Das Titelbild
Auf zu neuen Ufern
„Unter vollen Segeln“ betitelt die Opel Post ihr Cover vom September 1959. Die Zwei-Mann-in-einem Boot-Aufnahme kann als Rückblick auf die zu Ende gegangene Ferienzeit gesehen werden, mehr noch aber soll sie wohl die vorwärtsgerichtete Grundstimmung bei Opel symbolisieren. Mit einer neuen Generation des Opel Kapitän und dem „Opel 1200“ bricht das Unternehmen zu neuen Ufern auf – und nimmt Kurs auf die 60er-Jahre. Am Erscheinungstag der Opel Post öffnet in Frankfurt die 39. Internationale Automobilausstellung, auch sie verzeichnet mit über 700 Ausstellern aus zwölf Ländern einen neuen Rekordwert. Das Wirtschaftswunder ist in vollem Gange und die Opel Post stellt in dieser Ausgabe unter anderem den „Zukunftsberuf Automobilverkäufer“ vor.
Der neue Opel Kapitän
„Wirksamwerden prägnanter Konturen“
Sein Vorgänger war über Jahre der erfolgreichste deutsche Sechszylinder-Pkw. Da wäre eigentlich ein Generationswechsel mit nur behutsamen Änderungen zu erwarten gewesen. Aber nichts da: Der neue Opel Kapitän markiert nicht mehr und nicht weniger als den „Umbruch des Automobilstils“, wie die Opel Post schreibt. „An die Stelle der schwingenden Linien und weich fließenden Übergänge tritt nun die kraftvolle Betonung der Horizontalen und das Wirksamwerden prägnanter Konturen.“ Aber auch in punkto Sicherheit und Fahrkomfort setzt dieser Nachfolger neuen Akzente.
Der nun 2,6 Liter Hubraum umfassende Sechszylinder ist großzügiger denn je übersetzt, erreicht 150 km/h Höchstgeschwindigkeit und weist dennoch eine ungeheure Laufruhe auf. Im Innenraum seien durch „systematische Klein- und Feinarbeit (…) wesentliche Gewinne für
Kopf-, Fuß-, Knie-, Bein- und schließlich Schulterraum erzielt“ worden. Und das alles gibt’s zum Hammer-Preis: Der neue Kapitän ist günstiger als der alte, die Basisversion ist unter 10.000 D-Mark zu haben, die „L“-Variante mit Sonderausstattung wie „Ruhesitze“ und „Frischluftheizung“ kostet 10.675 D-Mark. Mehr Wert für weniger Geld also.
Der „1200“
Ein Balanceakt à la Opel
Auf der 39. IAA zeigt Opel: Wir können es auch eine Nummer kleiner. Mit dem „Opel 1200“ präsentiert das Unternehmen ein „organisches Ganzes“ zwischen Klein- und Mittelwagenklasse. Wie sich dieser Balanceakt gestaltet? Der Fahrzeug-Standard entspreche der Mittelklasse, die Ausgaben für Steuer, Versicherung und Verbrauch hingegen bewegten sich auf dem Niveau eines Kleinwagens, erklärt die Opel Post.
In der Tat: eine unschlagbare Kombination. Die Nachfrage startet entsprechend. Um die eingehenden Händler- und Kundenwünsche zu erfüllen, müssen sich die Opel-Mitarbeiter hinten anstellen – und können den „1200“ erst lange nach dem Verkaufsstart erwerben. 5.675 D-Mark kostet das Modell.
Optisch orientiert sich vieles, aber längst nicht alles an den aktuellen Opel Rekord-Modellen. Herzstück ist ein 1,2 Liter Vierzylindermotor mit 40 PS, der bis 115 km/h schnell ist. Gepaart mit einer geringen mittleren Kolbengeschwindigkeit gewährleistet er ungewöhnlich geringe Reibungsverluste und damit eine längere Lebensdauer.
Zu Besuch im Bundeskriminalamt
„Wie ein rächender Blitz“
Mal etwas ganz Anderes: Die Opel Post fährt nach Wiesbaden und besucht das Bundeskriminalamt. Und zeigt die Vorteile der grenzübergreifenden Vernetzung bei der Verbrechensbekämpfung auf. Für die 1959 noch nicht das Internet, sondern der gute alte Funk genutzt wird. Über diesen sind die Wiesbadener mit Landeskriminalämtern, regionalen Polizeidienststellen und ihren Kollegen von Interpol verbunden. Damit ein hessischer Angestellter, der sich montags mit 25.000 D-Mark im Gepäck von seinem Arbeitgeber entfernt hat, bereits dienstags in Tanger verhaftet werden kann.
Durch Funk funktioniere Verbrecherfang „wie ein rächender Blitz“, textet der Opel Post-Reporter. Besonders begeistert ist er von der Abteilung „Kriminaltechnik“, die untersuche, „was vorkommt – vom simplen Scheunenbrand mit Verdacht auf Versicherungsbetrug bis zur Bombenexplosion mit politischem Hintergrund.“
Wie Zeitung funktioniert
Im Wettlauf mit dem Stundenzeiger
Eigenlob stinkt. Drum zeigt die Opel Post nicht am eigenen Beispiel, sondern an dem ihrer Kollegen von „Rüsselsheimer Echo“ und „Main-Spitze“, wie Zeitung gemacht wird. Denn gerade die Heimatzeitungen seien so beliebt und begehrt, weil sie „stets das Neueste aus der kleinen Stadt“ präsentieren, „wo sich viele persönlich kennen und gerade der Kleinkram auf besonderes Interesse stößt“. Und Nachrichten vom größten Arbeitgeber am Ort interessierten erst recht.
„Viel Schweiß ist geflossen, bis um Mitternacht die Rotationsmaschine anlaufen kann und die Zeitungen über die Transportbänder in die Versandabteilung laufen, wo sie gebündelt und versandfertig gemacht werden. Im Morgengrauen kommen die Zeitungsträger und holen ihre Pakete ab.“ Und kurz darauf liegen sie auf den Frühstückstischen… So war es einst. Da mag man kaum glauben, dass die gute, alte Tageszeitung heute ein Auslaufmodell sein soll.
← Die Opel Post begleitet den Entstehungsprozess einer Ausgabe: Der Redakteur nimmt eine wichtige Meldung entgegen, der Setzer gibt den fertigen Text per Tastatur in die Setzmaschine ein, die aus den entsprechenden Buchstabenmatrizen die Zeilen zusammenfügt, die Ratationsmaschine läuft an und in den frühen Morgenstunden wird die Zeitung druckfrisch ausgeliefert (von oben nach unten).
Putzen ist produktiv
Opel wirft kein Geld zum Fenster raus
Die Ausgabe schließt mit einem eindrucksvollen Foto – und einem eindrucksvollen Appell. Gibt es in einem Werk unwichtige Arbeit? Nein! Der Fensterputzer leistet einen Beitrag für Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung im Werk. Aufgaben dieser Art müssen alltäglich hundertfach erledigt werden, und nur, weil sie nicht unmittelbar mit Automobilproduktion zu tun haben, sind sie nicht unproduktiv. Gäbe es unwichtige Arbeit, wäre sie doch längst abgeschafft. Schließlich will die Betriebsleitung kein Geld zum Fenster hinauswerfen.
Hier können Sie die komplette Opel Post-Ausgabe
vom September 1959 herunterladen.
August 2019