Am vergangenen Dienstag (9. August) ist der ehemalige Opel-Entwicklungsvorstand Friedrich W. („Fritz“) Lohr im Alter von 95 Jahren verstorben. Mit seinem außenordentlichen Engagement und konsequenten, richtungsweisenden Entscheidungen prägte er maßgeblich die Opel-Fahrzeugentwicklung in den 70er- und 80er-Jahren. So führte er mit dem Kadett D ab 1979 den Frontantrieb bei Opel ein. Es war ein wegweisender Schritt, zu dem es im Unternehmen eine beliebte Anekdote gibt: Weil er sich mit der neuen Technik gegen interne Widerstände durchsetzen musste, wurde das gängige internationale Kürzel für Frontantrieb FWD (Front Wheel Drive) bei Opel in „Fritz will das“ uminterpretiert. Er sollte mit seinem Konzept für mehr Raum Recht behalten: Die Fachpresse feierte den Kadett D mit dem damals klassengrößten Innenraum bei kompakten äußeren Abmessungen als Revolution.
Führender Repräsentant
deutscher Automobiltechnik
Fritz Lohr hat bis zum Eintritt in den Ruhestand 1991 in 51 Dienstjahren bei Opel viele mutige Entscheidungen getroffen und Weichen gestellt. Autos wie Kadett E, Omega, Vectra A und Calibra wurden unter seiner Regie auf den Markt gebracht. Zuletzt hat er den Astra F, der 1991 auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt präsentiert wurde, mit strategischen Entscheidungen maßgeblich geprägt. Unter seiner Führung übernahm das Unternehmen eine Vorreiterrolle beim Umweltschutz. Als erster deutscher Hersteller bot Opel ab 1985 in jeder Modellreihe ein Fahrzeug mit Katalysator an. In einem Interview zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum im Jahr 1990 sagte er: „Die weitere Verbrauchsreduzierung hat höchste Priorität.“ Auch die Zukunft der E-Mobilität hatte er vor über 30 Jahren bereits im Blick: „Elektrobetriebene Fahrzeuge wird es möglicherweise besonders für den innerstädtischen Verkehr geben.“
Mit seinen Entscheidungen prägte Fritz Lohr maßgeblich die Opel-Technik – über Jahrzehnte.
Dabei war die Berufslaufbahn von Fritz Lohr innerhalb des Unternehmens ungewöhnlich: Der gebürtige Treburer trat 1940 als Lehrling ins Unternehmen ein. Er wollte Werkzeugmacher werden. Doch wie sich herausstellte, war der 13-Jährige – wie er selbst später einräumte – „kein guter Handwerker“. Stattdessen erkannten die Ausbilder schnell sein sehr gutes räumliches Vorstellungsvermögen und er wechselte nach einem Jahr in die Fahrzeugentwicklung als technischer Zeichner. Nach dem Militärdienst und Kriegsgefangenschaft studierte er als erster Stipendiat der Adam Opel AG in Friedberg und Darmstadt Maschinenbau. Als er nach dem Studium 1950 ins Unternehmen zurückkehrte, arbeitete er zunächst in einem kleinen Team von zwölf Kollegen in der Vorausentwicklung. Hier lernte er alle Bereiche der Fahrzeugentwicklung kennen. Sein weiterer Aufstieg im Entwicklungszentrum verlief rasant.
Vom Lehrling
zum Entwicklungschef
1959 ernannte ihn das Unternehmen zum stellvertretenden Chassis-Konstruktionsingenieur, 1966 zum Ersten Ingenieur des Bereichs, 1969 zum Abteilungsleiter. Ab 1974 zeichnete er für die gesamte Vorausentwicklung verantwortlich, 1978 avancierte er zum Chefingenieur für den Karosseriebereich. Nach der Ernennung zum Direktor Produktentwicklung und Konstruktion 1980 erfolgte noch im gleichen Jahr die Berufung in den Vorstand. Als Entwicklungschef trug er die Verantwortung für die Produktentwicklung und Konstruktion sämtlicher Personenwagen des GM-Konzerns in Europa. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen verlieh dem späteren Aufsichtsratsmitglied 1990 die Würde des Dr. Ing. E.h. Und auch im Ruhestand hat Fritz Lohr sein Engagement als Präsident der Gesellschaft zur Förderung des Ingenieur-Studiums e.V. in Rüsselsheim fortgesetzt.
August 2022