Die vierte industrielle Revolution versteckt sich hinter der metallischen Fassade des drei Mal drei Meter großen Gehäuses. Denn die mit modernster Informations- und Kommunikationstechnologie ausgestattete Produktion, in der Menschen und Maschinen – weltweit vernetzt – zusammenarbeiten, ist längst nicht mehr nur Vision, sondern in einigen Unternehmensbereichen von Opel bereits Wirklichkeit geworden, aktuell im Strukturentwicklungslabor (SDL) Chassis des Internationalen Technischen Entwicklungszentrums (ITEZ). In dem Gehäuse verbirgt sich ein neuer Prüfstand für Bremsgeräusche; er eröffnet den Ingenieuren im ITEZ-Direktionsbereich Vehicle Integration bislang ungekannte Möglichkeiten. Und erfüllt alle Voraussetzungen der „Industrie 4.0“.
„Wir sind nun erstmals in der Lage, Bremsgeräusche an den entsprechenden Komponenten reproduzierbar zu erzeugen und objektiv zu analysieren, ohne dazu ein komplettes Fahrzeug zu benötigen“, erklärt Projektleiter Robert Thomas Bender. „Gleichzeitig können wir in der Prüfkammer sämtliche Klima- und Temperaturprofile nachempfinden, die es auf der Welt gibt.“ Im Klartext: Bremsscheiben, Radlager oder andere Elemente einer Bremsanlage werden auf bis zu 2.200 Umdrehungen pro Minute beschleunigt und gebremst, Mikrofone, Laser und Sensoren zeichnen die dabei entstehenden akustischen Schwingungen auf – und das bei Temperaturen zwischen minus 30 und plus 50 Grad sowie Luftfeuchtigkeitswerten zwischen fünf und 95 Prozent.
Kürzere Entwicklungszeiten
„Früher haben wir bei Opel die Bremsengeräuschentwicklung ausschließlich durch ausführliche Tests mit Fahrzeug-Prototypen durchgeführt, um vergleichbar zuverlässige Ergebnisse zu erhalten“, erklärt Laborleiter Klaus Osterhage. Doch Prototypen sind bekanntlich teuer, gleichzeitig werden die Entwicklungszeiten, die der Markt fordert, immer kürzer.
Der neue Prüfstand trägt somit zu einer schnelleren und kostengünstigeren Fahrzeugentwicklung bei. „Wir können auch noch in der Entwicklung befindliche Muster prüfen, um herauszufinden, wo und inwieweit diese noch weiter optimiert werden können“, ergänzt Testingenieur Philipp Penther. Auch das war früher wesentlich aufwendiger.
„URMETER“ steht in NORDAMERIKA
Das aber sind nicht die einzigen Schritte in die Zukunft, die die neue Anlage markiert. Sie arbeitet obendrein genau wie der GM-Prüfstand in Nordamerika, der im Unternehmen gewissermaßen als „Urmeter“ für Bremsgeräuschanalysen festgelegt ist. „Dadurch können unsere Ergebnisse weltweit akzeptiert werden – und Kollegen in aller Welt können auf sie zurückgreifen“, erklärt Bremsenentwickler Thomas Neff.
Die einzelnen Versuchsabläufe sind ebenfalls in für die gesamte GM-Welt gültigen Prüfvorschriften festgeschrieben. Natürlich gibt es einige davon, und für jede einzelne, die deckungsgleich mit dem „Urmeter“ ausgeführt worden ist, wird ein eigenes Zertifikat ausgestellt. Daher wundert es nicht, dass in dem neu gestalteten Bereich auch eine Wand für Urkunden vorgesehen ist – „und die wird bis Jahresende bereits gut gefüllt sein“, ist sich Robert Thomas Bender sicher.
Doch bei aller globalen Vernetzung: „Wir freuen uns, dass wir den Prüfstand gemeinsam mit der Firma Horiba entwickeln konnten, die in Darmstadt ansässig ist, nur 25 Kilometer von Rüsselsheim entfernt.“ Denn ein persönlicher Gedankenaustausch ist auch in der „Industrie 4.0“ noch was wert.
Das gilt auch für die Planung künftiger Projekte. „Als nächstes planen wir einen Prüfstand der nächsten Generation, um die Leistung unserer Bremsen zu überprüfen“, kündigt Klaus Osterhage an. Jede Menge Hightech also, das die Entwicklungszeiten weiter verkürzen wird.
Stand Oktober 2016