Sönke Ohls ist sich sicher: „Jungen Menschen fehlt es nicht an Begeisterung für Technik, sondern an Erwachsenen, die ihnen zeigen wie man diese im Berufsleben einsetzen kann.“ Daher engagiert er sich ehrenamtlich im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Im Bezirksverein Frankfurt-Darmstadt leitet er den Arbeitskreis „Jugend & Technik.“ Im Werk Rüsselsheim ist der Maschinenbau-Ingenieur verantwortlich für die Anlieferungsqualität der elektrischen Bauteile. Jüngst fand das 11. VDI Schülerforum statt, ein Wettbewerb, bei dem Schüler der 8. bis 13. Klasse ihr Können in punkto Naturwissenschaft und Technik vor einer Jury und 450 Zuschauern unter Beweis stellen. Er wird gemeinsam mit der Fachhochschule (FH) Frankfurt veranstaltet. Bereits zum vierten Mal war der 36-Jährige als Arbeitskreisleiter im Organisationskomitee federführend – einmal mehr begeistert von der Kreativität der Schüler.
VOM ANWENDER ZUM ENTWICKLER
Der jüngste Teilnehmer beispielsweise, Heiko Steiger, besucht erst die sechste Klasse des Gymnasiums Michelstadt – und verblüffte die Jury mit dem Eigenbau einer Nebelmaschine. „Motiviert“ worden war er übrigens durch das Verbot seiner Mutter, ein solches Gerät zu kaufen. „In der Jury zeigt sich die wirtschaftliche Bedeutung von Opel in der Region“, erklärt Sönke Ohls. Drei der zwölf Juroren – Volker Dastis, Jörg Hedrich und Bernhard Noodt – sind Opelingenieure, mit John-Erik Daute stellte sich ein weiterer als Moderator zur Verfügung. Preisrichter Dr. Stefan Dominico war Ingenieur bei Opel, bevor er Professor an der FH Frankfurt wurde.
Auch Opel-Lieferanten engagieren sich. „Wir arbeiten an unserem Standort in Rüsselsheim fast ausschließlich für Opel“, erklärt etwa Katja Musiol von der RLE Rhein-Main GmbH – beim VDI-Schülerforum moderierte sie in einem der vier Hörsäle, in denen die Schüler ihre technischen Projekte präsentierten. Zwei andere Schüler präsentierten ihren Prototypen einer Matratze für Frühgeborene. Eine junge Gymnasiastin hatte den Prototypen eines Rollators konstruiert, der alten Menschen erlaubt, Treppen und Bordsteinkanten mit geringem Kraftaufwand zu überwinden. „Hightech als Unterstützung im gesamten Leben ist für Jugendliche mittlerweile normal“, fasst Sönke Ohls zusammen. „Es braucht jedoch Vorbilder, die ihnen den Weg vom Anwender zum Entwickler aufzeigen.“
„ICH WOLLTE ETWAS ZURÜCKGEBEN“
Auch Sönke Ohls brauchte erst die richtige Inspiration, um sich für ein technisches Studium zu entscheiden. Für die Initialzündung sorgte ein Professor für Fahrzeugtechnik. „Er hielt einen Vortrag in unserem Gymnasium.“ Wie viele seiner Klassenkameraden wusste Herr Ohls in der 12. Klasse nicht, welchen Beruf er ergreifen soll. „In Autos war ich allerdings schon immer vernarrt. Heute erscheint es komisch, aber damals war mir nicht bewusst, dass man Fahrzeugtechnik studieren und sich mit einem Diplom wunderbare Türen aufschließen kann“, erinnert sich Ohls. Er studierte an der FH Frankfurt und startete bei Opel in der Motorsteuergeräteentwicklung. Mit etwas Berufserfahrung fasste er den Entschluss, seinen ehemaligen Physiklehrer zu fragen, ob er nicht auch einmal im Unterricht ein wenig aus seiner Praxis erzählen solle, so ähnlich wie der Professor damals: „Ich wollte einfach etwas zurückgeben“. Der Lehrer reagierte hocherfreut – und nicht nur seiner aktuellen Physikklasse, sondern auch dem ehemaligen Lehrer machte die Stunde ungeheuren Spaß.
„LEHRER VERMITTELN WISSEN, WIR BERICHTEN AUS DER PRAXIS“
Damit war der Grundstein gelegt. Sönke Ohls wollte weiter in dieser Richtung aktiv sein. Sein Vater traf kurz darauf Willi Fuchs, den langjährigen Direktor des VDI. Er berichtete vom Engagement seines Sohnes. „Genau solche Leute brauchen wir!“, erklärte Fuchs und vermittelte den Kontakt zum Bezirksverein. In Schulklassen referiert Herr Ohls nach wie vor gerne: „Ich berichte aus meinem Berufsalltag und der Tätigkeit eines Ingenieurs, die mir viel Spaß macht. Vielleicht springt der Funke über.“ Die wenigsten Schüler wissen, was ein Ingenieur macht und welche Schritte erforderlich sind, um Ingenieur zu werden. An Gymnasien referiert er oft in Englisch: „So kann jeder Schüler selbst feststellen, wie weit sein Schul- von meinem Berufs-Englisch entfernt ist.“
QS-ARBEIT ALS DETEKTIVARBEIT
Ein weiteres Angebot ist der kostenlose Verleih von „Fischertechnik“ an Grundschulen. „Es geht darum, keine Distanz zur Technik entstehen zu lassen“, erklärt Sönke Ohls. Der Lohn fürs Ehrenamt ist der Besuch in den Schulen. Schüler wie Lehrer sind stets begeistert. „Das hätte ich mit Tafelbildern nie erreicht“, sagt etwa Sabine Döring, Rektorin der Carl-Orff-Schule in Rodgau-Jügesheim. Neben dem Lesen von Bauanleitungen und Technikverständnis wird im Umgang mit Fischertechnik auch das für Ingenieure so wichtige Teamwork geübt. Dieses ist auch in der Qualitätssicherung des Werks Rüsselsheim gefragt. Die Gruppe von Sönke Ohls untersucht mögliche Fehler an angelieferten Bauteilen. Dies erfordert oft Detektivarbeit in der gesamten Lieferkette. Ziel ist stets, dafür zu sorgen, dass ein Fehler sich nicht wiederholt. Dafür muss die wahre Ursache gefunden und ein Prozess dagegen etabliert werden. Auch die Grundschüler arbeiten bisweilen schon so, wenn auch unbewusst. Oft finden wir kleine Zusatzzeichnungen oder Hinweise der Schüler in den Bauanleitungen“, so Sönke Ohls. „Eine Hilfestellung für die nächste Klasse, die mit den Bausätzen arbeitet.“
Das Engagement von Opel-Mitarbeitern beim VDI hat lange Tradition. So ist beispielsweise Freigabeingenieur Sven Freitag Vorsitzender des Rheingau-Bezirksvereins, der mit den Frankfurtern zusammen den „Großen Bahnhof für Technik“ veranstaltet hat. Opel engagierte sich ebenfalls.
Die Zahlen aus dem jüngsten Quartalsbericht des VDI zeigen, der Fachkräftemangel ist real. Gegenwärtig sind in Deutschland fast 60.000 Ingenieursstellen zu besetzen. Nicht einmal 30.000 suchen derzeit eine Beschäftigung in einem Ingenieursberuf. Somit kommen auf jeden qualifizierten Arbeitslosen zwei offene Stellen.
Nachwuchsförderung ist zu einem der wichtigsten Anliegen des VDI geworden. „Die starke Position Deutschlands als Industrienation gründet auf Ingenieursleistungen der weltmarkführenden Mittelständler“, erklärt Sönke Ohls. „Sie sind ein wichtiger Grund, warum unser Land besser als viele andere die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre gemeistert hat.“ Die Automobilindustrie spielt als Kunde dieser Mittelständler eine ebenso große Rolle.
Mit insgesamt 152.000 Mitgliedern ist der VDI die größte Interessensvertretung von Ingenieuren in Deutschland. Dem Bezirksverein Frankfurt-Darmstadt gehören rund 6000 Mitglieder an. Der Anteil an Opel-Beschäftigten lässt sich der Geschäftsstelle zufolge nicht verlässlich ermitteln, doch dürften sie die größte Gruppe bilden. Rüsselsheim gehört zum VDI Rheingau-Bezirksverein, der etwa 2400 Mitglieder hat. Opel ist seit nunmehr 62 Jahren Fördermitglied im VDI. Über ihn können können Opel-Ingenieure frühzeitig Kontakte zum Nachwuchs knüpfen – was sich im Ringen um die besten Absolventen zum Vorteil werden kann.