Mehr als 60 Jahre sind eine lange Zeit und ich war schon immer der Meinung, dass man zum richtigen Zeitpunkt den Jüngeren das Feld überlassen sollte. Dieser Moment ist nun gekommen“, erklärt Albert Still und übergibt sein Amt an den Österreicher Johannes Hall.
„Ich schaue zufrieden auf meine Arbeit zurück“, sagt der 78-jährige Gentleman mit dem schneeweißen Haar der Opel Post. Seit über 50 Jahren prägt er die Entwicklung des Augsburger Familienunternehmens und führte die Automobilhandelsgruppe als Vorstands- und Aufsichtsratschef zu einem der absatz- und umsatzstärksten Automobilhändler in Deutschland.
Opel-Chef Michael Lohscheller würdigt das Lebenswerk des Unternehmers: „Als Ihr Großvater Albert Sigg 1915 eine Schmiedewerkstatt in Augsburg gründete, ahnte niemand, dass sich daraus ein europäischer Mobilitätskonzern voller Innovations- und Finanzkraft und vorbildlicher Kundenorientierung entfalten würde. Und der Marke Opel haben Sie stets die Treue gehalten. Die Stills sind ein wichtiger Teil der Opel-Familie – und für alle Zukunft untrennbar mit uns verbunden.“
„Ich könnte mir keine besseren Partner vorstellen als Albert Still und seine Söhne Roman und Albert. Die Stills sind Vollblut-Opelaner in vierter Generation – mit einem bespielhaften Drive in all ihren Autohäusern.“
Opel-Deutschland-Chef Andreas Marx
Zu Hause in der Fuggerstadt Augsburg
Seit 1963 ist die AVAG Opel-Vertragshändler. 1972 stieg Albert K. Still in die Geschäftsleitung ein. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte das Autohaus 52 Mitarbeiter und machte einen Umsatz von rund zehn Millionen Mark. Heute sind es über 5.000 Mitarbeiter, die an 172 Standorten in sieben Ländern im Geschäftsjahr 2019/20 2,1 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten. „Und wir sind stolz auf unsere Augsburger Wurzeln.“ Die Stadt am Lech mit ihrem Umland hatte zuletzt einen Opel-Marktanteil von rund 17 Prozent – fast dreimal so viel wie der bundesweite Schnitt. Im Vor-Corona-Jahr 2019 hat die AVAG in Deutschland knapp 28.000 Autos mit dem Blitz verkauft, europaweit sogar über 40.000.
Aus dem operativen Geschäft hat sich Still schon 2006 verabschiedet und übernahm zu diesem Zeitpunkt den Vorsitz des Aufsichtsrates. Seit 2014 führen die Söhne Albert C. und Roman Still gemeinsam das Familienunternehmen als Vorstandssprecher in vierter Generation erfolgreich weiter – zusammen mit den Vorständen Markus Kruis und Ulf Pfeiffer.
„Albert K. Still ist eine herausragende Unternehmerpersönlichkeit aus Augsburg mit großen Verdiensten für die Automobilbranche. Dabei hat er stets mit schwäbischer Sorgsamkeit, der notwendigen Voraussicht und Handelsgeschick agiert. Es ist mir eine Ehre, ihm als Vorsitzender des AVAG-Aufsichtsrates zu folgen.“
Johannes Hall, Nachfolger Stills als Aufsichtsratschef
Gentleman mit ausgezeichnetem Ruf
Für sein Lebenswerk wurde Still längst mehrfach ausgezeichnet: 2016 hat ihn der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer mit dem Mittelstandspreis der Bayerischen Mittelstandsunion geehrt – für erfolgreiche Unternehmensführung, Ausbildungs- und Übernahmequote, überdurchschnittliche Innovations- und Zukunftsorientierung, Schlüsselfunktion für die regionale Wirtschaft sowie für soziales und gesellschaftliches Engagement. Das Fachmagazin Automobilwoche ernannte Albert Still 2011 zum Händler des Jahrzehnts. Von der IHK Schwaben gab es außerdem 2008 den Goldenen Ehrenring.
Langjährige Wegbegleiter überschlagen sich mit Lob. Autohaus-Herausgeber Prof. Hannes Brachat etwa meint: „Sir Albert Still ist der Auto-Fugger von Augsburg. Einer der genialsten Autohändler der letzten fünfzig Jahre. Seine multikulturellen Gaben sind einmalig, weil bodenständig, mitmenschlich, mit hohem Realitätssinn, Schnelldenkertum und besonders klugem, überblickendem Geist auch für Veränderungen ausgestattet. Er versteht es, selbst in schwierigsten Situationen immer neues Leben einzuhauchen und reißt mit seiner ihm angeborenen Leidenschaft in rhetorisch humoriger Bildersprache pointiert alle mit. Einfach grandios!“
Zu Kopfe gestiegen sind ihm all diese Würdigungen nicht. Das attestieren ihm auch Händlerkollegen wie Ulrich Brass: „Bei allem wirtschaftlichen Erfolg ist Albert Still bescheiden und für seine Händlerkollegen stets nahbar und ein willkommener Ratgeber geblieben – auch während seiner langen Tätigkeit im Vorstand des Opel-Händlerverbands“.
Am Anfang war der Kadett
Die Bodenhaftung hat Still trotz des erworbenen Wohlstands nie verloren. Sein Lieblingsessen ist bayerischer Krustenbraten mit Knödeln. Zum Entspannen liest er ein „ordentliches Buch“ und geht im Wald spazieren.
Sein Dienstwagen ist natürlich immer ein Opel – obwohl die Gruppe inzwischen auch einige andere Fabrikate vertreibt. Aktuell ein Insignia SportsTourer 2.0 Diesel. „Denn ich bin Fan von großer Reichweite. Damit komme ich in einem Rutsch zu unserem Ferienhaus in der Schweiz.“ Schon sein erstes Auto trug den Opel-Schriftzug. „Ein Kadett A Coupé, Baujahr 1963 mit 48 PS. Ein Unfallauto mit einem Heckschaden, der aber recht einfach zu richten war. Mein Vater war sehr streng. Einen Neuwagen gab es lange nicht. Nur wenn ich besonders gut verkauft habe, durfte ich Vorführwagen einfahren.“
Sein Traumauto hat sich Still längst gegönnt: „Ein silberfarbener Diplomat V8 5,4 Baujahr 1972 mit schwarzem Vinyldach. Wenn ich mit dem bei einem feinen Hotel vorfahre, stellt er jede britische Luxuskarosse in den Schatten.“ Die Familie habe einen „kleinen Stall von Oldtimern“ – darunter auch einen der letzten Opel Laubfrösche und einen sportlichen Manta A 1.9. Ausführlicher geht er nicht darauf ein. Prahlerei liegt ihm fern.
„Albert Still ist nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer – er war auch immer ein echter Visionär mit dem richtigen Riecher für zukunftsfähige Entscheidungen. So hat er es als mutiger „Großdenker“ geschafft, aus einem kleinen Familienbetrieb einen der größten und erfolgreichsten Autohändler Europas zu machen. Albert Still ist aber auch ein Familienmensch, der bei aller Leidenschaft für den Job immer in der Familie geerdet blieb. Für mich persönlich ist Albert nicht nur ein kollegialer Ratgeber, sondern loyaler Freund und jahrzehntelanger Begleiter in allen Lebenslagen.“
Peter Greiner, Opel-Händlerkollege
„Sir Albert Still ist der Auto-Fugger von Augsburg. Einer der genialsten Autohändler der letzten fünfzig Jahre. Seine multikulturellen Gaben sind einmalig, weil bodenständig, mitmenschlich, mit hohem Realitätssinn, Schnelldenkertum und besonders klugem, überblickendem Geist auch für Veränderungen ausgestattet. Er versteht es, selbst schwierigsten Situationen immer neues Leben einzuhauchen und reißt mit seiner ihm angeborenen Leidenschaft in rhetorisch humoriger Bildersprache pointiert alle mit. Einfach grandios!“
Prof. Hannes Brachat, Herausgeber Autohaus
Das Geheimnis des Erfolges
Sein größter Erfolg? „Beruflich gesehen die AVAG insgesamt. Was Größeres gibt’s für mich nicht. Privat natürlich seit 26 Jahren meine Frau Katja an meiner Seite. Und meine drei Kinder und sieben Enkelkinder.“
Ob es ein Geheimnis für den anhaltenden Erfolg gibt? Tatsächlich hebt der Wirtschaftsingenieur einen Punkt in seiner Ausbildung besonders hervor: „Mit 23 Jahren durfte ich mit Opel die ‚Dealer Son School for Management and Merchandising‘ in Detroit besuchen. Ihr Ziel war es, den Söhnen von Händlern auf der ganzen Welt zum Erfolg zu verhelfen. Was ich dort gesehen und gelernt habe, war sensationell. Das Denken in Deckungsbeiträgen, nicht in Umsatz, haben mir die Amerikaner in die Seele eingepflanzt. Wer das macht, ist klar im Vorteil.“
Natürlich sind auch Misserfolge nicht ausgeblieben, aber davon hat er sich nicht bremsen lassen. Sein größter: „Unser Engagement für Opel in Russland kurz nach der Wende. Das war interessant, aber nicht wirtschaftlich darstellbar. Deswegen haben wir da schnell einen Schlussstrich gezogen.“
„Albert Still ist eine beeindruckende Persönlichkeit, ein Vollblutunternehmer, der es auch noch geschafft hat, einen reibungslosen Übergang der Unternehmensführung auf seine Söhne zu organisieren! Meine höchste Anerkennung!“
Peter Küspert, Ex-Vertriebschef Opel Automobile GmbH
Der Kommandant geht von Bord
„Wir finden es natürlich schade, dass unser Vater nicht mehr auf dieser wichtigen Position wirkt“, sagen seine Söhne Albert C. und Roman Still unisono. „Aber freuen wir uns sehr, dass er nun mehr Zeit für seine Familie und für das Reisen haben wird. Das hat er sich verdient. Wir sind sehr stolz auf ihn und haben alles von ihm gelernt. Natürlich hatten auch wir unsere Bewährungsproben zu leisten. Aber wir schätzen unsere gesunde Gesprächskultur.“
Für diesen Übergang an seine Nachfolger zollen ihm auch Branchengrößen höchsten Respekt, denn so mancher Familienbetrieb zerbricht in solchen Situationen im Streit.
„Albert Still ist eine beeindruckende Persönlichkeit und ein Vollblutunternehmer, der es auch noch geschafft hat, einen reibungslosen Übergang der Unternehmensführung auf seine Söhne zu organisieren. Meine höchste Anerkennung!“, sagt Ex-Opel-Vertriebs- und Marketingchef Peter Christian Küspert.
„Ich habe Nachfolger, die es sogar noch einen Schnaps besser machen als ich“, sagt Still und lehnt sich sichtlich zufrieden und lächelnd im Stuhl zurück.
Könnte er sich rückblickend einen anderen Beruf vorstellen als Opel-Händler? „Als Jugendlicher habe ich von einer Karriere als Marine-Offizier geträumt. Als 60-Jähriger durfte ich sogar mal an einer Marine-Wehrübung teilnehmen und habe den Ehrentitel ‚Oberleutnant zur See‘ erhalten“. Wer ihn besser kennt, wird zustimmen: Ihm gebührt der Status eines Opel Admirals.
„Herr Still hat die Grundlage für Expansion und Erfolg der AVAG gelegt. Mit einer Mischung unternehmerisch handelnder und am Erfolg des Unternehmens beteiligten Geschäftsführern und einer schlagkräftigen Holding hat Albert Still ein erfolgreiches und in Deutschland sowie Europa skalierbares Geschäftsmodell geschaffen. Bei allem wirtschaftlichen Erfolg ist Herr Still bescheiden und für seine Händlerkollegen stets nahbar und ein willkommener Ratgeber geblieben – unter anderem auch während seiner langen Tätigkeit im Vorstand des Opel-Händlerverbands.“
Opel-Händler Ulrich Brass
März 2021