125 years of automotive production: Tom (left) and Dirk Ringena have taken a seat in the Opel 1.8 liter Sport Roadster, called the “Moonlight Roadster”.

Opel-DNA hautnah erleben

Bei 125 Jahre alter Automobiltechnik müssen ausgewiesene Experten ran: Opel Classic-Mitarbeiter Jens Cooper dreht den Knauf der Batteriezündung, öffnet den Benzinhahn, der Vergaser wird geflutet, während sich Kollege Werner Bachmann mit hochgekrempelten Ärmeln an der Kurbel bereit macht. Alle Parameter müssen stimmen, um den Andrehwiderstand zu überwinden. Um den Kolben im einzigen Zylinder in Bewegung zu versetzen. Drei kraftvolle Versuche später erwachen die 3,5 Pferdestärken zum Leben. Der filigrane Motorwagen rauscht an den Besuchern vorbei. Strahlende Gesichter, gezückte Smartphones. Es ist der Star des Tages: der – noch immer fahrtüchtige – Opel-Patentmotorwagen System Lutzmann, mit dem die Fertigung von Automobilen in Rüsselsheim 1899 begann.

Zum Geburtstag durch die Klassikwerkstatt

Zum Auftakt des Jubiläumsjahres „125 Jahre Automobilbau“ haben 125 Mitarbeiter mit 125 Angehörigen exklusive Führungen in der Opel Klassikwerkstatt erlebt. An jenem Ort, an dem die faszinierende Technik- und Kulturhistorie versammelt ist. Ein Team von Opel Classic und der Internen Kommunikation hat die Besucher mit spannenden Anekdoten durch die „heiligen Hallen“ geführt. Von der Laterne bis zum Matrixlicht, von der selbsttragenden Karosserie und der ersten Fließbandfertigung in Deutschland bis hin zu den modernen elektrifizierten Fahrzeugplattformen – überall wird spürbar, wofür Opel wie kein zweiter Automobilhersteller seit Beginn an steht: die Demokratisierung von Technologien.

„Wenn es los geht, ist man mit beiden Händen ordentlich beschäftigt.“

– Jens Cooper über das Fahren mit dem Opel System Lutzmann –

Thomas Külpp und Sohn Niklas nehmen auf dem Opel-Patentmotorwagen für ein Erinnerungsfoto Platz.
Dieses Auftragsbuch mit Bestellungen für den Lutzmann hat den großen Brand im Opel-Werk 1911 überstanden.
Begleitet vom Hessischen Rundfunk führten Roland Korioth (links) und Uwe Deller die Besucher durch die „heiligen Hallen“.
Emil möchte mal wie sein Vater Kai Kaufmann bei Opel arbeiten und „so coole Autos wir den RAK-e bauen.“
Der „Cliff“-Calibra hat ihn 1996 mit dem Opel-Virus infiziert: Rainer Pruefer arbeitet heute als Motorenentwickler bei Opel.
Der Lutzmann beweist mit einer Ehrenrunde durch die Klassikwerkstatt seine beständige Qualität.

„Kutschenbauer gab es im ausgehenden 19. Jahrhundert viele, Motorenbauer doch nur wenige“, erzählt Opel-Kommunikationsmanager Roland Korioth den Besuchern von den Anfängen. Als die Familie Opel am 21. Januar 1899 einen Vertrag mit dem Dessauer Hofschlossermeister Friedrich Lutzmann über den Kauf von dessen Motorwagenfabrik abschloss, war das Rüsselsheimer Unternehmen von einem auf den anderen Tag Mitglied der exklusiven Riege von Automobilbauern. Hinter einer Vitrine ausgestellt ist das zweite Auftragsbuch mit den Bestellungen für den Lutzmann, das – im Gegensatz zum ersten Buch – den großen Brand im Opel-Werk 1911 mit kleineren Brandspuren überstanden hat.

Sammlung weckt Erinnerungen

„Wie mache ich mich so als Mafioso?“ Dirk Ringena hat zusammen mit seinem Sohn Tom im Moonlight Roadster mit dem steil im Wind stehenden Chrom-Kühlergrill und geschwungenen Kotflügeln Platz genommen. Der 1,8 Liter Sport Roadster, Baujahr 1933, hat es ihm besonders angetan. „Vor ein paar Jahren habe ich bei einem Opel-Händler ein Exemplar des Moonlight Roadsters entdeckt – 60.000 Euro sollte er kosten“, erzählt er. Das habe sein Budget dann doch gesprengt, „umso schöner, dass ich mich heute mal hinter das Lenkrad setzen darf.“  

„Im Kofferraum war nicht viel mehr als unsere fünf Badehosen.“

– Erinnerungen von Lothar Christ an einen Sommerurlaub mit dem Kadett A Coupé –

Als Christoph Heyne die Ausschreibung für die exklusive Führungen gesehen hat, hat er sofort zugeschlagen: „Ich wollte meiner Freundin unbedingt die faszinierende Klassiksammlung zeigen.“
Vor 60 Jahren ist Lothar Christ in einem solchen Kadett A Coupé mit der ganzen Familie in den Sommerurlaub gestartet – 1.800 Kilometer bis nach Spanien.
„Bei uns in der Familie fahren alle Opel”, sagt IT-Experte Michael Guchlerner, der mit seiner Frau Anna die Klassikwerkstatt besucht hat.  
Prominenter Besitzer: Dieser Kadett GSi in Metallic-Schwarz gehörte dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt.
„Den würde ich sofort nehmen!“ Jana Pruefer steht auf den emissionsfreien Manta-Neoklassiker.

„Die Kollegen hatten einige Mühen, den Zigarettengeruch im Innenraum zu tilgen.“

– Uwe Deller über den Kadett GSi des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt –

Lothar Christ blickt wehmütig durch die Windschutzscheibe des Kadett A Coupés: „Es muss so 1965 gewesen sein, ich saß auf dem Beifahrersitz, hatte eine Straßenkarte auf dem Schoß und habe meinem Vater den Weg gewiesen – bis nach Tarragona.“ Zwei Tage lang war die fünfköpfige Familie unterwegs in den spanischen Urlaubsort. „Im Kofferraum war nicht viel mehr als unsere fünf Badehosen, meine kleine Schwester schlummerte während der Fahrt in einem Körbchen auf der Hutablage – es waren eben andere Zeiten“, erzählt der ehemalige Buchhalter lachend.

Mit dem Opel-Virus infiziert

Emotionen pur wecken auch die Exponate der Motorsportgeschichte. Beim Anblick des schwarz-weißen Opel Calibra reist Rainer Pruefer in Gedanken an jenen Tag zurück, an dem er sich mit dem Opel-Virus infiziert hat: „Es war der 13. Oktober 1996. Ich stand in Hockenheim an der Strecke, jubelte Manuel Reuter bei seiner Siegesfahrt zu.“ Am Ende der Saison holte Reuter die Internationale Tourenwagen-Weltmeisterschaft und der „Cliff“-Calibra fuhr ins kollektive Gedächtnis der europäischen Rennsport-Fans. Jens Cooper erzählt den Besuchern, wie viel Akribie hinter diesem Triumph gesteckt hat: „Für einen möglichst niedrigen Schwerpunkt haben die Techniker damals sogar den Scheibenwischermotor tiefer gelegt.“

Kutschenwagen mit 3,5 PS: Der Opel Patentwagen System Lutzmann anno 1899 war als Fotomotiv überaus beliebt.
Tourenwagen mit 500 PS: Der Lieblings-Opel? Ganz klar der „Cliff“-Calibra! Jörg Geimer und sein Sohn Julius mit dem ITC-Champion von 1996.
Zum Abschied gab es für alle Besucher zwei historische Bücher über Friedrich Lutzmann und Adam Opel.
Faszination Rallyesport: Um die Allrad-Konkurrenz zu schlagen, benötigte es zuverlässige Opel-Technik mit Heckantrieb – und den Ausnahmefahrer Walter Röhrl.
Zukunft braucht Herkunft: Der batterieelektrische Astra und der System Lutzmann vereint.

„Mein Vater hat zu Hause eine riesige Opel-Modellautosammlung – die Fahrzeuge hier live zu sehen ist noch mal um einiges cooler“, sagt Jana Pruefer, während sie den Manta GSe erkundet, den elektrischen Neoklassiker, der eine Brücke schlägt von der Tradition hin zu einer nachhaltigen Zukunft. „Den würde ich sofort nehmen!“ Für Emil, der zusammen mit seinem Vater Kai Kaufmann in die Klassikwerkstatt gekommen ist, steht sowieso fest: „Ich werde mal bei Opel arbeiten.“ So wie bereits sein Urgroßvater, sein Großvater und Vater. „So ein Auto wie das hier mit Batterie will ich mal bauen“, sagt er beim Anblick des RAK-e Concept-Zweisitzers. Er weiß: Die Mobilität bei Opel ist jetzt elektrisch.

Leuchtende Augen, strahlende Gesichter

„Die Opel-DNA in der Klassikwerkstatt hautnah zu erleben, ist jedes Mal ein ganz besonderes Erlebnis“, sagt Jörg Geimer. Hinter jedem einzelnen Exponat verberge sich eine spannende Geschichte. Mindestens. So wie die hinter dem Astra GSi in Metallic-Schwarz: „Der Wagen gehörte dem Altbundeskanzler Helmut Schmidt“, erzählt Opel-Kommunikator Uwe Deller. Der Wagen, den Schmidt und seine Frau Loki fünf Jahre lang gefahren haben, ist in einem tadellosen Zustand – „allerdings hatten die Classic-Kollegen einige Mühe, den Zigarettengeruch im Inneren zu tilgen.“

Leuchtende Augen, freudestrahlende Gesichter und viele Gespräche mit spannenden persönlichen Geschichten rund um die Oldtimer – es war ein gelungener Auftakt des Jubiläumsjahres. Parallel drehte der Hessische Rundfunk die letzte Folge seiner vielbeachteten Opel-Saga vor Ort. Die Sendung lief in der Hessenschau und ist weiterhin in der Mediathek vorhanden.


Januar 2024

Text: Tina Henze, Fotos: Opel/Andreas Liebschner