Opel Post: Herr Lohscheller, ein halbes Jahr liegt jetzt unser Turnaround-Plan PACE! vor. Wie klappt es mit der Umsetzung?
Michael Lohscheller: Wir kommen gut voran. Wir fahren ein hohes Tempo. Schon 100 Tage nach dem Unternehmenszusammenschluss, am 9. November letzten Jahres, haben wir PACE! vorgestellt. Und dann ging es sofort an die Implementierung. Die drei wichtigsten Ziele sind klar: Opel wird profitabel, elektrisch und global.
Opel Post: Ein wichtiger Aspekt war von Anfang an, die Konkurrenzfähigkeit der Werke europaweit deutlich zu verbessern. Wo stehen wir hier?
Lohscheller: In kurzer Zeit haben wir die Grundvoraussetzung für die Zukunft der meisten Standorte geschaffen: Wettbewerbsfähigkeit. So können wir Produkte zusagen und investieren. Von 2019 an werden wir im polnischen Tychy und im ungarischen Szentgotthárd die vielfach ausgezeichneten Dreizylinder-Turbo-Benzinmotoren „PureTech“ fertigen. Der Bau von neuen Benzinmotoren in unseren Werken spiegelt auch die Veränderung im Kundenverhalten weg vom Diesel hin zum Benziner wider. In Aspern bei Wien investieren wir, um dort größere Stückzahlen des MB6-Sechsgang-Schaltgetriebes herzustellen.
Die Fertigung des neuen Corsa konnten wir dank einer sozialen Rahmenvereinbarung und der damit verbesserten Leistungsfähigkeit des Werkes in unser spanisches Werk Saragossa vergeben. Hier wird ab 2020 zusätzlich der Elektro-Corsa vom Band laufen. Damit ist es das erste unserer Werke, das einen rein elektrischen Opel in Europa fertigt.
Auch in unseren britischen Standorten Ellesmere Port und Luton haben wir uns mit allen Beteiligten verständigt. Wir werden in Luton künftig leichte Nutzfahrzeuge auf der EMP2-Plattform der Groupe PSA bauen. Das heißt, wir werden Peugeot- und Citroën-Modelle Seite an Seite mit Fahrzeugen von Opel und Vauxhall fertigen. Das ist ein Meilenstein für die Zukunft des Werkes und eine entscheidende Voraussetzung, um unsere großen Ziele in diesem wichtigen Fahrzeugsegment zu erreichen – ein Segment, in dem die Groupe PSA europaweit führend ist.
Diese Entscheidungen zeigen deutlich, dass unser PACE!-Plan überall in Europa umgesetzt wird. Es ist auch eine klare Anerkennung für unsere qualifizierten Mitarbeiter.
„Wir haben in kurzer Zeit die Grundvoraussetzung für die Zukunft der meisten Standorte geschaffen: Wettbewerbsfähigkeit.“
Opel Post: Gilt dies etwa nicht für unsere deutschen Standorte?
Lohscheller: Wir sind eine deutsche Traditionsmarke. Deutschland ist und bleibt unser Rückgrat. Wir beschäftigen mehr als die Hälfte unserer europäischen Belegschaft in unserem Heimatland. Wir wollen natürlich auch in Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim investieren und halten die Tarifverträge in allen Produktionswerken ein.
Opel Post: Wie sehen die Pläne für Eisenach aus?
Lohscheller: Der Plan für das Werk in Eisenach sieht vor, bereits im kommenden Jahr ein SUV zu produzieren. Ab 2020 könnte eine zweite Variante – ein Hybrid-Modell – in Eisenach folgen. Leider konnte die Investition bislang nicht freigegeben werden, weil wir die notwendigen Bedingungen für Wettbewerbsfähigkeit nicht erreicht haben. Je schneller wir eine Einigung für Eisenach und für alle Standorte erreichen, umso besser.
Opel Post: Was steht in Kaiserslautern und Rüsselsheim an?
Lohscheller: Auch für das Werk Kaiserslautern bieten wir Projekte und eine Auslastung an, die über die Laufzeit des geltenden Tarifvertrags hinausgehen. In Rüsselsheim sieht der Plan vor, ein Fahrzeug im D‑Segment auf Basis der EMP2-Plattform der Groupe PSA zu produzieren.
Opel Post: Wie geht es mit unserem vierten deutschen Standort weiter, dem Warenverteilzentrum in Bochum?
Lohscheller: Wir halten uns auch in Bochum an die geltenden Tarifverträge. Das Bochumer Warenverteilzentrum wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle in unserem europäischen Verbund spielen. Natürlich müssen wir auch in Bochum unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
Opel Post: Stehen bei PACE! also vornehmlich die Standorte im Fokus, wenn es um eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit geht?
Lohscheller: Natürlich sind die Werke sehr wichtig, aber PACE! ist sehr viel umfassender. Wir drehen jeden Stein um. Es gibt vielfältige Lösungsansätze. Komplexität und Kosten runter, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit steigern – das ist die Devise. Bitte bedenken Sie dabei immer – unser Unternehmen schreibt seit fast 20 Jahren rote Zahlen! Der Status Quo ist unser größter Gegner. Wir müssen uns neu und wetterfest aufstellen. Also haben wir bei PACE! – was ja Geschwindigkeit bedeutet – von Anfang an Vollgas gegeben!
Opel Post: Sind Sie dabei vielleicht auch einmal über das Ziel hinausgeschossen, wie etwa bei den Abfindungsangeboten, gegen die sich der Betriebsrat zuletzt ausgesprochen hat?
Lohscheller: Dazu konnten wir in der vergangenen Woche eine Übereinkunft erzielen. Ich zitiere hier einmal den genauen Wortlaut: ‚Der Arbeitgeber verpflichtet sich darin, bis mindestens zum Abschluss der nächsten Sitzung der Einigungsstelle am 28./29. Mai keine Aufhebungsvereinbarung mit Arbeitnehmern abzuschließen oder zuzusagen oder die Unterschriften von Arbeitnehmern zu solchen Aufhebungsverträgen einzuholen oder Sozialplan-Abfindungen auf Eigenkündigungen von Arbeitnehmern anzubieten. Der Gesamtbetriebsrat stimmt den bereits jetzt vorliegenden Aufhebungsverträgen mit Freistellungs-/Ausscheidungsdatum bis einschließlich zum 31.5.2018 zu.‘
Mit diesem Zwischenschritt können wir die Bereitschaft der rund 400 Mitarbeiter respektieren, die sich für eine Karrierechance außerhalb von Opel entschieden haben. Für diejenigen, deren freiwilliges Austrittsdatum nach dem 31. Mai liegt, werden wir in der nächsten Sitzung der Einigungsstelle gute Lösungen im Interesse des Mitarbeiters und des Unternehmens finden.
Alle interessierten Mitarbeiter können sich weiterhin für Beratungen zum Freiwilligenprogramm an die Personalabteilung wenden. Die Speed-Prämie läuft wie angekündigt weiter bis zum 21. Mai. Selbstverständlich haben auch die beiden Programme zu Altersteilzeit und Senior Leave weiterhin unverändert Gültigkeit.
„Wir haben unsere Fixkosten über alle Bereiche hinweg bereits um
17 Prozent verringert.“
„Wir folgen jetzt konsequent dem Grundsatz, dass wir nur noch Geschäfte machen, die sich auch wirklich lohnen.“
Opel Post: Was bewegt PACE! in den anderen Funktionsbereichen?
Lohscheller: Im Einkauf haben wir uns im Konzernverbund grundsätzlich neu aufgestellt, um Skaleneffekte zusammen mit den übrigen Marken der Groupe PSA zu erzielen – hier gibt es ein gewaltiges Potential.
Dabei geht es nicht nur um die Fahrzeuge. Allein durch den gemeinsamen Einkauf von Werbezeiten konnten wir die Effizienz unserer Marketingausgaben im Wert von 20 Millionen Euro verbessern. In jedem Bereich schauen wir uns die Fixkosten an, da haben wir über alle Bereiche schon 17 Prozent eingespart. Und wir machen auch bei den Führungskräften nicht halt: Die Zahl der Führungspositionen wurde bereits um rund 25 Prozent reduziert. Man sieht auf allen Ebenen: Der Plan funktioniert.
Opel Post: Bei all diesen Maßnahmen handelt es sich lediglich um Einsparungen. Sieht so eine strategische Planung für eine nachhaltige Zukunft aus?
Lohscheller: PACE! ist der mit Abstand visionärste Plan für Opel seit einer gefühlten Ewigkeit! Nehmen wir das Thema CO2 und die für 2020 von der EU vorgeschriebenen niedrigen Flottenverbräuche. Unter GM hätten wir hier enorme Strafzahlungen leisten müssen, da wir einfach nicht CO2-ready waren! Jetzt innerhalb der Groupe PSA werden wir diese Vorgaben für niedrige CO2-Emissionen erfüllen. Wir werden innerhalb jeder neuen Baureihe eine elektrifizierte Version anbieten. Opel wird elektrisch – dank PACE!. Los geht’s mit dem rein elektrischen neuen Corsa und dem Plug-in-Hybriden Grandland X.
Außerdem setzt PACE! unsere laufende Modelloffensive fort. Ich habe bereits den neuen Corsa genannt, der unser Geschäft im Kleinwagensegment beleben wird. Darüber hinaus haben wir weitere wichtige Neuheiten in der Pipeline: Das nächste neue Modell auf dem Markt wird der Opel Combo sein. Und ich kann Ihnen schon jetzt verraten, dass der Verkaufsstart vom Combo Life bereits unmittelbar bevorsteht. Dazu kommt sehr bald der neue Vivaro, der ebenfalls auf der Konzernplattform EMP2 aufbaut. Sie sehen, PACE! ist viel mehr als ein reiner Sparplan.
Opel Post: Zurück von der nahen Zukunft in die Gegenwart – wie kann denn PACE! helfen, unsere Erträge zu steigern?
Lohscheller: Wir folgen jetzt konsequent dem Grundsatz, dass wir nur noch Geschäfte machen, die sich auch wirklich lohnen. Daher stellen wir auch unsere Händlerverträge um. Beide müssen vom Geschäft gleichermaßen profitieren – Händler und Hersteller. Wir haben die alten Verträge pünktlich Ende April gekündigt und planen, die neuen so schnell wie möglich zu unterzeichnen. Damit schaffen wir eine bessere Leistungskultur. Das wird sich für unsere performance-orientierten Händler lohnen und zugleich die Kundenzufriedenheit verbessern.
Darüber hinaus stärken wir massiv unser Exportgeschäft – wie es unter dem Dach von GM niemals möglich gewesen wäre.
Opel Post: Inwiefern?
Lohscheller: Im neuen Konzern haben wir ganz andere Möglichkeiten und können vorhandene Strukturen der Groupe PSA nutzen. Wir haben bereits unser Geschäft in Südafrika, Marokko, Tunesien und dem Libanon neu aufgestellt.
Und es werden schon in diesem Jahr Opel-Modelle in einem neuen Werk der Groupe-PSA in Namibia montiert. Die Fertigung in Namibia wird uns deutlich helfen, unsere Präsenz im Süden Afrikas weiter zu stärken. Sie sehen: Unsere Exportoffensive auf Märkten außerhalb Europas bekommt Schwung – und das ist erst der Anfang.
PACE! sieht eine Verdopplung der Verkäufe in Übersee bis 2020 vor. Wir werden bis 2022 weitere neue, profitable Exportmärkte erschließen. Das Ziel: Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts sollen mehr als zehn Prozent des Opel-Verkaufsvolumens außerhalb Europas realisiert werden. Für diese Überseeexporte ist die Leistungsfähigkeit unserer Werke ganz besonders wichtig.
Opel Post: Dann gibt es noch ein weiteres wesentliches Geschäft für jeden Hersteller – die eigene Bank, die unsere Kunden beim Leasing und Finanzkauf unterstützt. Was passiert hier neues?
Lohscheller: Auch bei Opel Vauxhall Finance gibt es einen Strategieplan, der PACE! perfekt ergänzt. Nur ein Beispiel: Um das Wachstum im finanziell attraktiven Gewerbegeschäft zu unterstützen, plant Opel Vauxhall Finance schon in diesem Jahr, über die Opel Bank in Deutschland Full-Service-Leasing für Großkunden anzubieten.
Opel Post: Welche Rolle spielt schließlich das Forschungs- und Entwicklungszentrum in Rüsselheim bei all diesen Planungen und Umsetzungen?
Lohscheller: Opel ist und bleibt eine deutsche Marke und steht für deutsche Ingenieurskunst. Wir werden jedes unserer neuen Fahrzeuge für unsere anspruchsvollen europäischen Kunden auch in Rüsselsheim entwickeln – was zu Zeiten von GM nicht immer so war.
Dabei werden wir technisch noch besser, aber auch effizienter: Im Zusammenspiel mit den neuen technischen Möglichkeiten innerhalb der Groupe PSA konnten unsere Ingenieure zum Beispiel die Entwicklungskosten für die nächste Generation des Corsa um mehr als 50 Prozent reduzieren. Um über die Hälfte! So wird der Corsa für uns ein wirtschaftlich wichtiges Auto werden und uns ab 2019 auf unserem Weg in die Profitabilität helfen.
Und was wir gar nicht hoch genug einschätzen können, ist die Tatsache, dass die Verantwortlichkeit für die Entwicklung leichter Nutzfahrzeuge nach Rüsselsheim kommt, von der Vorausentwicklung bis zur Serienreife – und zwar für die gesamte Groupe PSA. Wir kehren damit zurück zu unseren Wurzeln, schließlich ist der Opel Blitz bis heute eine Legende.
Besonders stolz bin ich darauf, dass unsere Ingenieure hier in Rüsselsheim bereits in zahlreichen technischen Bereichen Verantwortung für den Gesamtkonzern übernehmen. Wir etablieren gerade 15 sogenannte Kompetenzzentren die typische Opel-Stärken in den Entwicklungsverbund der Groupe PSA einbringen. So wird Rüsselsheim die Verantwortung für die Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie bekommen. Und das ist nur ein Beispiel.
Opel Post: Was sind die kommenden Schritte, die Sie planen?
Lohscheller: Wir wollen ein „New Opel“ bauen und endlich einen Schlussstrich unter unsere andauernden Verluste und Unsicherheiten ziehen. Wir haben uns bereits bei der Veröffentlichung von PACE! dazu bekannt, bis 2020 profitabel sein zu wollen.
Deshalb ist es unser wichtigstes Ziel, auch in Deutschland die Weichen auf Wettbewerbsfähigkeit zu stellen. Warum sollte uns das ausgerechnet in unserem Heimatland nicht gelingen?
Wettbewerbsfähige Standorte in Deutschland herstellen – das würde zu einer höheren Kapazitätsauslastung beitragen und dann könnten wir hier mittelfristig auch mehr Fahrzeuge herstellen. Dies könnten Autos aller Marken der Groupe PSA sein, so wie in Saragossa ja auch Citroën-Modelle gebaut werden und in Sochaux der Peugeot 3008 Seite an Seite mit dem Opel Grandland X vom Band läuft.
Es gibt keine andere Wahl: Wir müssen wettbewerbsfähig werden – und wir wollen das ohne betriebsbedingte Kündigungen und ohne Werksschließungen schaffen. Das haben wir am 9. November klargemacht, als wir den PACE! Plan vorgestellt haben. Und das gilt natürlich auch heute.
„Unsere Ingenieure konnten die Entwicklungskosten für die nächste Generation des Corsa um mehr als 50 Prozent reduzieren.“
Stand Mai 2018