„Keiner hat auf
die Uhr geschaut“

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Teil 3: Schichtbeginn

Pfälzer sind keine Männer großer Worte. „Beide Automaten sind ab 10 Uhr gelaufen. Teile sind um 14.15 Uhr okay.“ Diese Eintragung im Schichtbuch vom 15. Dezember 1965 dokumentiert die Produktion der ersten Teile am Opel-Standort Kaiserslautern. Abgezeichnet haben sie Produktionsleiter Egon Steiger und Obermeister Philipp Walther. „Als diese zwei Maschinen in der Automatendreherei anliefen, war das Dach unserer Produktionshalle noch gar nicht fertig“, erinnert sich der damalige Betriebsleiter Heinrich Schmidt zehn Jahre später.

 


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Volles Rohr: 2.200 Mitarbeiter sind ab 1966 in der Opel-Pfalz im Einsatz.

 


Ab dem Jahreswechsel 1965/1966 werden täglich 60 Maschinen aus Rüsselsheim in die Pfalz verlagert. Bis April 1966 sind es bereits 1.028, neu angeschafft wurden 85 Anlagen. Kurz darauf finden auch die Automatenabteilungen mit 327 Spezialmaschinen für die Herstellung von runden Teilen wie Bolzen, Stangen, Stifte, Wellen oder Zahnrädern ihren Platz in der großen Halle. Hinzu kommt eine Härterei zum Veredeln von Stählen. 3.120 Meter lange Förderbänder transportieren das Material von einer Anlage zur nächsten.

DER NACHWUCHS LERNT, KEHRT – UND STAUNT
Die Meister – 84 sind es zunächst – sind auf Fachlehrgängen in Rüsselsheim geschult worden, weitere 320 Mitarbeiter sind ebenfalls am Stammsitz des Unternehmens intensiv mit ihren neuen Aufgaben vertraut gemacht worden. Der Rest der 2.200 Köpfe umfassenden Belegschaft wird vor Ort angelernt. Natürlich läuft da nicht alles vom ersten Tag an rund, da es fast unmöglich ist, die täglich neu hinzukommenden Mitarbeiter sofort voll in einen Unternehmensbetrieb einzubinden, der selbst noch am Entstehen ist.

„Zeitweise waren mehr Jung-Opelaner zum Kehren der Halle eingesetzt als zum Produzieren“, erinnert sich „der erste Mann“ am Standort, Helmut Preis, damals selbst noch Lehrling. Die Meister haben angeordnet, dass sich die Lehrbuben nur an zwei eigens für sie eingerichteten Werkbänken aufzuhalten haben, und wer würde es wagen, sich einem Meister zu widersetzen? Nur die Wege zur Toilette und zum nächsten Cola-Automaten stehen den Jungs offen, der Rest der riesigen Halle ist für sie tabu – doch sie beobachten die Produktionsabläufe unentwegt mit staunenden Augen.

Schmidt und Walther

20 Jahre danach: Philipp Walther (r.) und Heinrich Schmidt mit dem Schichtbuch, das die Produktion des ersten Bauteils dokumentiert, das in Kaiserslautern gefertigt wurde.

 

 

 


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1967: Die Lehrwerkstatt am Standort wird eröffnet. In der Mitte der hinteren Reihe ist der junge Helmut Preis zu sehen, der „erste Mann“ am Standort.

 


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Früh übt sich: In der Lehrwerkstatt stehen den Azubis 36 Werkzeugmaschinen zur Verfügung.

 

LEHRWERKSTATT BIETET PLATZ FÜR 100 AZUBIS
In dem Monat, in dem am Standort offiziell Eröffnung gefeiert wird – am 3. Juni 1966 –, werden bereits 5.600 Tonnen Material „verschafft“. Gelenkwellen, Kupplungen, Lenkgetriebe und Automatenteile verlassen täglich den Produktionsort in Richtung Rüsselsheim und Bochum. 1967 nimmt die Stoßdämpferfertigung ihren Betrieb auf. Somit kommen von nun an auch die Teleskop-Stoßstangen für die gesamte Personen-, Liefer- und Lastwagen-Produktion des Unternehmens aus Kaiserslautern.

Im August wird die Lehrwerkstatt neben dem K1 eingeweiht. 51 Lehrlinge treten ihre Berufsausbildung an, lassen sich zu Maschinenschlossern, Werkzeugmachern, Modelltischlern, Betriebsschlossern, Universalschleifern, Feinblechnern, Bohrwerksdrehern, Drehern und Fahrzeugpolsterern ausbilden. Insgesamt bietet der 1.400 Quadratmeter große Bau Ausbildungsmöglichkeiten für 100 Auszubildende, 36 Werkzeugmaschinen stehen bereit.

 


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Alles auf Anfang: Ab sofort fertigt die Pfalz auch Teleskop-Stoßdämpfer für die gesamte Opel-Fahrzeugpalette.

 


OPEL MACHT WURST – UND EIN
MALER KARRIERE IM BETRIEBSRAT
Im gleichen Jahr startet auch das Vorschlagswesen in Kaiserslautern. Interessant, über was sich die Belegschaft so ihre Gedanken macht. Anton Kraus beispielsweise, Schichtführer und Küchenmetzger in der Werks-Großküche, hat die Idee, den gesamten Bedarf an Wurst – das sind rund 500 Kilo im Monat – in Eigenproduktion herzustellen. Das rechnet sich, wie sich herausstellt. Also erhält Anton Kraus 900 Mark Prämie für die Idee, und Opel produziert in der Pfalz in den nächsten Jahren auch Wurst.

Der erste Betriebsrat ist noch 1966 gewählt worden, Paul Schleicher heißt dessen erster Vorsitzender. Auch er hat erst einige Monate zuvor das erste Mal den Standort betreten – als Maler im Dienste einer Auftragsfirma. Mit seiner Truppe strich er das Verwaltungsgebäude K2. Den Opel-Chefs fiel jedoch auf, dass Schleichers Mannschaft auffallend flott und gut organisiert arbeitete. Also holte man ihn kurzerhand in die eigenen Reihen. Schleicher wird Inspektor in der Gelenkwellenfertigung, als Betriebsratsvorsitzender fungiert er zunächst nur zwei Jahre. Um den Wahlrhythmus den übrigen Opel-Standorten anzugleichen, werden bereits 1968 Neuwahlen anberaumt. Danach übernimmt Dieter Krüger für acht Jahre den Vorsitz in der Arbeitnehmervertretung, anschließend Karl Guthy für sechs Jahre. Paul Schleicher ist derweil weiter als Vertrauensmann und Betriebsratsmitglied aktiv. Ab 1982 bestimmt er erneut den Kurs der Opel-Pfalz als Betriebsratsvorsitzender mit – diesmal für 16 Jahre.

 

COMPUTER? EIN ECHTER BAUMEISTER
HAT LIEBER EIN BRETT VORM KOPF
Paul Schleicher ist nicht der einzige, der am Standort eine ganz andere Bestimmung findet als die, für die er sich zunächst vorgesehen glaubte. Karl-Heinz Pfiffi zum Beispiel ist eigentlich als Werkzeugmacher eingestellt worden, den Beruf hat er in Rüsselsheim erlernt. Doch in den Pioniertagen fehlt es immer wieder auch mal an Fachkräften mit anderen Qualifikationen. 1968 wird kurzfristig ein Konstrukteur gesucht. Ein Vorgesetzter entdeckt, dass der Werkzeugmacher Pfiffi recht passabel zeichnen kann – und prompt wird der junge Mann aus Horbach „umgeschult“. Und die Spontan- wird zur Dauerlösung. Karl-Heinz Pfiffi bleibt auch den Rest seines Berufslebens Anlagenkonstrukteur. Etliche Anlagen und Vorrichtungen der Opel-Pfalz entstehen auf seinem Reißbrett. Doch ist er nicht nur ein Mann für „große Lösungen“.

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Aus der Luft: Das Lauterer Opel-Werk im Jahr 1968.

 

Stets hat er auch für Meister und Abschnittsleiter ein offenes Ohr, die eine schnelle und praktikable Idee für ein technisches Detail wie einen Verschlussstöpsel brauchen.

Später arbeiten auch „studierte“ Konstrukteure mit ihm im „Product- und Project Engineering“, doch der „Quereinsteiger“ ist und bleibt stets voll akzeptiert. Nur zu Kollege Computer, der mit den Jahren auch in seinem Ressort zusehends unverzichtbarer wird, bewahrt sich Karl-Heinz Pfiffi stets Distanz: „Der kann ein nettes Hilfsmittel sein, aber kreativ sein muss man schon selber.“ Sein Credo formuliert der Lauterer „Baumeister“ stets schmunzelnd: „Ich hab gern ein Brett vorm Kopf.“ Gemeint ist natürlich sein Reißbrett.

 

FÜR HEINRICH SCHMIDT IST ES
MENTALITÄTSSACHE, PFÄLZER ZU SEIN
Den Pioniergeist dieser Gründergeneration haben viele geweckt. Eine der markantesten Persönlichkeiten ist Heinrich Schmidt geblieben. „Damals hat keiner von uns auf die Uhr geschaut,“ erinnert sich der damalige Betriebsleiter und spätere Fertigungskoordinator anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Opel-Pfalz im Jahr 1976. Führungskräfte wie Schmidt sorgen jedoch auch dafür, dass die Geselligkeit nicht zu kurz kommt, organisieren Stammtische, Weihnachtsfeiern und Tanzabende: „Wir wollten auch die Frauen teilhaben lassen, denn wir haben von ihren Männern einiges verlangt.“ Dass der Rüsselsheimer in der Region schnell heimisch wurde, lag nicht zuletzt daran, dass er sich mit der Mentalität der Bevölkerung voll identifizieren konnte: „Man kann den Pfälzern alles abnehmen, nur nicht ihre Arbeit.“

 


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Läuft alles nach Plan: Der Grundriss des Standorts in den Gründerjahren.

 


Mathematik unter Werkspionieren

von Werner Elsner


Werner Elsner war einer der ersten Kolonnenführer im Maschinenpark des K1. 2005 erinnerte er sich in der Opel-Mitarbeiterzeitung „KL aktuell“ an diese Episode.

Ende der 60er Jahre war Drehen, Fräsen und Schleifen unser täglich Brot im K1. Mir oblag es, Reparaturarbeiten in Empfang zu nehmen und an die dafür zuständigen Mitarbeiter weiter zu leiten.

Damals suchten – und fanden – auch viele Mitarbeiter einen Arbeitsplatz bei Opel, die keinen Metallberuf erlernt hatten. Sie wurden nicht nur für die Produktion, sondern auch in der Reparaturabteilung eingesetzt.

Und die bekam auch bald gut zu tun, schließlich verfügte das neue Werk ja nicht über einen durchweg nagelneuen

Maschinenpark: Zum Produktionsbeginn 1965 war auch eine große Anzahl bereits betagterer Maschinen aus Rüsselsheim nach Kaiserslautern verlagert worden, daher waren die ersten Reparaturen schnell abzusehen.

Zeichnungen von Ersatzteilen gab es nicht. Also wurden an Hand von Skizzen oder Mustern Ersatzteile angefertigt. Bei denen mussten natürlich die Maße exakt stimmen. Für viele neue Mitarbeiter jedoch waren Arbeiten an und mit millimetergenauen Passungen „böhmische Dörfer.“

Einmal musste ich eine neu gefertigte Welle nachschleifen. Nach meiner Frage nach dem Maß, ob zwei oder drei Hundertstel abgeschliffen werden sollen, antwortete mein Gegenüber ganz entrüstet: „Um Gottes Willen nicht so viel, allerhöchstens ein Zehntel.“

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Text: Eric Scherer, Fotos: Opel Archiv