Feinste Manieren

Opel befindet sich mitten in der größten Motorenoffensive seiner Geschichte: Zwischen 2014 und 2018 kommen 17 neue Motoren zum Einsatz. Ein absolutes Highlight ist der hochmoderne Dreizylinder-Benziner mit nur einem Liter Hubraum aber wirkungsvoller Turboaufladung. Die Opel-Ingenieure des Internationalen Technischen Entwicklungszentrums (ITEZ) in Rüsselsheim haben den Direkteinspritzer entwickelt, der mit einem ebenfalls komplett neuen Sechsgang-Schaltgetriebe im ADAM ROCKS sein Debüt gibt – und in diesen Tagen in Lettlands Hauptstadt Riga der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Führender Kopf des Rüsselsheimer Entwicklungsteams ist Dr. Matthias Alt, Chefingenieur für kleine Benzinmotoren bei Opel. Zum Interview hat der 43-Jährige in einem ADAM ROCKS 1.0 ECOTEC Direct Injection Turbo mit 85 kW/115 PS Platz genommen.

 

1. Herr Alt, der neue Dreizylinder-Turbo-Benzindirekteinspritzer feiert im ADAM beziehungsweise ADAM ROCKS sein Debüt. Wie passen Kraftquelle und Fahrzeug zusammen?
Matthias Alt: Ich habe es mir nicht nehmen lassen, gerade noch einmal eine Runde im ADAM ROCKS über das Werksgelände zu drehen, bevor die Fahrzeuge nach Riga überführt werden. Die Kombination bietet Fahrspaß pur. Die Kraftentfaltung des Aggregats zeigt, was richtiges Downsizing zu leisten vermag: Der kleine Turbo entwickelt schon im niedrigen Drehzahlbereich ein Drehmoment von 170 Newtonmeter. Damit hat der Dreizylinder fast 30 Prozent mehr Durchzugskraft zu bieten als ein 1,6-Liter-Saugmotor. Es ist alles so, wie es sein soll: extrem gutes Ansprechverhalten, keine Spur von Turboloch. Motor und ADAM ROCKS harmonieren perfekt und sorgen für sportliches Fahrvergnügen!

 

2. Eine Harmonie, hinter der viel Arbeit steckt…
Klar, unsere Validierungsspezialisten haben die Fahrzeuge mehrere Hunderttausend Kilometer quer durch Europa gesteuert, um Motor, Getriebe und Fahrwerk perfekt aufeinander abzustimmen. Im Süden Spaniens bei über 40 Grad verpassen wir den Fahrzeugen ebenso den Feinschliff wie bei Minus 30 Grad in Nordschweden. Meine Lieblingsvalidierungsstrecke führt auf den Großglockner hinauf. Bei der Höhenerprobung testen wir unter anderem, ob der Motor bei geringerer Luftdichte seine volle Leistung entfaltet. Und im Stadtverkehr haben wir den Start-Stopp-Betrieb des neuen Sechsgang-Getriebes optimiert.

 

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Stolz auf das Resultat: Matthias Alt mit dem ADAM ROCKS, der gerade im lettischen Riga offiziell vorgestellt worden ist.

 

3. Neue Standards in Sachen Laufkultur zu setzen, ist die gemeinsame DNS aller neuen Motorenfamilien, die bei Opel entwickelt werden. Dreizylinder sind gewöhnlich für ihre rauen Laufeigenschaften bekannt. Keine wirklich leichte Aufgabe, die da auf Sie und ihr Team gewartet hat.
Wir sind mit einer ganz klaren Vorstellung gestartet: Wir wollten zeigen, dass sich nicht nur Verbrauch und Emissionen reduzieren lassen, sondern dass ein Dreizylinder mindestens ebenso viel Laufkultur an den Tag legen kann wie Triebwerke mit vier und mehr Zylindern. Wir wollten die Charakteristika konventioneller Dreizylinder in puncto Laufkultur, also das Geräusch- und Vibrationsverhalten, neu denken. Dazu haben wir unsere Entwicklung auf dem sprichwörtlichen weißen Blatt Papier begonnen.

 

4. Beginnen wir mit dem Geräuschverhalten. Wie haben Sie das Problem in Angriff genommen?
Hier gibt es zwei grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Man kann das Aggregat aufwendig im Nachhinein mit Dämmmatten bestmöglich isolieren. Oder aber man kann das Problem an der Wurzel packen. Wir haben zweiteres gemacht und 40 Bauteile und -gruppen komplett geräuschoptimiert neu entwickelt. Eine Hauptkomponente ist der Motorblock aus Aluminium-Druckguss. Er ist nicht nur leicht, er dämmt auch die Abstrahlung. Die Hochdruckeinspritzanlage beispielsweise haben wir vom Zylinderkopf isoliert. So vermeiden wir die Übertragung von Schwingungen. Speziell ausgeführte Ansaugkrümmer und Nockenwellengehäuse minimieren die Geräuschentwicklung ebenso wie die isolierte Kurbelwelle. Selbst die Kraftstoffpumpe und die -leitungen haben wir akustisch optimiert.

 

5. Und wie haben Sie die Vibrationen in den Griff bekommen?
Das war knifflig, hat sich aber gelohnt: Wir haben eine Ausgleichswelle in die Ölwanne integriert. Angetrieben von einer Zahnkette für einen besonders geschmeidigen Betrieb, dreht sich die Welle exakt gegenläufig zur Kurbelwelle. Dank dieses sorgfältigen Massenausgleichs werden die für einen Dreizylinder typischen Eigenvibrationen fast vollständig ausgeblendet. Das Ergebnis dieser aufwendigen Arbeit ist es, dass der neue 1.0 ECOTEC Direct Injection Turbo nicht nur laufruhiger ist als andere Dreizylinder, er ist auch leiser als viele Vierzylinder-Motoren.

 

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Der Ingenieur und sein Motor: Matthias Alt hat mit einem über 200-köpfigen Team den 1.0 ECOTEC Direct Injection Turbo in zwei Leistungsstufen entwickelt.

 

6. Also ein Motor, der klein ist in Sachen Abmessung und groß in Sachen Laufkultur und Laufleistung. Wie sieht es denn beim Kraftstoffverbrauch aus?
Es war eine der Grundsatzentscheidungen, die wir vor der Entwicklungsarbeit getroffen haben, dass wir das Portemonnaie der Kunden schonen möchten. Dafür haben wir eine Menge getan. Für einen effizienten Verbrennungsvorgang haben wir zum Beispiel die Einspritzdüsen zentral über den Kolben positioniert. Die zweistufige Ölpumpe sowie die abschaltbare Wasserpumpe reduzieren ebenfalls den Verbrauch. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Der Kraftstoffverbrauch liegt bei der 66kW/90 PS starken Version bei gerade einmal 4,3 Litern auf 100 Kilometer. Beim ADAM ROCKS in der 115 PS-Variante sind es – auch wegen der größeren Bodenfreiheit sowie der Radhausverbreiterungen – 5,1 Liter auf 100 Kilometer.

 

7. Wie groß war das Team, das an dem neuen Dreizylinder-Motor mitgewirkt hat?
Über zweihundert Kollegen des ITEZ in Rüsselsheim haben dreieinhalb Jahre an dem neuen Dreizylinder-Motor gearbeitet. Wir haben 1600 Prototypen gebaut und die Simulationsarbeit auf die Spitze getrieben. Wir sind mit unseren Simulationsaktivitäten quasi so tief in einen Motor vorgedrungen wie nie zuvor. Doch die Arbeit hat sich gelohnt: Das ganze Team ist stolz auf das Ergebnis.

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September 2014

Zur Person

Dr. Matthias Alt arbeitet seit mehr als 16 Jahren für den Konzern. Nach einem Maschinenbaustudium in Stuttgart stieg Alt in den 90er-Jahren als Design-Ingenieur in der Vorausentwicklung bei Opel ein.

Im Jahr 2008 wurde Alt für seine Forschungs- und Entwicklungarbeit mit einem GM-Innovations-Award als „Most Valuable Colleague“ ausgezeichnet.

In jüngerer Zeit hat Alt sich, inzwischen mit dem Doktorgrad in Fahrzeugtechnik ausgestattet, auf den Gebieten Antriebstechnik und Verbrennungsmotor-Entwicklung hervorgetan.