„Du bist dabei“ – viel mehr muss in dem Telefonat nicht gesagt werden. Diese drei Worte machen einen Mainzer Narren so richtig selig, erklären sie doch nichts anderes, als dass er in dem TV-Klassiker „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ auftritt, der alljährlich am Freitag vor den tollen Tagen ausgestrahlt wird. Die Entscheidung, welche Bühnenaktiven der laufenden Kampagne ihren aktuellen Vortrag vor einem Millionenpublikum präsentieren dürfen, fällen die Fernsehgewaltigen stets erst etwa eine Woche vor dem Live-Termin. Wer dabei ist und wer nicht, sorgt in den Tagen und Wochen zuvor für reichlich Rätselraten und Spekulationen in den lokalen Medien und den sozialen Netzwerken.
Jürgen Wiesmann macht dieses Bohai schon solange mit, dass es ihn kaum noch aus der Reserve lockt. „Bescheid weißt du erst, wenn dieser Anruf kommt, alles andere interessiert nicht“, erklärt der 45-Jährige so nüchtern abwägend, wie er es auch hauptberuflich als Opel-Einkäufer sein muss. „Und wenn’s mal nicht klappt, geht die Welt auch nicht unter.“ Aber auch der Rüsselsheimer, der über den Mainzer Carneval-Club (MCC) und die Mainzer Ranzengarde seit Jahrzehnten in der Mainzer Fastnacht verwurzelt ist, muss zugeben: „Zur Fernsehsitzung nominiert zu werden, ist das i-Tüpfelchen auf einer erfolgreichen Kampagne – das ultimative Schulterklopfen.“
Gegenüber den vielen Narren, die in den vergangenen Tagen dem bewussten Anruf entgegenfieberten, genoss Jürgen Wiesmann immerhin einen Vorteil: Er ist auf jeden Fall dabei. Er wird neben Sitzungspräsident Andreas Schmitt im Komitee sitzen, als „Vize“ gewissermaßen, und auch vorübergehend die Moderation übernehmen, wenn dieser sich auf seinen Auftritt als „Obermessdiener“ vorbereitet. Eine Rolle, die ihm als langjährigen Sitzungspräsidenten des MCC leichtfällt.
„Umparken im Kopf“ tut auch der Fastnacht gut
Gemeinsam mit den übrigen Verantwortlichen, die in die Mainzer TV-Fastnacht involviert sind, sieht sich Jürgen Wiesmann als Teil eines Teams – und in der Pflicht, sich Gedanken zu machen, wie die legendäre Fernsehsitzung wieder attraktiver werden kann, damit sie nicht das Schicksal erleidet, das andere TV-Dinosaurier in der jüngsten Vergangenheit widerfuhr. „Nur 5,70 Millionen Zuschauer letztes Mal – da war auch ich sehr enttäuscht“, gibt Jürgen Wiesmann. „Aber wir haben eine gute Sitzung abgeliefert, das hat sich vielleicht rumgesprochen.“
Frische Ideen finden und einbauen, verstärkt auf junge Leute setzen – „Umparken im Kopf“, das tut auch der Mainzer Fastnacht gut. „Zu sagen, wir schneiden die alten Zöpfe einfach alle ab, hilft aber auch nichts, denn ohne die alten Zöpfe wär die Mainzer Fastnacht heute nicht da. Es geht vielmehr darum, die Zöpfe vielleicht ein wenig zu kürzen und mit ein paar frischen Strähnchen zu versehen“, bedient sich der Einkäufer auch mal in den Bilderwelten eines Damenfriseurs.
Der Anruf kam diesmal am Samstag, gegen Mittag: „Du bist dabei“. Damit war klar: Jürgen Wiesmann ist in „Mainz bleibt Mainz“auch in seiner Paraderolle als „Ernst Lustig“ zu sehen.
„Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“
Die Sendung verpasst? Den Auftritt von Jürgen Wiesmann als Ernst Lustig (bei 1:23 Stunden) gibt es in der ARD-Mediathek.
Stand Februar 2015
Bei Opel ist Familie Wiesmann bereits in der dritten Generation am Start, zur Fastnacht ging’s jedoch erst mit Jürgen Wiesmann los. Und das begann eher zufällig. Bei einer Geburtstagsfeier hob er die Stimme zu einem Ständchen. Dem lauschten auch Honoratioren der Mainzer Ranzengarde – und die wollten ihn sofort als Stimmungssänger. 1987 war das.
Wiesmann hat sich mittlerweile auf etlichen närrischen Bühnen einen Namen gemacht, unter anderem beim Club „Schwarze Elf“ in Rüsselsheim und beim Mainzer Carneval-Club (MCC), der mit drei anderen Vereinen auch die jährliche Fernsehsitzung aus Mainz bestückt. Beim MCC schwingt er mittlerweile auch als Sitzungspräsident die Schelle.
Als Vortragskünstler etablierte er die Figur des „Ernst Lustig“, die sich Jahr für Jahr in neuen Rollen behaupten muss – in dieser Saison als angehender Schwiegervater. Eindrucksvoll in Erinnerung geblieben sind seine Auftritte als Stimmungssänger, in denen sich Jürgen Wiesmann stets einfallsreich kostümiert und „überlebensgroß“ präsentierte, etwa als „Vater Rhein“ oder als „Bajazz vom Fastnachtsbrunnen“.