Reinhard Schäfer wandelt auf
geschichtsträchtigem Boden
Der erste in Eisenach gebaute Astra F, ein Corsa B oder der neue Grandland als Plug-in-Hybrid – ein Dutzend automobile Zeitzeugen aus 30 Jahre Eisenach stehen beim „Tag der offenen Tür“ Mitte September für die Besucher Spalier. Auf der Ausstellungsfläche treffen wir Reinhard Schäfer. Er steht bei einem Vectra. Dem Opel-Modell, das Zeitgeschichte geschrieben hat. Es lief am 5. Oktober 1990, nur zwei Tage nach der Wiedervereinigung, vom Band. Die meisten der hier gezeigten Opel-Exponate stehen normalerweise im Museum „automobile welt eisenach“. Sie gehören dort – neben DIXI, BMW und Wartburg – zu den jüngsten Ausstellungsstücken. Denn: „Als das Werk Eisenach vor 30 Jahren eröffnet wurde“, sagt Schäfer, „hat sich Opel in eine lange Tradition eingereiht.“ Seit über 120 Jahren werden in Eisenach Automobile gebaut. Ohne Unterbrechung.
„Ich bin Eisenacher Fahrzeugbauer
in vierter Generation.“
Reinhard Schäfer ist selbst Teil dieser Tradition: „Ich bin Eisenacher Fahrzeugbauer in vierter Generation.“ Sein Urgroßvater fertigte bereits 1898 als einer der ersten Eisendreher der Stadt den „Wartburg Motorenwagen“, der Großvater in den Vorkriegsjahren DIXI-Modelle. Sein Vater wiederum montierte in Diensten des DDR-Automobilkombinats den Wartburg. Reinhard Schäfer selbst lernte noch im AWE-Werk Fahrzeugschlosser. 1992 fing er dann im Werk Eisenach in der Fertigung an, wurde Teamsprecher und Mitglied im Core-Team. Viele Jahre war er im Betriebsrat, darunter stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Um den vielen Erinnerungen der Stadt eine Heimat zu geben, hat er einen Stammtisch gegründet, arbeitet er ehrenamtlich im Museum „automobile welt eisenach“ als Gästeführer. Und auch sein Sohn führt die Familientradition fort. „Allerdings mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts“, sagt Reinhard Schäfer. Unter dem Namen „CarRanger“ zeigt er auf einem YouTube-Kanal mit über 100.000 Abonnenten die volle Breite und Tiefe des Automobiluniversums.
Tommy Schumann sorgt
für Innovationsgeist
Tommy Schumann war 16, als er das Werk zum ersten Mal betreten hat. „Mit ordentlich Ehrfurcht“, erinnert er sich an den ersten Tag seiner Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik vor 18 Jahren. „Alles war riesig, alles fremd.“ Den Ausbildungsplatz bekommen zu haben, sei für ihn wie ein Sechser im Lotto gewesen, die Ausbildung habe einen hervorragenden Ruf. Und es lief sehr gut. Aus Fremden wurden Kollegen, aus Kollegen wurden Freunde. Er lernte und verstand schnell. Nach der Ausbildung montierte der gebürtige Eisenacher an der Linie zunächst den Corsa und Adam, dann stieß er zum Instandhaltungsteam der Lackiererei. „Und diese Anlagen sind gewaltig“, erzählt er, „240 Meter lang, verteilt auf fünf Ebenen.“ Ein Labyrinth gespickt mit Technik wie Tauchbecken, Robotern, Hebern und Förderbändern. Heute weiß er: Man braucht mindestens drei bis vier Jahre Zeit, um die Anlage in all ihren Dimensionen zu erfassen. Und das hat er getan. Und zwar so intensiv, dass er irgendwann damit begonnen hat, zu schauen, was man besser machen kann.
„Und dann habe ich die Roboter
einfach neu programmiert.“
Inzwischen hat er sich gleich mehrere Programmiersprachen angeeignet, um die Bewegungsabläufe der Roboter zu optimieren. Als zum Beispiel bei den Testläufen des Grandland auffiel, dass die Kanten der Kotflügel, unterhalb der Motorhaube, nicht ausreichend mit Farbe benetzt werden, legte er los. Statt wie zunächst geplant, jede Karosserie, die den Lackiervorgang durchläuft, aufwändig mit Motorhaubenhaltern zu versehen, kommen jetzt zwei Roboter zum Einsatz. Sie heben im entscheidenden Moment die Haube kurz an und der Farbauftrag ist perfekt. Auch die Ruheposition einiger Roboter hat er verändert, damit die Kollegen sie besser reinigen können. Die Mitarbeiter des Verbesserungsmanagements im Werk kennen Tommy Schumann jedenfalls inzwischen gut. Regelmäßig landen seine Ideen auf ihren Schreibtischen. Der 34-Jährige betreut heute auch selbst Auszubildende, die mit Ehrfurcht die Anlagen erkunden – und er lernt noch immer dazu: „Der Spaß und die Motivation, die Details zu durchdringen, werden immer größer.“
Arto Savolainen über die
sprichwörtliche Qualität
Dass die finnische und die thüringische Seele harmonieren, das hat Arto Savolainen gleich gemerkt: Das Anpacken, einfach machen, ohne lange Diskussionen – das hat ihm imponiert. Im September 1992 war das. Das Werk hatte gerade offiziell eröffnet, der Finne war als Berater vor Ort. Ein Jahr wollte er bleiben, um dabei zu helfen, eine neue Fertigungsmethode im Werk zu implementieren: „Es ging nicht nur um Abläufe und Prozesse, wir wollten eine neue Art, die Fertigung zu denken, etablieren.“ Mitarbeiter tragen Verantwortung, ständiges Verbessern ist Pflicht, Qualität von Anfang an ebenso – all das war in dieser Konsequenz neu. „Für die vielen Kollegen, die zuvor im AWE-Werk den Wartburg montiert hatten, sowieso“, so Savolainen. Doch die Denkweise fiel auf fruchtbaren Boden. Die Stimmung seinerzeit beschreibt der 60-Jährige als „euphorisch“. Gepaart mit dem Willen für alles eine kreative Lösung zu finden, entstand Anfang der 90er-Jahre in der Belegschaft die Basis für das, was Opel-Chef Florian Huettl am Vormittag während des Festaktes die „sprichwörtliche Eisenach-Qualität“ genannt hat. Arto Savolainen nennt es den „Wartburg-Geist“.
„Ob Kanadier oder Thailänder – alle waren hier, um sich was abzuschauen.“
Und so steht das Werk Eisenach seither in der ersten Reihe, wenn es um modernste Automobiltechnik in Europa geht. Auch im Bereich des Umweltmanagements setzen die Eisenacher Kollegen höchste Maßstäbe – und sind damit auch Vorbild für andere: „Ob Kanadier oder Thailänder – ständig waren Kollegen aus Schwesterwerken zu Gast, um sich was bei uns abzuschauen.“ Der Wille, Dinge zu verbessern, ist fest verankert. Schon mehrfach habe sich das Werk neu erfunden, sagt er. Und für ihn selbst wurden aus dem einen Jahr Jahrzehnte. Der Finne leitete die Lackiererei, verantwortete zwischenzeitlich den Rohbau, um anschließend wieder zur Lackiererei zurückzukehren. Einer der grundlegendsten Umbauten, die er begleitet hat, liegt nicht lange zurück. „Für den Grandland haben wir noch mal alles neu gedacht und ein modernisiertes Lackierverfahren eingeführt – Emissionen sind deutlich reduziert, der Wasserverbrauch gesenkt.“ Nachdem das vollbracht ist, geht er nun nach 30 Jahren in den Ruhestand. Der „Wartburg-Geist“, den er geholfen hat, im Eisenacher Werk zu etablieren, der bleibt.
MEILENSTEINE Opel in Eisenach
September 2022