EIN ENGPASS? WIESO DAS DENN?
So kryptisch wie im November 1949 kam die Opel Post noch nie daher. Auf dem Titelbild ein Opel, der nächtens ein Warnschild mit dem Hinweis „Engpass“ passiert – was will uns die Redaktion damit denn sagen beziehungsweise symbolisieren? Hat das Rüsselsheimer Werk, in dem es gerade wieder so richtig brummen begonnen hat und wo es Tag für Tag besser läuft, nun etwa doch eine Talsohle zu durchschreiten? I wo: Dem zuständigen Redakteur geht es mehr um einen Appell an die innere Einstellung. Um darüber aufgeklärt zu werden, muss der geneigte Leser bis Seite 15 blättern. Dort heißt es:
„Auch in unserem Leben stehen wir oft vor Engpässen. Aber meist ist es so, dass wir nicht so rechtzeitig gewarnt werden wie der Fahrer auf unserem Bild. Deshalb sollte man immer wachsam bleiben und mit offenen Augen durch die Tage gehen.“ Alles klar.
VOM DOKTOR UND DEM LIEBEN VIEH ZUR REIFENBÄCKEREI
Tolle Idee – und fotografisch eindrucksvoll umgesetzt: Die Opel Post riskiert einen Blick in einen ihrer Zuliefererbetriebe und besucht eine Reifenfabrik. Um welche exakt es sich handelt, erfährt der Leser allerdings nicht, anscheinend war Schleichwerbung schon damals ein Thema. Allerdings ist in der Einleitung zu lesen, dass es ein irischer Tierarzt namens John Boyd Dunlop war, der im Jahr 1888 zwar nicht das Rad neu erfand, aber immerhin dessen Bereifung mit Luft und Gummi, auf dass er fortan komfortabler über die holprigen Straßen rollen konnte, die ihn zu Rindviechern und anderen Patienten führten. 60 Jahre später saugt ein Opel Post-Reporter erste Sinneseindrücke in einer modernen Reifenfabrik auf: „Es riecht zwar nicht so gut wie in der Kölner Glockengasse 4711, auch nicht brenzlich nach angezogener Handbremse oder schleifender Kupplung, viel natürlicher, aromatisch, fremdländisch.“ Mit der gleichen unverminderten Aufmerksamkeit begleitet er den Weg eines Pneus durch alle Produktionsbereiche bis in die „Reifenbäckerei“, wo das Profil ins Gummi gebrannt wird.
„DEN WAGEN SCHAFFEN, DEN DAS VERARMTE EUROPA BRAUCHT“
Eine neue Artikelserie informiert über die Hintergründe der Beziehung zwischen Opel und General Motors. Weshalb, stellt die Redaktion gleich im ersten Satz klar: „Über General Motors und die Beziehungen zu unserem Werk kursiert, oft wider besseres Wissen verbreitet, manches Gerücht und auch manches Schlagwort erhärtet zum Schlusse einer kühnen Behauptung das Gesagte.“ Folge 1 beleuchtet die Situation, in der sich Opel 1926 befand. Das Familienunternehmen hatte sich aufgestellt, den Weltmarkt zu erobern, dabei aber auch seine letzten finanziellen Ressourcen ausgeschöpft – und sah jetzt die Weltwirtschaftskrise heranziehen.
Drum entschlossen sich Wilhelm und Fritz Opel, die Hand zu ergreifen, „die sich über den Ozean hin ihnen entgegenstreckt“. General Motors, das seine eigenen Montagewerkstätten in Deutschland aufgeben möchte und einen Partner sucht, „ist Opel als das Werk erschienen, das am ehesten den kleinen Wagen schaffen kann, den das verarmte Europa braucht und den man als Abrundung des eigenen, gewaltigen Fabrikationsprogramms in Europa bauen will. Nach einem kühnen und schweren Entschluss gehen die Aktien des Opel-Familienunternehmens an General Motors über.“
Interessante Einblicke
Opel ist wieder top
Opel unterwegs: Mit Fotos und einer Zeichnung, die Autos mit Blitz durch deutsche Landschaften rollend zeigen, feiert die Redaktion den wieder erreichten Marktanteil von 40 Prozent an Neuzulassungen. Damit hat Opel in kürzester Zeit wieder den Stellenwert der Vorkriegsjahre erreicht.
Opel versteht wieder Bahnhof
Und noch eine gute Nachricht: Der im Krieg zerstörte Opel-Bahnhof ist wieder in Betrieb. So kurz vor dem Winterbruch ist dies vor allem für Werksmitarbeiter, die jeden Tag per Bahn einpendeln, eine feine Sache. Denn die mussten bis dato vom Rüsselsheimer Stadtbahnhof zu den Fertigungshallen um den Opel-Turm marschieren.
Zum Weinen schön:
Der Alte Fritz
Die Suche nach dem ältesten noch aktiven Opel, die das Unternehmen Wochen zuvor ausgerufen hat, endet im rheinhessischen Westhofen. Der alte Weinbauer Fritz Huxel hat einen 5/12 PS Zweisitzer aus dem Jahr 1912 in seinem Besitz; sowohl er als auch sein Wagen werden in der Region nur ehrfürchtig „Der Alte Fritz“ gerufen. Den hat er nach dem Ersten Weltkrieg seinem Jugendfreund Johannes Stricker abgekauft. 150 Mark und ein neues Opel-Fahrrad hat er ihn sich kosten lassen – hängen an dem guten Stück doch viele schöne Erinnerungen, unter anderem an Treibjagden (!), die die beiden Kumpels in jungen Jahren mit diesem Auto veranstalteten. Auch den Weltkrieg II haben Fritz Huxel und sein Schnauferl gemeinsam überlebt. Jetzt will die Geschäftsleitung, wie angekündigt, den ältesten Opel Deutschlands gegen einen funkelnagelneuen Olympia eintauschen, doch als es soweit ist, schießen dem alten Weinbauern die Tränen in die Augen. Der neue Olympia sei zwar
wunderschön, könne ihm den Alten Fritz jedoch niemals ersetzen: „Laßt ihn mir doch wenigstens leihweise – was soll der Betrieb denn machen, wenn er fort ist!“ Worauf nicht nur der Opel Post-Reporter, sondern wohl auch der anwesende Vertreter der Geschäftsleitung ebenfalls zu schniefen beginnt – und Fritz Huxel zusagt, seinen Alten Fritz noch bis 1962 behalten zu dürfen. Wen diese Geschichte kalt lässt, der hat kein Herz. Zumindest nicht für Opel.
Hier können Sie die komplette Opel Post-Ausgabe vom November 1949 herunterladen
Veröffentlicht im Oktober 2015