise tat ein übriges. Wohin ein Visionär wie Fritz von Opel das Unternehmen wohl geführt hätte?
Der Mann fürs Kreative:
„Stambo“ machte Opel-Kunst
Auf ihren Fahrten durch die Opel-Geschichte blicken Eckhart Bartels und sein Team immer gerne auch mal aus den Seitenfenstern – und porträtieren Menschen, die gar nicht mal offiziell in Opel-Diensten standen. Die Grafiker-Legende Georgi Stamboliyski etwa leistete den größten Teil ihrer kreativen Arbeit für die Werbeagentur McCann Erickson. Als Auftragnehmer von Opel prägte er rund zwei Jahrzehnte lang nachhaltig die Plakatauftritte der Marke mit dem Blitz.
Stamboliyski, kurz „Stambo“ genannt, stammte aus Bulgarien und war 1958, in der Blütezeit des Kalten Krieges, in den Westen geflohen. Zuvor hatte er in seiner Heimat mit seinen Karikaturen wiederholt den Unmut der Mächtigen erregt. Über McCann Erickson geriet er bei Opel auf einen Auftraggeber, der neben der fotografischen Darstellung immer auch auf die ausdrucksstarke Illustration als Werbemittel gedient hatte. Und da setzte „Stambo“ neue Akzente. „Sein Stil, seine Grafik zeigte nach vorn, war anders als das bisher bekannte Genre“, schreibt Eckhart Bartels. Zudem bediente sich Opel auf dem Kommunikationskanal zu seinen Händlern gerne „Stambos“ Künsten. Bilder sagen eben doch mehr als Worte, manche zumindest.
In jüngster Zeit haben sich mehrere Ausstellungen in Bulgarien und Deutschland „Stambos“ vielfältigem Lebenswerk gewidmet. Dabei waren immer auch Opel-Werbeplakate zu sehen – Diplomat, Admiral, Kapitän und Kadett. Auch das Opel-Jahrbuch lässt dafür den gebührenden Raum.
Opel mit ordentlich Pferdestärken:
Omega Evo, Lotus, ITC Calibra
Wenn es eine interessante Geschichte hergibt, widmet sich die Redaktion auch mal einem im Grunde gar nicht klassischen Jubiläum. Der Omega Evo 500 und seine Höchstleistungsversion, der Lotus Omega, werden 30 Jahre alt. Die mit Rennfahrzeugtechnik ausgestatteten Power-Opel demonstrieren nachhaltig den technologischen Führungsanspruch des Unternehmens.
Viele von ihnen gehen an Prominente mit Werbewirkung, so wird beispielsweise Steffi Graf Besitzerin eines schwarzen PS-Monsters, auch diverse Bayern-Kicker sind mit einem unterwegs. Heute zählen diese Omega zu den wertvollsten Sammlerstücken ihrer Art. Sie sind freilich kaum zu bekommen. Womöglich auch, weil es nicht einmal so viele gibt, wie bislang vermutet. Angeblich sollen 500 Stück gebaut worden sein, Eckhart Bartels und sein Team haben bei ihren Recherchen aber nur von 321 Exemplaren erfahren.
Ebenfalls gehuldigt wird dem ITC Calibra, als Rennmaschine insbesondere in seiner Lackierung als „Cliff Calibra“. Sein Sieg in der ITC Meisterschaft, mit dem er seine Rennsportkarriere auch beendete, jährt sich 2021 zum 25. Mal. Fahrer damals war ein gewisser Manuel Reuter.
Zurück in die Gegenwart:
Auch 2021 wird spannend
Und so wie Opel im Jahr 1921 optimistisch in die Zukunft startete, wird auch im Opel-Jahrbuch mit Vorfreude aufs Jahr 2021 geblickt – ohne dass die besonderen Herausforderungen der Zeit übersehen werden. Der mit einem Facelift versehene Insignia wird weiter die Straßen beleben, die „Elektrifizierung“ der Angebotspalette weiter voranschreiten. Die übrigens bereits 2011 eine Art Vorboten hervorgebracht hat: den Ampera. Auch dessen 10. Geburtstag wird im Opel-Jahrbuch selbstverständlich gewürdigt.
Das Opel-Jahrbuch 2021 (ISBN: 9783861339779) ist wie immer im Podszun-Verlag erschienen, kostet 16,90 Euro und ist 144 Seiten stark. Erhältlich ist es bei allen Buchhandlungen online wie offline oder direkt beim Verlag.
Dezember 2020