Der Olympia Rekord Caravan war vor 65 Jahren einer der ersten Kombis auf Europas Straßen. Heute gibt es nur noch ganz wenige Exemplare. Eines davon versieht seinen Dienst auf einem Weingut an der Saar. Besitzer ist TV-Moderator Günther Jauch.
Der Anruf kommt kurz vor Mittag. Ein Gastronom in der Nachbarschaft benötigt fünf Kisten Wein. Die Erzeugnisse aus eigener Herstellung vom Weingut „von Othegraven“ sind ohne Frage von edelster Natur, aber gearbeitet wird auf dem Hof im rheinland-pfälzischen Kanzem so hemdsärmlig, wie es sich für einen ordentlichen Winzerbetrieb gehört: Was jetzt erledigt werden kann, wird auch jetzt erledigt. Also her mit den Kisten.
Und wo steht der nächste Lieferwagen? Gutsverwalter Swen Klinger blickt auf die Zierde seines Fuhrparks: einen Opel Olympia Rekord, Baujahr 1954. Der Opel, für den der Begriff „Caravan“ geprägt wurde – eine Wortschöpfung aus dem englischen „Car and Van“. Und der später so populär wurde, dass der Volksmund jeden „Kombi“ als „Caravan“ bezeichnete. Heute ist der Olympia Rekord Caravan eine absolute Rarität.
Umso erstaunlicher, dass dieses besonders schöne Exemplar noch tüchtig im Einsatz ist. „Natürlich muss unser Oldie nicht jeden Tag ran“, erklärt Swen Klinger, während er die seitlich angeschlagene Heckklappe öffnet und die Kisten verstaut. Aber so oft als möglich werden die Lieferungen per 39 PS und Dreigangschaltung chauffiert.
„Mit diesem Opel lässt es sich wunderbar entschleunigt fahren.“
Denn die Kunden in der Gegend, in der seit 2.000 Jahren Reben angebaut werden, freuen sich, wenn die Lieferanten vom Weingut von Othegraven mit dem Klassiker vorfahren. Und auch der Fahrer genießt jede Tour in vollen Zügen. „Mit diesem Opel lässt es sich wunderbar entschleunigt fahren“, schwärmt Gutsverwalter Klinger. „Man vergisst die Hektik der Zeit, die von Jahr zu Jahr größer wird.“ →
Steil, Steiler, Altenberg
Kanzem liegt rund 15 Kilometer südlich von Trier, umschlossen von der Saar und einem ausgebauten Schleusenkanal. Das Weingut ist seit 1805 im Besitz der Familie von Othegraven, doch auch zuvor wurden auf den dazugehörigen steilen Hängen Reben angebaut. Heute bewirtschaften die Winzer insgesamt 15 Hektar Rebfläche und füllen pro Jahr rund 100.000 Flaschen ab. Alle vier Lagen – Kanzemer Altenberg, Ockfener Bockstein, Herrenberg und Wiltlinger Kupp – zählen zu den herausragenden des Anbaugebiets Mosel-Saar-Ruwer. Angebaut wird ausschließlich die Rieslingtraube, die Geschäftsführer und Kellermeister Andreas Barth in seiner gesamten geschmacklichen Breite ausbaut, vom puristisch-trockenen Tropfen bis zur lieblichen Trockenbeerenauslese.
„Ich mag Brot- und Butterautos“
Günther Jauch über seinen Olympia Rekord – und was er besonders an ihm schätzt
Herr Jauch, Ihr Olympia Rekord war der erste Kombi, den Opel in Großserie produzierte. Er ist somit der „Ur-Caravan“. Heute ist das Modell eine absolute Rarität. War Ihnen das bewusst, als Sie ihn sich zugelegt haben?
Nein, das habe ich nicht gewusst. Ich habe einfach eine Schwäche für diese „Brot- und Butterautos“. Das waren ja meistens Handwerkerkisten, die irgendwann verschrottet wurden und die niemand aufheben wollte. Heute fasziniert mich so ein Wagen mehr als die – pardon – hundertste überrestaurierte Pagode.
Wie sind Sie auf den Wagen gestoßen?
Er wurde in der „Garage 11“ in Hamburg angeboten, einer der ersten Adressen für Oldtimerfans. Ich habe ihn auf deren Online-Portal entdeckt und eine zeitlang beobachtet. Keiner schien ihn haben zu wollen, ich aber verliebte mich bei jedem Anklicken aufs Neue in ihn. Schließlich bin ich nach Hamburg gefahren, habe gut verhandelt – und ihn erworben.
Haben Sie ihn selbst nach Kanzem überführt?
Na, klar. Wobei ich zugeben muss: In den Kasseler Bergen hat er schlapp gemacht. Ich habe aber den Motor rechtzeitig ausgestellt und ihn dann abschleppen lassen. Auf dem Weingut gilt seither die Regel: Maximal 100 Kilometer am Tag darf er fahren, mehr sollte man ihm nicht zumuten. Die 100 Kilometer aber schafft er absolut klaglos.
Genießen Sie die Fahrten in diesem Klassiker?
Sehr! Dreigangschaltung mit 39 PS, Anlassen per Knopf im Fußraum und im Prinzip Vorkriegstechnik – das hat schon was. Ein besonderer Pluspunkt: Seine 6-Volt-Elektrik funktioniert einwandfrei. Dafür bürgt ja auch schon der Scheibenaufkleber: „Opel – Der Zuverlässige“.
→ Dass der 65 Jahre alte Olympia Rekord ihn im Stich lassen könnte, ist Klingers geringste Sorge. Motor, Bremsen, Getriebe – funktioniert alles einwandfrei. Regelmäßig gewartet wird der Wagen vom Personal des Weinguts selbst – direkt auf dem Hof, mithilfe eines großen „Restaurationsordners“, den ihnen der Vorbesitzer überlassen hat.
Motor, Bremsen und Getriebe –
funktioniert alles einwandfrei.
Genug Laderaum böte das 4,30 Meter lange Gefährt sowieso – selbst wenn Klinger nicht die Rückbank umschlägt, was sich an dem Opel Caravan mit erstaunlich leichter Hand noch immer mühelos bewerkstelligen lässt. Es gibt also gar keinen Grund, den Opel nur auf dem Hof rumstehen und gut aussehen zu lassen. Der kann und soll, wie alle hier, arbeiten und sich seinen nächsten Ölwechsel selbst verdienen. Eine Besonderheit des Weinguts ist, dass Trauben hier noch von Hand gelesen werden, denn der
Kanzemer Altenberg, das Herzstück des Weinguts, gehört zu den steilsten und mit 250 Metern auch zu den längsten Steillagen der Welt. Die Neigung beträgt satte 65 Prozent – damit spielt der Hang immerhin in der gleichen Liga wie das Schweizer Matterhorn.
Von Othegraven zählt zu den Spitzenweingütern, blickt auf eine große Tradition zurück – die Weine wurden früher an den Höfen des europäischen Hochadels getrunken. Seit neun Jahren profitiert das Gut, aber auch die gesamte Weinregion, von der Aura eines prominenten Eigentümers: Günther Jauch, Deutschlands beliebtester TV-Moderator, Journalist und Produzent. Der Talkmaster reiht sich aber nicht einfach in die Riege der „Promi-Winzer“ wie Schauspieler Brad Pitt, Musiker Sting oder Regisseur Francis Ford Coppola ein. Er hat das Anwesen aus Familienverbundenheit erworben: „Günther Jauch setzt damit eine mehr als 200-jährige Familientradition fort. Zusammen mit seiner Ehefrau Thea führt er das Gut nunmehr in der siebten Generation“, erläutert Gutsverwalter Klinger.
Mit dem Olympia Rekord Caravan tauchte 1954 eine neue Fahrzeuggattung auf – der Lifestyle-Kombi für die ganze Familie.
Elsa, die Großmutter von Günther Jauch, war eine geborene von Othegraven. Ihr Bruder Maximilian war ab 1925 Herr auf dem Hof. Schon als Kind kam der junge Günther immer wieder nach Kanzem, um den Großonkel zu besuchen; er spielte im Park und am Fluss und kroch zwischen den Fässern umher.
Das Weingut ist gelebte
Familiengeschichte.
Auch heute noch verbringt Jauch so viel Zeit auf dem Weingut, wie sein enger Terminkalender es zulässt. Klinger: „Wenn er da ist, ist er, ebenso wie seine Frau Thea, immer mit Herzblut bei der Sache.“ Und er führt Besucher auch schon mal durch eine Weinprobe, wenn es sich gerade anbietet. „Das ist ein ganz besonderes Erlebnis – nicht, weil der Hausherr prominent ist, sondern weil er mehr über die Geschichte des Hauses zu erzählen weiß als jeder andere.“ Unter seinem eigenen Namen verkauft der Lieblingsmoderator der Deutschen inzwischen auch Wein bei Discountern. Auf dem Etikett: Eine Silhouette von Jauch, der auf seinem „Wer wird Millionär“-Stuhl sitzt. Er nennt es die „Demokratisierung des Luxus“. Eine Devise, die auch beim Opel-Claim „Die Zukunft gehört allen“ anklingt.
Bodenständigkeit spiegelt sich auch in Jauchs Automobil-Geschmack wider. Denn er war es, der den Opel Olympia Rekord Caravan angeschafft hat. Warum gerade dieses Fahrzeug? „Ich mag Brot- und Butterautos“, erklärt er. Außerdem sei das Dach und der Innenraum des Olympia Rekord in demselben Rot gehalten wie das Logo des Weinguts: „Besser kann es also gar nicht zusammenpassen.“ Um den prominenten Gutsbesitzer vor Ort anzutreffen, „muss man als Besucher einfach Glück haben“, so Klinger. Dass nach Günther Jauch immer als erstes gefragt wird, wenn Gäste aufs Weingut kommen, daran haben sich er und seine Kollegen mittlerweile gewöhnt. „Das muss man eben mit Humor nehmen.“
Warten auf Günther Jauch:
„Der muss noch den Rasen mähen.“
Und hat auch schon zu manch amüsanter Episode geführt. „Einmal hatten wir gerade einen neuen Aufsitzrasenmäher angeschafft als Günther Jauch kam“, erzählt Klinger. Der habe das Gerät prompt ausprobieren wollen. Kurz darauf sei eine Besuchergruppe zur Weinprobe gekommen, und habe, wie so oft, gefragt, ob Günther Jauch nicht mal kurz „Hallo“ sagen könne. „Das geht grad nicht, habe ich geantwortet, der muss noch den Rasen mähen.“ Worauf die Gruppe herzlich lachte – „bis der Chef tatsächlich um die Ecke kam, auf dem Mäher sitzend.“
März 2019