Ein anständiger Kerl vergisst seine Jugendliebe niemals. Auch Klaus Stützel nicht. Er ist gerade mal zwölf Jahre alt, als er sich verliebt. Beim Opel-Händler in Mainz-Kostheim war das. Auf dem Hof steht ein blauer Opel GT. Die „Schlafaugen“, der Doppelauspuff, die eigenwillige Karosserieform, die „Coke-Bottle-Shape“ genannt wird und an die ungleich teurere und protzigere Corvette erinnert. Der junge Klaus Stützel ist hin und weg. Und trägt fortan eine tiefe Sehnsucht nach diesem kleinen Sportwagen im Herzen.
Produktionszahlen
Vom Opel GT wurden von 1968 bis 1973 exakt 103.463 Einheiten gebaut.
Davon wurden 70.222 Einheiten nach Nordamerika exportiert.
GT 1100 (1968-1970)
3.573 Einheiten
GT 1900 (1968-1973)
89.130 Einheiten
GT/J (1971-1973)
10.760 Einheiten
AUCH ANDERE OPEL-KLASSIKER SIND SCHÖN
Nicht, dass er für die Reize anderer unempfänglich wäre. Autos werden seine große Leidenschaft. Er lernt in Wiesbaden-Erbenheim Kfz-Mechaniker. Die Jahre danach arbeitet er zwar nicht durchweg in dem Beruf – unter anderem ist er auch als Lkw-Fahrer unterwegs –, doch wendet er seine Handwerkskunst mit umso größerer Begeisterung in seinem Zuhause im rheinhessischen Wörrstadt an. Er beginnt, Youngtimer wieder flottzumachen, und entdeckt eine besondere Affinität zu Fahrzeugen, die einen Blitz auf der Kühlerhaube tragen. Er schraubt an Manta, C-Kadett und Calibra, hat eine Weile seinen Spaß mit den Klassikern und verkauft sie dann weiter. Aktuell ist sein Fuhrpark vergleichsweise modern aufgestellt. Er besteht aus einem Astra J, einem Astra G und einem Zafira B.
„DEN MUSS ICH HABEN“
Vergangenes Jahr jedoch bricht sich mit einem Schlag die Erinnerung an seine erste große Liebe wieder Bahn. Auf einem Autoverkaufsportal im Internet wird ein Opel GT angeboten. Extrem reparaturbedürftig, doch das befeuert den leidenschaftlichen Schrauber eher, als dass es ihn abschreckt. Sein erster Gedanke: „Den muss ich haben – und geb’ ihn nie wieder her.“
Mit einem zweiachsigen Hänger macht er sich auf den Weg nach Berlin. Der Anblick, der sich ihm dort bietet, hätte weniger euphorische Naturelle wohl deprimiert: Der Verkäufer hat die GT-Überreste, die er dem Interessenten präsentiert, bereits vor 15 Jahren erstanden, ist aber nie dazu gekommen, etwas damit anzufangen. Entsprechend erbarmungswürdig sieht das einstige Designwunder nun aus. Klaus Stützel greift dennoch zu.
SO ORIGINAL WIE MÖGLICH – IN DER FARBE DER LIEBE
Zuhause wird das Wrack erst einmal in seine Einzelteile zerlegt. Und gecheckt, was über Foren wie opel-gt-teile.de neu angeschafft werden muss. Der Klassiker soll so Original wie möglich wieder auferstehen, sogar die roten Cordsitze sind in den Foren zu bekommen, die Ende der 60er-Jahre optional erhältlich waren. In Taunusstein lässt Klaus Stützel alle Blechteile neu lackieren. In Rot. Der Farbe der Liebe.
Anhand der Fahrgestellnummer lässt sich über das rührige GT-Forum sogar feststellen, dass Stützels Neuerwerbung noch aus dem Jahr 1968 stammt, dem Start der Serienfertigung des GT. Sein Wagen war der 140., der vom Band lief. „Und insgesamt wurden 1968 überhaupt nur 530 Stück gebaut“, erzählt Klaus Stützel – eine solche Rarität erfüllt den Besitzer mit besonderem Stolz.
„DER WEHRT SICH, ABER DAS NUTZT IHM NICHTS“
Mittlerweile ist der Teilebestand komplett, jetzt wird geschraubt, was das Zeug hält. Nach Schichtende und am Wochenende widmet sich Klaus Stützel voll und ganz seinem GT. Inzwischen arbeitet er übrigens auch in dem Werk, dessen Produkte ihn zeitlebens so fasziniert haben: Er ist im Werk Rüsselsheim als Staplerfahrer in der Halle K130 unterwegs.
Einfach ist die Heimarbeit nicht. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass der GT sich wehren will. Aber das nützt ihm nichts. Er wird fahren, und zwar bald schon.“ Der Schrauber hat nämlich ein Ziel vor Augen. „Am 14. Mai steht in Bottrop das große Opel GT-Europatreffen an, da will ich mit ihm vorfahren.“
DER GT CONCEPT? „EIN BRETT IST DAS, EIN ECHTES BRETT.“
Die Premiere des neuen GT Concept hat Klaus Stützel ebenfalls mit leuchtenden Augen verfolgt: „Ein Brett ist das, ein echtes Brett…“ Eifersüchtig muss seine alte Liebe jedoch nicht werden. Das Herz des 50-Jährigen wird auch künftig für Klassiker schlagen. „Ich bin halt ein Schrauber der alten Schule. Mit der vielen Elektronik in den Autos von heute kenne ich mich nicht aus“. Klar: Auspuff, Bremsen, Zahnriemen, Kopfdichtung – „das ist mein Metier, aber bei allem anderen wird es ab Baujahr 2009 schwierig.“
Der nächste Coup ist bereits ins Auge gefasst: ein viertüriger B-Kadett soll es werden. Denn vor kurzem haben die Stützels nochmals Nachwuchs bekommen. Die Zwillinge Lukas und Lia-Marie sollen so früh wie möglich für Opel-Klassik begeistert werden. Der GT ist leider nur ein Zweisitzer. Vernachlässigt fühlen wird sich die Jugendliebe aber niemals. Ihr neuer Besitzer hat ihr beispielsweise schon ein komfortables Winterquartier ausgeguckt – eine Garage in Ginsheim-Gustavsburg. Beheizbar versteht sich.
Stand März 2016