In the "My Opel" section, we present people who have a special devotion to the brand and the models from Rüsselsheim. For the 50th birthday of the third Kadett generation we visited Thomas Scheid in Saarland. He has given his Opel Rallye a special comeback.

Die Kunst des Comebacks

Es war im November 1988, als der begeisterte Motorsportler Thomas Scheid seinen geliebten Opel Rallye 2.0 E abmeldete. Seine Tochter Julia war gerade geboren worden. Darum hatte er sich entschieden, seiner großen Leidenschaft abzuschwören, um sich hingebungsvoll seiner neuen Aufgabe als Familienvater widmen zu können.

Er wusste immer: „Eines Tages werde ich den C-Kadett wieder aus der Garage holen.“ Doch das ist nicht alles: Bis dahin wollte er den Opel-Sportler mit Hinterradantrieb nicht einfach nur in Schuss halten – zu diesem Comeback in ferner Zukunft wollte er ihn komplett neu aufbauen. Motor, Getriebe, Karosserie mit sämtlichen Anbauteilen, alles neu. Und zwar: ausschließlich mit Original-Teilen. Ausnahmslos.

Der Opel Kadett C hat viele Gesichter: Der Name des Modells von Thomas Scheid lautet Opel Rallye – in der Typenbezeichnung verzichtete man darauf, auf den Stammvater Kadett hinzuweisen.

„Wir waren einfach nur Fans. Welchen Ruf der C-Kadett in der Klassik-Szene einmal erlangen würde – darüber haben wir nie nachgedacht.“

1979 hat sich Thomas Scheid den Opel Rallye 2.0 E zugelegt, neun Jahre später meldete er ihn ab. Für das Comeback hat der Saarländer den Kadett komplett neu aufgebaut – ausschließlich mit Originalteilen.
Drehzahlmesser und Tacho liegen sachlich gezeichnet im Blickfeld. Zur Kontrolle des Öldrucks, des Benzinstandes und der Wassertemperatur bedarf es eines Blicks Richtung Mittelkonsole.

Der letzte C-Kadett war bereits 1979 in Bochum vom Band gelaufen, die offiziellen Händler waren verpflichtet, Ersatzteile noch zwölf Jahre anzubieten. Also fing Thomas Scheid Ende der 80er-Jahre umgehend an zu sammeln: Ob Stoßfänger, Auspuffrohr, Benzinpumpe, Glühbirne, Lenkrad, Kupplungs-und Bremsscheiben, Zündkerzen, er kaufte alles neu. Und lagerte es in den Originalverpackungen ein.

Ob er damals schon ahnte, dass sein Rallye-Kadett mal ein Kultauto werden würde? „I wo“, versichert der Saarländer. „Der Kadett C-Club Kaiserslautern hatte sich zwar schon 1985 gegründet, und ich war direkt dabei. Ein paar Jahre später bin ich Erster Vorsitzender geworden und bin es heute noch. Aber: Wir waren einfach nur Fans. Ob unser Auto seinen Wert behalten oder steigern würde, welchen Ruf das Modell in der Klassik-Szene einmal erlangen würde – darüber haben wir nie nachgedacht.“

Seltener Kadett-Fuhrpark

In den Jahren, in denen der Opel Rallye seiner Wiederauferstehung entgegen schlummerte, schraubte Thomas Scheid an Dutzenden Opel, vorzugsweise Kadett. Für seinen eigenen Fuhrpark, aber auch für Freunde und Klub-Mitglieder. Aktuell sind Garage und Kellerräume seines Zuhauses mit „17 oder 18 Karossen“ vollgepfropft, so genau weiß das der Hausherr selbst nicht. Fast alles Raritäten. Ein viertüriger B-Kadett Olympia etwa. Oder ein 1600er C-Kadett Coupé mit Berlinetta-Ausstattung – „in diesem absolut unverbasteltem Zustand vermutlich das einzige noch existierende Exemplar.“ Oder ein 1200er Kadett City aus der J-Serie mit mattschwarz lackierten Leisten.

„17 oder 18 Karossen“ hat Thomas Scheid derzeit rund um sein Zuhause deponiert, darunter zahlreiche Raritäten. Der Peugeot 106 ist der Exot der Sammlung, die sich ansonsten auf Modelle mit Blitz konzentriert.
Bis vor Kurzem hat Thomas Scheid Klinikküchen geleitet, zum Teil mit aufgebaut. „Meine Leidenschaft galt auch hier dem Tüfteln in Versuchsküchen – auch da musste immer alles hundertprozentig sein.“
„Elektrische Fensterheber oder elektronische Assistenzsysteme hab‘ ich nie vermisst, mehr Auto als Kadett C hab‘ ich nie gebraucht“, sagt der Saarländer.

Jede Komponente ist neu: Es ist der wohl einzige Kadett C, der für sich das Baujahr 2021 beanspruchen kann.

Vor fünf Jahren begann er, seine ehrgeizigen Pläne zum Wiederaufbau des Opel Rallye in die Tat umzusetzen. Zunächst wurde der Wagen komplett „gestrippt“ – bis auf die Rohkarosserie. Und danach neu aufgebaut. Schraube für Schraube. Ausnahmslos mit frisch ausgepackter Ware. Den 2.0 Liter-Motor nahm Thomas Scheid komplett auseinander, schickte ihn ins Tauchbad und setzte ihn wieder zusammen. 2018 ging’s in die Lackierei, dann wurde geschraubt, gebohrt, gefräst und geschweißt.

Leidenschaft versus Vernunft

Im September 2021 beantragte der Meisterschrauber ein H-Kennzeichen für sein Werk – für den womöglich einzigen C-Kadett auf der Welt, für den mit Fug und Recht 2021 als Baujahr angegeben werden darf. Denn im Grunde handelt es sich um einen Neuwagen. Woher die Ausdauer, diese Akribie rührt, die ihn all die Jahre diese Wiedererweckung vorbereiten und dann umsetzen ließ? Da kann Thomas Scheid nur mit den Achseln zucken, wie jeder, der etwas erklären soll, was sich mit purer Vernunft nun einmal nicht beschreiben lässt: Hier ist offensichtlich wahre Leidenschaft am Werk.


Der Alltags-Sportler: 13.500 D-Mark hat Thomas Scheid seinerzeit für seinen Zweiliter-Rallye bezahlt – fünf Gänge, Sperrdifferential und Alufelgen inklusive.
E wie Einspritzmotor: Das Aggregat leistet 110 PS bei 5.400 Umdrehungen pro Minute, was den Wagen auf eine Höchstgeschwindigkeit von 189 km/h katapultiert.
Es ist das unvergleichliche Fahrgefühl, das Thomas Scheid nach wie vor begeistert. „Mehr Fahrspaß bot und bietet kein anderes Auto in dieser Preisklasse“, ist er sich sicher.

„Hätte ich alle Teile in der aktuellen Klassikszene zusammenkaufen müssen, wäre ich mit weniger als 40.000 Euro nicht davongekommen.“

Und seine Weitsicht hat sich bezahlt gemacht: „Hätte ich alle Teile in der aktuellen Klassikszene zusammenkaufen müssen, wäre ich mit weniger als 40.000 Euro nicht davongekommen“, ist er überzeugt. Das Zusammenkaufen über die Jahre kam da wesentlich günstiger. „Die Rechnungen, die ich mir aufgehoben haben, belaufen sich auf etwa 5.000 D-Mark. Mit den Beträgen, die ich nicht mehr dokumentieren kann, dürfte ich etwa aufs Doppelte kommen.“

Comeback im Jubiläumsjahr

Inzwischen ist das Revival perfekt – rechtzeitig zum runden Geburtstag des C-Kadetts, der vor 50 Jahren Weltpremiere feierte. Zum großen Treffen des Kadett C-Clubs Ende April hätte er das Comeback seines Opel Rallye gerne groß gefeiert. Doch der Wagen blieb in der Garage. „Als Organisator der Veranstaltung hat man an diesem Tag tausend andere Dinge zu tun.“ Umso mehr freut es uns, dass dieser besondere Rallye-Kadett seine Premiere mit einem Fotoshooting für die Opel Post begeht.

Rallyes fährt Thomas Scheid seit gut zehn Jahren nicht mehr, stattdessen hat er sich auf Bergrennen spezialisiert. Demnächst geht er beim 48. Homburger Bergrennen an den Start. Dafür – und nur dafür – steigt er auch mal in ein anderes Fabrikat, einen Peugeot 106. Der Grund: „Es passiert doch hin und wieder was – dafür sind mir meine Opel-Modelle zu schade.“ Besonders sein Meisterstück, der Opel Rallye, soll seiner Familie noch über Generationen erhalten bleiben. Erben soll ihn Tochter Julia, für die er einst stillgelegt wurde. Inzwischen ist sie 34 und ein Enkel, das die gleiche Leidenschaft wie der Opa entwickeln könnte, ist auch schon da.


Weltauto feiert 50. Geburtstag

Vier Gesichter des Kadett C treffen auf den aktuellen Nachfolger, den neuen Astra.

Vor 50 Jahre stellte das Unternehmen den Opel Kadett C der Öffentlichkeit vor. Allein 1,7 Millionen Exemplare wurden zwischen 1973 und 1979 im einstigen Opel-Werk Bochum produziert. Auf der sogenannten T-Plattform von General Motors entstanden, rollte das so genannte „T-Car“ weltweit sogar rund sieben Millionen Mal vom Band – unter verschiedenen Markennamen.

In Asien etwa gab es den Opel Kadett unter den Markennamen Daewoo, Isuzu und Saehan, in Australien unter dem Namen Holden. In Ecuador konnte man ihn als Aymesa Condor kaufen, in den USA war das T-Car als Chevrolet Chevette und Pontiac Acadian unterwegs, in Großbritannien als Vauxhall Chevette. Der Name Chevette begegnete ab Herbst 1980 auch deutschen Kunden, denn der bewährte Kadett C bleibt unter dieser Bezeichnung parallel zum neuen Kadett D zunächst im Programm.

Das Kadett-C-Angebot umfasste zwei- und viertürige Stufenheck-Limousinen, einen dreitürigen Caravan, ein Coupé sowie ein „Fastback“ mit Heckklappe namens Kadett City. Dazu die elegante Ausstattungslinie „Berlinetta“ fürs Coupé und „Berlina“ für alle anderen. Der Opel-Tuner Baur baute eine spezielle Cabrio-Limousine auf, den Aero. Ein C-Kadett-Lieferwagen rollte ebenfalls über die Straßen, und in Asien und Südamerika komplettierten Pick-ups die große Bandbreite.

Auch mit Erfolgen im Motorsport sorgte der Kadett C für Furore. Klare Linien, große Fensterflächen, sportlich, aber dennoch mit ordentlicher Ladekapazität ausgestattet und preislich erschwinglich – das alles machte die dritte Generation des Kadett so attraktiv.


Juni 2023

Text: Eric Scherer, Fotos: Alex Heimann