Ihr Wecker klingelt nicht. Wenn Tina Ludwig am Morgen das Signal zum Aufstehen bekommt, ist es kurz nach vier. Dann startet der Wecker den Tag zunächst mit einer dezenten Lightshow, bevor er dazu sanft Musik einspielt, die erst langsam aber dann sicher lauter wird. So kommt die „Schichtbetriebsleiterin General Assembly“ ohne morgendlichen Schock aus dem Bett. Ein weiterer Trick: Die 36-jährige programmiert krumme Zeiten ein – 4:04 oder 4:11 Uhr.
Dann fängt sie während eines wachen Moments in der kurzen Nacht nicht an zu rechnen, wie viele Halbestunden sie denn noch schlafen darf. Diese ausgeklügelte Strategie gibt der gebürtigen Gießenerin recht – denn Tina Ludwig hat in ihrem ganzen Leben noch nie verschlafen. Das nennt man eiserne Disziplin; und die ist auch nötig, wenn sie Tag für Tag mit ihrem Team das Opel-Flaggschiff in Rüsselsheim baut.
„Ich versuche jeden meiner Mitarbeiter täglich mit einem ‚guten Morgen‘ zu begrüßen.“
Das Opel-Flaggschiff Insignia aus Rüsselsheim
160 Mann beginnen pünktlich um 5:45 Uhr ihre Schicht. Dann ist Tina Ludwig schon eine halbe Stunde im Werk und liest ihre E-Mails oder führt erste Gespräche mit den Meistern in ihrem Team. „Ich brauche das jeden Morgen, um gut vorbereitet in den Tag zu starten“, sagt sie.
Spätestens um kurz vor 6:00 Uhr folgt die erste Runde durch die Endmontage. „Ich versuche jeden meiner Mitarbeiter täglich mit einem ‚guten Morgen‘ zu begrüßen und jeden einzelnen am Freitag mit einem persönlichen ‚schönes Wochenende‘ zu verabschieden“, erzählt Tina Ludwig von ihren Grundsätzen.
Schließlich ist es in erster Linie ihr Sinn für Teamwork, der sie an die Linie gebracht hat. Um 6:30 Uhr folgt die Meisterrunde mit allen Teamleitern, um den vergangenen Produktionstag zu besprechen und alle auf die bevorstehenden Aufgaben einzustimmen.
Von der Presseabteilung in die Fertig- und Endmontage
Die studierte Historikerin hatte zunächst eine Karriere in der Presseabteilung von Opel gestartet und es in kurzer Zeit von der Volontärin zur Sprecherin des Werks Rüsselsheim gebracht. Dort fiel ihre stets freundliche, positive und zugleich entschlossene, zupackende Art sofort Werksleiter Michael Lewald auf.
Bei einem mehrtägigen Fortbildungsseminar war sie die einzige Frau unter 20 Kollegen. Am Ende der Veranstaltung fragte Lewald seine Werksprecherin, ob sie nicht in die Fertigung wechseln wolle. Und die ehemalige Handballtrainerin nahm die neue Herausforderung im Herbst 2018 tatsächlich an.
Die richtige Technik heißt Teamwork
„Ich arbeite unheimlich gerne mit meinen Meistern zusammen. Die haben mich vom ersten Tag an akzeptiert,“, erzählt die Hessin. Wenn es im Verlauf der Fertigung zu technischen Schwierigkeiten kommt, ist es ihre Aufgabe, das Problem zu managen. Steht das Band länger als 1,5 Minuten still, gibt es Alarm, dann gilt es, den Ursachen auf den Grund zu gehen und Probleme schnell zu lösen.
Wenn die Produktion dann wieder reibungslos läuft, überprüft Tina Ludwig parallel die Einhaltung aller Corona-Hygieneregeln, achtet auf Sauberkeit an der Linie und hat ständig das „Andon“-Board im Auge. Hier können ihre Mitarbeiter am Band direkt melden, wenn etwas auftritt, das zu Qualitätsproblemen oder Produktionsverlust führen könnte. Auch dann ist die Betriebsleiterin wieder sofort zur Stelle.
Nach der Schicht ist vor dem Computer
Um 13:15 Uhr ist regulär Schichtende. Doch dann ist für Tina Ludwig noch lange nicht Schluss. Sie bearbeitet E-Mails, analysiert Produktionsabläufe, plant, teilt ein, bereitet vor. „Nur selten endet ein Tag für mich vor 15:00 Uhr. Gegenwärtig fehlt mir wie so vielen durch die Corona-Beschränkungen nach der Arbeit der rechte Ausgleich“, sagt sie.
Wenn endlich wieder Handball gespielt werden darf, will sie wieder dabei sein: „Dann könnte ich mir vorstellen, mich wieder zu engagieren. Vielleicht sogar wieder als Trainerin einzusteigen.“ Sicher sehr zum Wohle einer Mannschaft – schließlich ist auch im Sport Teamgeist entscheidend.