Uwe Hochgeschurtz ist der neue Mann an der Spitze von Opel. Ausgehend von einem
Stichwort haben wir dem gebürtigen Kölner im Interview jeweils eine persönliche und eine unternehmenspolitische Frage gestellt. Erfahren Sie, wie der Unternehmenslenker seine Akkus
auflädt und in welcher Geschwindigkeit künftige Opel-Modelle geladen werden.
Stichwort: New Work
Herr Hochgeschurtz, wo erreichen wir Sie gerade?
Wie die Mehrheit aller Opel-Kollegen arbeite ich gerade von zu Hause. Ich habe heute bereits einen ordentlichen Marathon an Video-Konferenzen hinter mir. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wie gut sich die Aufgaben ‚virtuell‘ erledigen lassen. Aber natürlich ist es schade, dass ich viele Kollegen noch nicht persönlich kennenlernen konnte. Das holen wir nach, sobald es wieder möglich ist.
Im Unternehmen spricht man von der „New Era of Agility“: Wie werden wir künftig bei Opel arbeiten – auch mit Blick über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus?
Klar ist: Zu dem Status quo der Vor-Corona-Zeit – alle Mitarbeiter kommen tagtäglich an ihre Arbeitsplätze ins Unternehmen – werden wir nicht zurückkehren. Wir werden uns zukunftsorientiert, modern und digital aufstellen. Ein Team arbeitet derzeit in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretungen an einem modernen Bürokonzept inklusive eines Desk Sharing-Konzepts. Gerade am Standort Rüsselsheim arbeitet die Mehrzahl der Mitarbeiter in Verwaltung, in der Entwicklung und in produktionsnahen Bereichen, die ihre Tätigkeiten ganz oder teilweise ins Homeoffice verlegen können. Der Anteil an mobilem Arbeiten wird hier künftig deutlich höher sein.
Start
Wie haben Sie Ihren ersten Arbeitstag bei Opel erlebt? Es war immerhin der Tag der Weltpremiere des neuen Astra.
Der 1. September 2021 wird mir immer als ein arbeitsreicher, aber auch unglaublich toller Tag in Erinnerung bleiben. Es war mir eine große Freude, den neuen Astra einführen zu können. Und nicht nur das: Es ist mir eine Ehre, dieses Traditionsunternehmen zu leiten und Sie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Opel, zu repräsentieren.
Die Rahmenbedingungen in meinen ersten 100 Tagen waren schwierig und doch haben wir uns ganz stark behauptet: Unsere Modellpalette ist gefragt, im deutschen Heimatmarkt haben wir den 15. Monat in Folge den Marktanteil gesteigert. Wir sind der größte Gewinner unter allen Volumenmarken.
Ein großes Kompliment geht an unsere Händler, die trotz der widrigen Bedingungen einen maßgeblichen Anteil an unseren Marktanteilsgewinnen hatten. Im November war der Corsa sogar das meistverkaufte Auto in Deutschland überhaupt und dann war da natürlich noch der Gewinn des „Goldenen Lenkrads 2021“ für den Mokka-e.
Was trauen Sie dem neuen Astra zu, der ab dem Frühjahr bei den Kunden vorfahren wird?
Sehr viel! Der Astra ist ein fantastisches Fahrzeug, wunderschön designt, vollgepackt mit sinnvollen Technologien, das Antworten auf die Zukunft gibt: Wahlweise erhältlich mit effizienten Benzin- und Dieselmotoren, als Plug-in-Hybrid und ab 2023 auch als batterie-elektrisches Fahrzeug – genau solch ein Auto braucht es in der Kompaktklasse! Das zeigt auch die hervorragende Resonanz von Medien und Kunden. Wir setzen uns intern ehrgeizige Ziele. Klar ist aber auch, dass es in Zeiten der Halbleiterkrise nicht seriös ist, präzise Volumenziele zu nennen.
Zur Person
Geboren am
27. Februar 1963
in Köln
Uwe Hochgeschurtz
ist verheiratet und hat
Kinder
Leidenschaft
„Ich bin passionierter Radfahrer – es ist die perfekte Mischung aus Natur genießen und sportlich unterwegs zu sein.“
„Als Rheinländer wird mir eine große Offenheit attestiert – insbesondere gegenüber anderen Kulturen.“
Wurzeln
Sie sind gebürtiger Kölner – haben Sie Eigenschaften, die Sie als typischen Rheinländer charakterisieren?
Mir wird eine große Offenheit attestiert – insbesondere gegenüber anderen Kulturen. Das würde ich auf meine rheinländischen Wurzeln zurückführen. Und dann ist da natürlich meine Affinität in Sachen Fußball: Ich feuere meinen Heimatverein, den 1. FC Köln, an.
Das Unternehmen erhält mitten auf dem geschichtsträchtigen Werksgelände 2025 einen innovativen Opel-Campus. Worauf können sich die Mitarbeiter freuen?
Wir schreiben die reiche Historie des Stammsitzes in Rüsselsheim fort, rund um den Gebäudekomplex K40 entsteht ein grüner Campus – modern, freundlich und urban. Die Kollegen aus Verwaltung, Forschung und Entwicklung sowie Vertrieb können sich auf hochmoderne Büros und Arbeitsstätten freuen. Die neue Deutschland-Zentrale wird einen entscheidenden Beitrag zum Ziel von Stellantis leisten, sich CO2-neutral aufzustellen. Das Projekt ist ein gutes Beispiel für unseren konsequenten Fokus auf grüne Innovationen – oder Greenovations, wie wir sie nennen.
Akku aufladen
Haben Sie eine Routine, um Ihren Akku aufzuladen, um Kraft zu tanken?
Meine Passion ist das Radfahren. Es ist die perfekte Mischung aus Natur genießen und sich auspowern. Bereits mit 15 Jahren habe ich angefangen für den RC Schmitter Köln Rennen zu fahren. Mein größter Erfolg waren die „24 Stunden von Le Mans“ im Radsport-Vierer mit dem Team Renault Sport Suisse. Wir sind 33. geworden – von 118 Teilnehmern. Heute fahre ich mindestens einmal pro Woche Rad, im Urlaub auch öfters. Da kommen im Schnitt drei- bis viertausend Kilometer im Jahr zusammen. Fit halte ich mich außerdem mit Joggen und etwas Kraftsport, im Winter gerne auch Skifahren. Und zur Entspannung schätze ich ein gutes Glas Wein.
Opel macht das Laden zum Volkssport. Bis 2024 wird es alle Opel-Modelle auch in elektrifizierten Varianten geben, von 2028 an setzt Opel in Europa komplett auf batterie-elektrische Fahrzeuge – wie sieht der Weg dorthin aus?
Aktuell bieten wir inklusive unseres Transporter-Portfolios neun elektrifizierte Modelle an, zehn Prozent unserer verkauften Fahrtzeuge sind elektrisch. Die Schnelligkeit, die wir bei der Elektrifizierung an den Tag legen, verschafft uns einen Vorteil – wir gewinnen neue Kunden.
Und den Weg der Elektrifizierung gehen wir konsequent: Ab 2025 werden wir unsere eigenen Batteriezellen im Werk Kaiserslautern produzieren. Mit dieser Gigafactory werden wir langfristig pro Jahr 500.000 Fahrzeuge mit Hochleistungsbatteriezellen ausrüsten können. Kürzlich haben wir Mercedes-Benz als weiteren Partner in der Pfalz hinzugewonnen.
Es ist spannend zu sehen, wie rasant die Entwicklung voranschreitet: Mit den nächsten Modell-Generationen, die auf den neuen Stellantis-Plattformen basieren, werden wir bei den Ladezeiten und der Reichweite führend sein. Das wird ab 2024 deutlich. Dabei spielt ein leichteres Gewicht der Fahrzeuge eine Rolle. Außerdem werden sich die Fahrzeuge extrem schnell laden lassen – das Ziel ist eine Minute für 30 Kilometer Strom.
Emotion
Sind Sie emotional?
Ich würde von mir durchaus behaupten, dass ich empathisch bin, dass ich Stimmungen von meinem Gegenüber wahrnehmen kann und dadurch ein Verständnis für die Motive und Gedanken anderer habe. Es ist eine Form von Demut – sich selbst und andere zu respektieren. Demut ist etwas, was mich der Radsport gelehrt hat. Das – und den richtigen Augenblick für den Angriff zu erkennen.
Sie möchten die Marke Opel emotionalisieren – welche Gefühle sollen die Menschen mit Opel verbinden?
Wir haben gerade in einem langen Call gemeinsam mit der Führungsspitze von Stellantis einen detaillierten Blick auf den Fahrplan der Opel-Modelle für die nächsten zehn Jahre geworfen. So viel kann ich verraten: Es ist ein starker Plan – mit mindestens einem Highlight pro Jahr. Jedes Modell besticht durch emotionales Design, das begeistert. Unser neues Markengesicht, der Opel-Vizor, macht uns unverwechselbar, wir heben uns ab. Technologien, die man ansonsten nur aus höherklassigen Fahrzeugen kennt, unterstreichen die nahbare Seite von Opel. Nicht zuletzt ist die Marke ‚deutsch‘. Wer ein deutsches Auto haben will, bekommt das im Stellantis-Konzern nur von Opel.
Opel-CEO
Uwe Hochgeschurtz ist Chief Executive Officer (CEO) der Opel Automobile GmbH, er leitet den traditionsreichen Automobilhersteller seit dem 1. September 2021. Außerdem ist er Mitglied des Top Executive-Teams von Stellantis und berichtet direkt an Stellantis CEO Carlos Tavares.
Werdegang
Uwe Hochgeschurtz blickt auf mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie zurück. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium mit Stationen in Großbritannien (Birmingham) und Frankreich (Paris Dauphine) startete er seine Karriere im Jahr 1990 bei Ford, wo er verschiedene Management-Rollen innehatte. 2001 wechselte er als Head of Worldwide Marketing der Nutzfahrzeugsparte zu VW. Drei Jahre später ging er zu Renault und war dort in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Produktmanagement tätig, ehe er im Juni 2016 zum CEO von Renault Deutschland ernannt wurde.
Manta
Was verbinden Sie mit dem Manta, dem Klassiker der 70er/80er-Jahre?
(lächelt) Wir haben gerade über Emotionen gesprochen: Der Manta ist ein solches Auto – es löst bei den meisten Menschen große Emotionen aus. Positive. Auch bei mir. Das beste Beispiel dafür ist der Manta GSe ElektroMOD. Die elektrische Reminiszenz an den Opel Manta, geschaffen von Opelanern, hat eine beispiellose Welle der Begeisterung ausgelöst.
Der Manta kommt tatsächlich zurück in Serie: Wird es ein Comeback in Form eines elektrischen Crossover/SUV?
Zuallererst wird der Manta-e wieder ein Elektroauto von Opel sein, das jeden Kilometer Spaß macht – und bezahlbar sein wird. Damit treffen wir genau den Nerv der Menschen, wie man aktuell am Corsa-e und Mokka-e sieht. Das Design des nächsten Manta steht zwar noch nicht fest. Klar ist aber schon jetzt: Bestimmte Design-Elemente vom alten Manta wollen und werden wir natürlich – neu interpretiert – übernehmen, weil sie für die Tradition der Marke stehen.
Wandel
Sie blicken auf mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Automobilbranche, haben für diverse Marken gearbeitet und lange im Ausland gelebt. Was bedeutet Wandel für Sie?
Mit meiner neuen Aufgabe bei Opel wird für mich ein Traum wahr. Ich liebe Herausforderungen. Wandel bedeutet, sich weiterzuentwickeln. Dass ich jetzt als Opel CEO eine so traditionsreiche, starke Marke führen kann, macht mich stolz. Mein Ziel ist es, Opel noch aktiver zu positionieren und das hohe Potential auszuschöpfen. Für mich steht fest: Vor Opel liegt eine goldene Dekade.
In der Automobilindustrie findet derzeit ein tiefgreifender Wandel statt. Sehen Sie Opel dafür gerüstet?
Definitiv. Zum einen haben wir durch unseren Fokus auf batterie-elektrische Fahrzeuge einen klaren Wettbewerbsvorteil. Unsere Investitionen fließen stringent in die E-Mobilität. Das bedeutet auch: Wenn wir – jetzt in Zeiten der Halbleiterknappheit – die Wahl haben, einen vorhandenen Mikrochip in einem Verbrenner oder ein Elektroauto einzubauen, bauen wir ihn in ein E-Auto ein.
Außerdem ist es natürlich ein immenser Vorteil, dass wir Zugang zu den effizienten Technologien des Stellantis-Konzerns haben. Das ist in einer Zeit des disruptiven Umbruchs in der Automobilbranche besonders wichtig. Ein weiteres großes Plus ist, dass wir viele Jahre Erfahrung mit der Brennstoffzelle haben. Eine Technologie, die in einigen Bereichen relativ schnell eine wichtige Rolle spielen kann, etwa bei den Nutzfahrzeugen, die aufgrund ihres Gewichts besser dafür geeignet sind als klassische Pkw.
Bereits Ende 2021 haben wir eine erste Kleinserie gestartet und den Wasserstoff-Transporter Vivaro-e HYDROGEN auf den Markt gebracht. Damit präsentieren wir die ideale Lösung für Flottenkunden, die mit ihrem Transporter emissionsfrei weite Strecken absolvieren und dann schnell auftanken wollen. Das Auftanken mit Wasserstoff dauert nur drei Minuten.
Auto
Was war Ihr erstes Auto?
Das war ein kleiner Hochdachkombi, ein sehr günstiger Simca 1100 Fourgonnette, den ich selbst reparieren konnte. Ich hatte großen Spaß daran, auch mal einen Auspuff zu schweißen. Ich war auch für kurze Zeit stolzer Besitzer einer Corvette Stingray. Für einen Opel GT könnte ich auch mein Herz erwärmen.
Mit welchem Modell sind Sie aktuell als Opel CEO unterwegs?
Gerade habe ich meinen Grandland PHEV abgeholt – ein fantastisches Auto! Die neue Version, die seit Anfang Januar in Eisenach vom Band läuft, wird zu Recht von unseren Kunden und Händlern sehnsüchtig erwartet. Ob Vivaro, Corsa oder Mokka – ich habe in den vergangenen Monaten jede Gelegenheit genutzt, um möglichst viele unserer Modelle zu fahren. Denn Autos sind nicht einfach nur mein Beruf – sie sind auch meine Passion! Nur eine Probefahrt im Manta GSe ElektroMOD – die fehlt mir noch.
Herr Hochgeschurtz, vielen Dank für das Gespräch.
Januar 2022