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1993, vier Jahre nach dem Mauerfall. Michél Schröder ist zehn Jahre alt, als seine Eltern aus dem Osten Deutschlands nach Hessen übersiedeln. Im Fernsehen läuft „Michel Vaillant“, die Zeichentrickserie um den berühmten Rennfahrer, basierend auf dem gleichnamigen „Zack“-Comic von Jean Graton. Während der französische Held auf allen Rennstrecken der Welt Prüfungen besteht, sitzt Michél gespannt vor der Röhre.
Ob es auch daran lag, dass Vaillant den gleichen Vornamen trug wie er selbst? Das weiß der Prüfstandsmechaniker aus dem Rüsselsheimer Engineering Center heute nicht mehr. Nur, dass ihn seither ein Traum nicht mehr losgelassen hat: einmal im Leben an der Ziellinie stehen, das Gaspedal durchtreten – selbst ein Rennen fahren. Jetzt, 25 Jahre später, ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen. Michél Schröder war diesen Sommer beim 11. Freien Bergrennen von Waldau nach Steinbach am Start. Und der 35-Jährige sagt: „Es war das tollste Erlebnis meines Lebens.“
Die Naturrennstrecke in Thüringen hat es in sich: 150 Höhenmeter und 13 Kurven auf 2,5 Kilometer Gesamtstrecke galt es zu überwinden – das ist dem Kollegen in 1:41 Minuten gelungen und hat in der Endabrechnung immerhin zu einem Platz am Ende des vorderen Drittels gereicht. Von 100 Teilnehmern, wohlgemerkt. Beachtlich für einen Debütanten, der zur Vorbereitung nur sehr begrenzt trainieren konnte. Stolz ist Michél Schröder vor allem auf sein Gefährt: ein Ascona C, Baujahr 1984. Und hätte der Opel-Klassiker eine Seele, wäre er seinem Besitzer ewig dankbar für das zweite Leben, das er ihm geschenkt hat.
Schrott für 200 Euro
Vor knapp vier Jahren nämlich war dieser Ascona nicht mehr als ein Haufen Schrott. Für gerade mal 200 Euro hat Michél Schröder ihn geschossen, inklusive einer Unmenge von Ersatzteilen. Jetzt präsentiert sich der Opel wieder in strahlendem Polarweiß – und ist als Rennmaschine ein Unikat. Denn der Prüfstandsmechaniker hat dem serienmäßigen Zweiliter/8V-Motor einen Kompressor verpasst, wie er normalerweise in einem Mercedes SLK zum Einsatz kommt. Damit kommt der Ascona auf stolze 164 PS. Der Kompressor dient dazu, die Motorleistung zu erhöhen: Die zur Verbrennung benötigte Luft wird nicht angesaugt, sondern in die Zylinder eingeblasen. Schröder: „Ein Experiment, das meines Wissens noch niemand zuvor bei diesem Motor gewagt hat.“
Technische Daten
Serie
Opel Ascona GL
Baujahr 1984
2-türige Limousine in Polarweiß
Motor 1.3 Liter Hubraum, 75 PS (55KW) Vergaser, Frontantrieb
Umbau
Motor C20NE Serie 115 PS (85 KW)
8 Ventile Einspritzer Umbau auf Kompressor Eaton M45 aus einem Mercedes SLK, Zündkerzen mit 360°-Zündfunke, 3-fach geschirmte Zündleitung, alle Adaptionen selbst konstruiert und gefertigt, Sport-Abgasanlage Remus, aktuelle Leistung 164 PS
Karosserie Irmscher Front und Heckschürze, Facelift Scheinwerfer und Rückleuchten
Fahrwerk JAMEX Tieferlegung vorne 80 hinten 60 mm, Räder BORBET A mit Falken-Mischbereifung (vorne 7,5 x16 Zoll, hinten 9,0 x 16 Zoll)
Bremse Vorn 256 mm aus dem Opel Kadett E GSi 16V
Innenraum Unnötiges entfernt, Sportsitze Sparco, Wiechers Überrollkäfig, Feuerlöscher 4 Kilogramm, Tacho mit Drehzahlmesser, Sportlenkrad
Der Hobby-Schrauber wusste zwar, dass es von dem 2.0 Liter-Motor eine Turbo-Variante gab, die nur in Kanada verkauft wurde. Um aber sicher zu gehen, dass der Motor einen solcher Kompressor aushalten würde, leistete er akribische Recherchearbeit – im Internet und beim Technischen Informationsservice TIS. Dazu bereiteten ihm Fahrwerk, Sicherheitskäfig, Irmscher-Spoiler und Lackierung viel Arbeit, die er allerdings mit Freude erledigte. Das entscheidende Plus bei allen Arbeiten und besonders beim Experiment „Kompressor“: Im vergangenen Jahr hat Michél Schröder erfolgreich seine Weiterbildung zum Techniker abgeschlossen. „Mit diesem Wissensstand konnte ich das gesamte Projekt – ob Konstruktion oder Fertigung – komplett in Eigenregie abwickeln.“
Freies Bergrennen ohne Lizenz
Der Kollege hat den Ascona ins Herz geschlossen, seit er 2002 eine Lehre bei Opel begann. „Die zweitürige Variante ist äußerst selten, die muss erst recht gehegt und gepflegt werden.“ Für ein Bergrennen war das Liebhaberstück zunächst gar nicht vorgesehen. Das ergab sich erst, als eine Freundin Michél Schröder vor einigen Monaten erzählte, dass es in Thüringen dieses Freie Rennen gäbe, zu dem man sich auch ohne Rennlizenz anmelden könne.
Da erst fiel die Entscheidung: Dies sollte das erste Rennen im Leben von Michél Schröder werden! Und fahren wollte er es in seinem Ascona C. „Er verfügt über den idealen Radstand für eine solche Challenge.“ Als Übungsstrecke musste eine etwas steiler ansteigende Straße in der Nähe von Schröders Wohnort Riedstadt-Leeheim herhalten. Zeit, mal nach Hockenheim oder auf den Nürburgring zu fahren, blieb dem Novizen nicht.
Schließlich hat er nicht nur im Engineering Center in Rüsselsheim einen Job zu erledigen. Nebenher baut sich Michél Schröder ein kleines Unternehmen auf, das originalgetreu nachgebaute Ersatzteile für automobile Klassiker anbietet. Zudem richtet er gegenwärtig mit Freunden einen alten Bauernhof als Mehrfamilienwohnanlage her – ein Langzeitprojekt. Letzte Erkenntnisse, um seine Rennpremiere so optimal wie möglich gestalten, mussten ihm daher die drei Trainingsläufe liefern, die ihm vor Ort in Thüringen noch gestattet waren. Und die lohnten sich: Nach dem letzten Testlauf etwa senkte er noch einmal den Reifendruck – und holte im Rennen so noch einmal zusätzliche sieben Sekunden gegenüber seiner besten Trainingszeit heraus.
Erstes Rennen war nur der Anfang
Auch sonst brachte er von seinem ersten Rennen jede Menge neue Ideen mit nach Hause zurück. „Das Getriebe ist viel zu lange übersetzt, ich hätte gerne mehr geschaltet.“ Am Fahrwerk gebe es ebenfalls noch einiges zu optimieren. Und, und, und. Womit klar sein dürfte: Sein erstes Rennen war nicht sein letztes. Nächstes Jahr ist er wieder dabei, um noch weiter oben anzugreifen. Was ihn besonders gefreut hat: Im Fahrerlager gab es weitere Fans des französischen Comic-Helden. Und so ließ der passende Spitzname, den man ihm bei seinem ersten Rennen verpasste, nicht lange auf sich warten – „Michel Vaillant“.
September 2018