Die Vorgeschichte: Kurt Matyas/Universitätsprofessor am Institut für Managementwissenschaften der Technischen Universität/TU Wien und Spezialist für Instandhaltungsfragen und Productive Maintenance wandte sich im Frühjahr 2014 an den damaligen Opel Wien-Generaldirektor, Michael Lewald, mit dem Vorschlag gemeinsam ein Industrie 4.0-Projekt zu starten. Der Titel des Projekts sollte sein: Instandhaltung 4.0.
Die Rolle, die Opel Wien dabei spielen sollte: Das Werk sollte die echten Daten liefern, mit deren Hilfe bisher nur wenig faktisch untermauerte Hypothesen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden sollten. So die Hoffnung der Wissenschaftler und aller anderen Teilnehmer des Projekts. Neben Vertretern der TU Wien waren das Vertreter des Fraunhofer-Instituts an der Montanuniversität Leoben und die Pimpel GmbH, ein Spezialunternehmen für Fertigungstechnologien in Göttlesbrunn/Niederösterreich. Für fünf der insgesamt neun Arbeitspakete des Projekts sollte Opel Wien Daten liefern.
Daten-Ordnung
Bis Juni 2016 dauerten die Vorbereitungen: Instandhaltungs-Manager Andreas Paar und Martin Stacher/Maintenance Specialist wählten zwei geeignete Anlagen aus, die als Datenlieferanten dienen sollten: Zwei Anlagen der M3x-Gehäusefertigung, die in einer Reihe mit 66 baugleichen Maschinen stehen. Es sollte ja möglich sein allenfalls noch weitere Referenzdaten von bau- und verwendungsgleichen Anlagen heranzuziehen. Die eine Testanlage dient für die Fertigung von Getriebegehäusen, die andere für die Fertigung von Kupplungsgehäusen.
Dann wurden von den Testanlagen historische Daten zusammengetragen; zurück bis ins Jahr 2012. Außerdem wurden laufend die Daten der Test-Anlagen in detaillierter Form erfasst. Der nächste Schritt: Datenstrukturen wurden definiert. Unter dem Motto: Welche Daten benötigen wir für unser Projekt? Welche sind vernachlässigbar?
Parallel dazu entwickelten die Wissenschaftler anhand der Daten mathematische Ableitungen und die Techniker der Pimpel GmbH. erstellten Maschinen-Simulationen.
Das Ohr an der Maschine
Im Juni 2016 wurde begonnen den Leitstand anhand des mathematischen Regelwerks zu programmieren und die historischen Daten der Testmaschinen in die Leitstände hinein geladen. Ab dann filterten die Leitstände aus alten und neuen Daten Empfehlungen heraus. Zum Beispiel: „Bitte Motorspindel prüfen!“
Der Beginn der Rechenarbeit der Leitstände markierte den eigentlichen Beginn des Projekts „Instandhaltung 4.0“. Das als lernendes Projekt angelegt war: Jede neue Erkenntnis wurde ergänzend in die Leitstände dazu programmiert. Die Techniker des Fraunhofer-Instituts hatten dabei die Aufgabe, allfällige Daten-Relationen via Datamining aufzuspüren.
Es funktioniert!
Der allerletzte Schritt des Projekts: Alle Daten wurden untereinander verglichen, also validiert. Das Ergebnis: Die Idee, die hinter dem Projekt stand – also die Frage „Lassen sich verschiedene Echtdaten rechnerisch so verknüpfen, dass daraus sinnvolle Empfehlungen für die Instandhaltung abgeleitet werden können?“ – wurde bestätigt.
Am 28. Juni 2017 fand die feierliche Abschlusspräsentation des Projekts in der Pilotfabrik der TU Wien in der Seestadt Aspern statt.
Zukunftsausblick
„Am Anfang stand eine Vision. Deren Funktionsfähigkeit haben wir in diesem Projekt bewiesen. Damit haben wir jetzt ein Konzept, aus dem in weiterer Zukunft Produkte heranwachsen können“, sagt Martin Stacher. Und verweist auf ähnliche, bereits in Opel-Zusammenbauwerken verwendete Diagnose-Systeme. Da senden Roboter die eigenen Messdaten über eine Cloud an eine Applikation bei der Herstellerfirma. Diese leitet aus den Daten automatisch Empfehlungen ab und sendet sie wiederum an die verantwortlichen Instandhaltungsteams. Vor Ort gibt es dadurch stets proaktive Empfehlungen, um mögliche Anlagenausfälle zu verhindern.
„Bei Vibrationsanalysen müssten solche Systeme auch möglich sein“, meint Stacher. „Mit Online-Sensoren an den Maschinen, die ständig den Zustand der kritischen Bauteile überwachen.“
„Das Projekt hat uns viele Lerneffekte gebracht“, fasst Instandhaltungsmanager Andreas Paar zusammen. „Für künftige Anlagen werden wir die Erkenntnisse auf jeden Fall nützen. Tatsache ist: Wir nützen die vorhandenen Daten heute noch viel zu wenig.“
Industrie 4.0-Projekt
Der Begriff „Industrie 4.0“ geht auf ein gleichnamiges Projekt der deutschen Bundesregierung zurück. Ziel ist die industrielle Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik zu verzahnen. Dabei sollen alle Phasen des Lebenszyklus eines Produktes mit eingeschlossen werden – von der Idee eines Produkts über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling.
Titel des Projekts: Instandhaltung 4.0. Sicherung der Produktqualität und Anlagenverfügbarkeit durch einen echtzeitbasierten Instandhaltungs-Leitstand
Die Arbeitspakete:
– Projektmanagement
– Entwicklung Methodik zur Beschreibung der Instandhaltungs-relevanten Anlagenstrukturen
– Untersuchung Verschleißteil-Effekte auf Basis von praxisrelevanten Daten
– Untersuchung, welche Daten für die Verschleißteile-Entwicklung aussagekräftig sind
– Entwicklung eines Simulators
– Datenaufnahme, Lastkollektive, Qualität, Prozessdaten, Daten-Aufbereitung und –Verdichtung
– Einsatz von Datenanalysemethoden
– Untersuchen von Zusammenhängen zwischen Maschinennutzung und Ausfallmustern
– Entwicklung Instandhaltungsstrategien und Reaktionsmodelle in Form von Prozessmodellen
– Entwickeln eines Leitstandes anhand der Reaktionsmodelle, Testbetrieb und Validieren der Daten
Die Mitglieder des Projektteams:
TU Wien: Robert Glawar (Projektleitung), Tanja Nemeth (Projektleitung), Klaudia Kovacs (Projektassistenz)
Institut für Fertigungstechnik/IFT: Christoph Habersohn (Simulation)
Fraunhofer-Institut an der Montanuniversität Leoben: Robert Bernerstätter (Datenaufbereitung)
Opel Wien: Andreas Paar, Martin Stacher, Markus Schreiber (Datenbereitstellung)
Pimpel GmbH: Friedrich Pimpel/Eigentümer