„Unser Portfolio ist sehr attraktiv – das ist die entscheidende Grundlage, um mehr Autos zu verkaufen.“
VITA
Xavier Duchemin ist seit 1. August 2018 Geschäftsführer Vertrieb, Aftersales und Marketing der Opel Automobile GmbH. Zuvor hatte er ab März desselben Jahres als Executive Director Sales Gelegenheit, den Vertrieb von Opel/Vauxhall in Europa kennenzulernen.
Der Absolvent der HEC Business School in Paris ist seit 1989 auf unterschiedlichen verantwortlichen Positionen in Vertrieb und Marketing bei der Groupe PSA beschäftigt.
Ab Januar 2017 war Xavier Duchemin Managing Director von PSA Retail, zuvor unter anderem Geschäftsführer von Peugeot Frankreich, Marketing-Chef von Citroën weltweit und Chef von Citroën in Großbritannien und in Österreich.
Herr Duchemin, nach 29 Jahren bei Citroën und Peugeot sind Sie nun Vertriebs- und Marketingchef bei Opel und erstmals für einen deutschen Autohersteller tätig. Was bedeutet das für Sie?
Das ist eine sehr spannende Aufgabe. Ich hatte schon immer viel Respekt vor den deutschen Automarken und es ist großartig, Opel nun unter dem Dach der Groupe PSA zu sehen. Wir bei Opel haben fantastische Produkte, eine großartige Tradition – und viel zu tun.
Beim Town Hall Meeting haben Sie sich sehr sympathisch in bestem Deutsch vorgestellt und damit viele Mitarbeiter überrascht. Woher sprechen Sie so gut Deutsch?
Ich habe schon in der Schule Deutsch gelernt. Aber das ist ja schon einige Jahre her (lacht). Vor rund 15 Jahren war ich als Geschäftsführer für Citroën zwei Jahre in Wien. Wenn man in einem Land lebt und es verstehen möchte, ist es immer wichtig und von Vorteil, die Sprache zu können. Ich mag Deutschland, den Lebensstil und die Menschen. Ich verbringe meinen Urlaub gerne in Bayern oder im Schwarzwald.
Welchen Eindruck haben Sie von Rüsselsheim und von Opel?
Ich finde es einzigartig, wie die Stadt und die Region mit Opel verwachsen sind. Wenn man hier auf die Straße geht, sieht und fühlt man Opel überall. Und die Autos überzeugen mit ausgezeichnetem Komfort und großartigen Technologien. Das LED-Matrix-Licht, die beheizten Lenkräder, die AGR-Sitze – wir haben tolle Features. Ich bin ein großer Fan des Insignia und damit regelmäßig zwischen Rüsselsheim und Paris unterwegs – auf deutscher Seite meistens ein wenig schneller als in Frankreich (lacht).
Wenn das Paket stimmt, wieso verkaufen wir dann europaweit nicht mehr Autos?
Parallel zur Einführung der neuen Modelle haben wir viele Entscheidungen treffen müssen, um das Unternehmen wieder profitabel zu machen. Wir machen keine unprofitablen Geschäfte mehr. Wir haben die Tageszulassungen reduziert und sind dabei, die Verträge mit unseren Händlern neu zu verhandeln. Im September ist unser Marktanteil wieder gestiegen, in einigen Ländern sogar besonders deutlich. Opel war im September Marktführer innerhalb der EU und die Groupe PSA die Nummer 1 unter den Herstellern.
In Deutschland erzielte Opel einen Pkw-Marktanteil von 10,2 Prozent. Das ist ein Plus von 2,6 Prozentpunkten und damit verzeichnet Opel den höchsten Marktanteil in einem Einzelmonat seit Dezember 2010. Auch in anderen großen Märkten ging es bergauf. In Spanien stieg unser Pkw-Marktanteil auf fast sechs Prozent. In Frankreich wurde mit 4,31 Prozent der beste Pkw-Marktanteil seit Mai 2015 erreicht. Und auch Vauxhall war stark. Der kombinierte Anteil für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge lag bei 8,64 Prozent. Für diesen Erfolg haben unsere Kollegen hart gekämpft – ein großes Kompliment in die jeweiligen Länder.
Ein wesentlicher Grund für diesen Anstieg ist, dass wir rechtzeitig unser gesamtes Portfolio WLTP-zertifiziert haben. Wir konnten über den 1. September hinweg, als das neue Messverfahren Pflicht wurde, uneingeschränkt Fahrzeuge liefern. Ganz im Gegensatz zu vielen unserer Mitbewerber, die zu diesem Zeitpunkt einfach nicht „WLTP-ready“ waren und es bis heute nicht sind. Unsere Ingenieure haben hier einen super Job gemacht. Danke an alle, die uns mit klarem Blick für die wichtigen Themen auf Kurs gehalten haben. Lassen Sie uns die September-Ergebnisse zum Anlass für neues Selbstvertrauen nehmen und daraus Energie für das vierte Quartal schöpfen.
Klar ist: Unser Portfolio ist sehr attraktiv, das ist die entscheidende Grundlage, um mehr Autos zu verkaufen.
Dann verraten Sie uns doch schon mal ein wenig über das Portfolio der Zukunft…
Wir werden bei der Umsetzung der Produktoffensive noch einmal aufs Gaspedal treten und dabei vor allem die ab 2020 geltenden anspruchsvollen europäischen CO2-Vorgaben im Auge behalten. Von Anfang 2019 bis Ende 2020 bringen wir insgesamt acht komplett neue oder überarbeitete Modelle auf den Markt. Wir konzentrieren uns auf profitable Segmente mit hohem Absatzvolumen und werden eines der jüngsten Portfolios aller Volumenhersteller haben. Wie im PACE!-Plan angekündigt, kommt jedes Jahr mindestens ein komplett neues Modell. Nächstes Jahr ist der Corsa dran. Ich freue mich drauf. Das wird ein tolles Auto!
Und wie schaut es in Sachen Elektromobilität aus?
Auch da geht es sehr zügig voran. Schon nächsten Sommer werden die Bestellbücher für die rein elektrische Version des Corsa sowie für den Grandland X als Plug-In Hybrid geöffnet, der dann in Eisenach vom Band rollt. Bis Ende 2020 wird Opel insgesamt vier elektrifizierte Modelle im Angebot haben. Sie werden viel Fahrspaß bieten und dazu beitragen, die Nachfrage nach E-Fahrzeugen deutlich zu steigern. Bis 2024 wird jedes unserer Modelle auch in einer elektrifizierten Variante erhältlich sein. Aber seien sie sicher: Wir werden auch weiterhin sehr intensiv an unseren Verbrennungsmotoren arbeiten und sie noch effizienter machen.
„Opel war im September Marktführer innerhalb der EU und die Groupe PSA die Nummer 1 unter den Herstellern.“
Wie wichtig sind unsere Händler für den Turnaround?
Sehr wichtig. Die Händler sind quasi das Gesicht unserer Marke und oft der erste Ansprechpartner für unsere Kunden. Gerade haben wir unsere Partner aus ganz Europa in einer dreitägigen Großveranstaltung in Rüsselsheim umfassend über unsere Strategie, unsere künftigen Autos und über den zukünftigen Weg unserer Marke informiert. Wir hatten ganz hervorragende Rückmeldungen und ich bin sicher, dass wir alle an einem Strang ziehen, denn nur gemeinsam können wir unsere Ziele erreichen, insbesondere in Sachen Kundenzufriedenheit. Jeder einzelne Vertriebsmitarbeiter muss von unseren Produkten und unserem gemeinsamen Weg in eine erfolgreiche Zukunft absolut überzeugt sein. Opel ist eine starke Marke, wir haben attraktive Produkte und das wollen wir natürlich auch kommunizieren.
Wie wollen Sie Händlern und Kunden die Zweifel nehmen, dass Opel auch unter dem Dach der Groupe PSA eine deutsche Marke bleibt?
Indem wir sie überzeugen. Die Groupe PSA hat schließlich eine deutsche Marke als Ergänzung zu den französischen Marken gekauft. Unser Konzernchef Carlos Tavares hat ganz klar gesagt: Wir brauchen keine weitere französische Marke. Das war und ist der Grund. Opel ist deutsch und wird das auch in Zukunft auf unverwechselbare Art zeigen.
Worauf liegt der Fokus in den kommenden Monaten?
Wir müssen unsere Marktanteile wieder erhöhen. Die sind in vielen Ländern zu niedrig, etwa in Schweden, Norwegen oder in Frankreich – dort streben wir bis 2020/21 wieder fünf Prozent Marktanteil an. Wir werden bei den Händlern in Europa „German Days“ durchführen, schließlich sind wir stolz, eine deutsche Marke mit deutscher Technologie zu sein. Und als solche wollen wir natürlich auch auf unserem Heimatmarkt wieder erfolgreicher sein. Im September waren wir schon auf einem guten Weg, das Ergebnis sollte uns Schwung geben.
Welche Rolle spielen die leichten Nutzfahrzeuge und der neue Opel Combo dabei?
Generell haben wir bei den leichten Nutzfahrzeugen noch viel Luft nach oben. Daher ist der neue Combo ein ganz wichtiges Auto für uns. Er hat kürzlich die Wahl zum International Van of the Year gewonnen, die wichtigste Auszeichnung für leichte Nutzfahrzeuge überhaupt. Dieser Titel kann ein wichtiges Marketing-Element für den Combo sein. Hier werden wir richtig investieren. Dazu kommt 2019 der neue Vivaro auf den Markt; der neue Transporter wird uns weiteren Auftrieb geben.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Combo-Launch?
Die Händlerpremiere in Deutschland am 29. September war vielversprechend, das Medienecho in Europa ist positiv und wir haben in einigen Ländern schon viele Bestellungen vorliegen. Die Basis für den Erfolg ist also gelegt.
Die Diskussion um den Diesel überlagert viele gute Produktnachrichten. Wie gehen Sie damit um?
Wir können nur immer wieder klar machen: Wir haben keine unzulässigen Abschalteinrichtungen, unsere Autos entsprechen den geltenden Vorschriften. Und wir sind aktiv: Für bestimmte Diesel-Modelle von Zafira Tourer, Cascada und der Vorgängergeneration Insignia der Baujahre 2013 bis 2016 läuft eine freiwillige Service-Aktion. Betroffen waren ursprünglich rund 31.200 Fahrzeuge in Deutschland, mehr als 22.000 wurden von Opel im Rahmen dieser Aktion bereits umgerüstet – sprich es handelt sich noch um 9000 Fahrzeuge, die ein Software-Update erhalten müssen. Das Unternehmen hat alles daran gesetzt, diese Implementierung zügig umzusetzen.
„Wir werden schon bald neue Elektro- und Hybrid-Antriebe vorstellen, die sehr sportlich und leistungsstark sind.“
Darüber hinaus gehen Sie, wie viele andere Hersteller auch, mit besonderen Offerten auf Fahrer älterer Dieselautos zu. Was steckt hinter dem Angebot?
Die beste Lösung zur Reduzierung von Fahrzeugemissionen ist doch eine zügige Flottenerneuerung. Deshalb haben wir eine spezielle Umweltprämie von bis zu 8000 Euro eingeführt. Von dieser Prämie können Besitzer älterer Dieselfahrzeuge aller Marken der Abgasnorm Euro 1 bis Euro 4 profitieren. Voraussetzung ist die Abgabe und Verschrottung des alten Dieselfahrzeugs. Zudem gilt die Prämie bei Inzahlungnahme von Euro 5-Modellen der Marke Opel für Kunden mit Wohn- oder Firmensitz in besonders belasteten Regionen bei Neukauf eines Opel-Fahrzeugs. Ich finde, das ist ein guter Weg, um den Kunden den Umstieg auf die neuesten und effizientesten Opel-Modelle zu erleichtern.
In der Werbung haben wir zuletzt die klassischen Volumen-Modelle wie Corsa, Astra und Insignia etwas vernachlässigt. Werden wir das ändern?
Ja, daran arbeiten wir mit dem Team von Tobias Gubitz; er ist unser Mann für Marketing-Kommunikation. Wir haben zusammen ein paar goldene Regeln formuliert, nach denen unsere traditionell erfolgreichsten Modelle – also Astra, Corsa und Insignia – gestärkt werden sollen. In Großbritannien zum Beispiel ist unser Flaggschiff das führende Auto in seinem Segment, in Deutschland die Nummer zwei und in Europa auf Rang drei. Nicht schlecht – da geht aber noch was. Auch unsere leichten Nutzfahrzeuge möchten wir weiter fördern. Dazu brauchen wir einen guten Kommunikationsplan; wir werden Marketing-Maßnahmen länderspezifisch durchführen.
Groupe PSA CEO Carlos Tavares ist bekanntlich ein großer Motorsport-Fan. Wird Opel seine langjährige Motorsport-Tradition bald wieder aufleben lassen?
Aus finanziellen Gründen mussten wir unsere Aktivitäten im Motorsport in den vergangenen Jahren leider zurückfahren. Für die Marke wäre es aber sehr wichtig, wenn wir mittelfristig hier wieder aktiver werden – etwa im Kundensport.
Bleiben wir bei sportlichen Modellen. Aktuell haben wir den Insignia GSi und den Corsa GSi im Portfolio. Gibt es Pläne, auch weitere solche Modelle auf den Markt zu bringen?
Das müssen wir noch abwarten. Wir werden schon bald neue Elektro- und Hybrid-Antriebe vorstellen, die sehr sportlich und leistungsstark sind. Zum Corsa GSi haben wir übrigens ein hervorragendes Feedback bekommen. Ich habe ihn zuletzt beim internationalen Presse-Launch im Elsass selbst testen können – top! Der macht richtig Spaß.
Würden Sie sich selbst als „Car Guy“ bezeichnen?
Mein Interesse an Autos war schon immer groß. Ich hatte zum Beispiel einige Jahre einen Citroën SM, ein Sportcoupé aus den Siebzigerjahren mit Maserati V6-Motor. Super! Allgemein finde ich historische Fahrzeuge hoch interessant. Die Sammlung von Opel Classic hat mich daher sehr beeindruckt. Dort habe ich viel über die Tradition und die Geschichte von Opel erfahren.
Wenn Sie die Wahl hätten zwischen einem 1955er Citroën DS, einem 1955er Peugeot 403 oder einem Opel Kapitän aus den Fünfzigern – welchen würden Sie nehmen?
Drei wunderbare Autos, aber für mich wäre es der Kapitän, ganz klar. Darf ich etwas mogeln? Am liebsten in der Cabrio-Variante von Hebmüller aus dem Jahr 1940. Die Form ist wunderschön, es ist ein fantastisches Auto – aber davon gibt es, glaube ich, weltweit nur noch zwei Exemplare.
Oktober 2018