Von Illusionen
und virtuellen Welten

Opel investiert in Designzentrum


Opel erweitert seine Entwicklungskapazitäten am Stammsitz Rüsselsheim. Ziel der elf Millionen Euro schweren Investition ist es, bis Juni 2017 das Designzentrum im N10-Trakt mit modernsten Visualisierungs- und Kommunikationstechnologien zu verstärken. Dabei werden auch Arbeitsräume für 80 neue Fachkräfte geschaffen, die zuletzt eingestellt worden sind.

 

Wer einen Roman liest oder ein Theaterstück sieht, versetzt sich in eine andere Welt. Figuren, Schauplätze, Handlungen, geschaffen von Autoren, von Bühnenbildnern und Regisseuren. Es ist eine künstliche Wirklichkeit, wie wir sie traditionell kennen, eine, die wir mit unseren Sinnen verfolgen und in uns aufnehmen. Doch was wäre, wenn man das passive Erleben aufgäbe – und in den Programmablauf eingreifen und ihn verändern könnte? Wenn man sich in der anderen Welt bewegen und seine eigenen Vorstellungen umsetzen könnte?

 

HIER WIRD MAN SELBST ZUM AKTEUR
Dann wäre man sehr schnell in der Welt von Dr. Torsten Steinborn. Er trägt bei Opel den Titel Manager VR & IT Strategie. „VR steht für virtuelle Realität“, sagt Steinborn und erklärt: „Als virtuelle Realitäten werden durch Computertechnologie simulierte Modelle der Wirklichkeit bezeichnet, die im Gegensatz zu den traditionellen künstlichen Wirklichkeiten interaktiv sind.“ Was eine solche Interaktion in der Praxis bedeutet, das veranschaulicht ein Besuch im VR-Raum, der sich im Gebäudekomplex N10 in Rüsselsheim befindet.

 

GEDÄMMTES LICHT, 22 LOUNGESESSEL
Der Raum erinnert an ein edles Privat-Kino, in dem die Bosse großer Hollywood-Studios die ersten Fassungen ihrer Blockbuster begutachten. Gedämmtes Licht, 22 Loungesessel, riesige Leinwände, dazu mehrere Rechner-Spots. In der Regel versammeln sich hier Designer, Ingenieure und Vorstandsmitglieder. Im Fokus stehen keine Filmanalysen, sondern Autos. Vor allem die, die noch nicht physisch gebaut wurden. „Es sind Fahrzeuge, bisweilen auch bloß neue Modellideen und Entwürfe, die mittels Simulation als Computergrafik gezeigt werden“, sagt Steinborn.

 


20080104 06 VR Raum GME N10 with projection

Der heutige VR-Raum: Die Darstellungen erscheinen auf zwei Leinwänden, jeweils sechs Meter breit und 2,5 Meter hoch. Alles in einer Auflösung, die das High Definition-Format des heute üblichen TV-Geräts um ein Mehrfaches schärfer daherkommen lässt. Das Pixelmonster bietet deutlich mehr Farbraum und Farbauflösung, selbst als neue Ultra HD Heimgeräte. „So können wir selbst die kleinsten Spaltmaße und Fugen im Millimeterbereich für das menschliche Auge deutlich wahrnehmbar abbilden“, erklärt Torsten Steinborn.

 


2004 4-sided Cave

Höhlen-Action: Was passiert während eines Testtrips auf der Straße und im Inneren des Autos, wenn der Fahrer plötzlich stark beschleunigt? Was sieht man draußen und im Cockpit, wenn man sich kurz nach rechts umdreht oder im Display einen bestimmten Song sucht? Die CAVE-Projektoren liefern die Antworten in Echtzeit.

 

Die technische IT-Infrastruktur des Raums ermöglicht es den Teilnehmern, auch von anderen Standorten aus an den Meetings teilzunehmen, Daten auszutauschen und gemeinsam zu nutzen. Man tüftelt an den Leinwänden am CAD-Entwurf eines neuen Modells, verschiebt, verfeinert, spielt mit Größe, Form und Farben. „Dieser Raum“, sagt Steinborn, „ist bei den Kreativen unseres Unternehmens enorm gefragt und täglich von morgens bis abends lückenlos ausgebucht.“ Daher erhält Opel am Standort Rüsselsheim einen weiteren VR-Raum. Er soll dem ersten ähneln, aber mit drei statt zwei Leinwänden ausgestattet sein.

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„Das CAVE-Prinzip funktioniert
ähnlich wie ein Flugsimulator
oder ein Computerspiel.“

 Torsten Steinborn, VR-Experte

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Diese Erweiterung findet im Zuge eines Ausbau-Projekts statt, bei dem Opel elf Millionen Euro in die Visualisierungs- und Kommunikationstechnologien des Designzentrums am Stammsitz investiert. Voraussichtlich im Juni 2017 wird der Ausbau fertiggestellt sein. Komplett neu entsteht dabei neben dem zweiten VR-Raum eine Art Kammer, in der man nicht durch das Gezeigte auf den Leinwänden die virtuelle Realität erlebt – sondern vollständig in sie eintaucht. „CAVE“ nennt sich die rund fünf Quadratmeter große Räumlichkeit, es ist die Abkürzung von Cave Automatic Virtual Environment – zu Deutsch „Höhle mit automatisierter, virtueller Umwelt“.


New VizCenter Bauschild

 


 

Blick in die Zukunft: Design-Chef Mark Adams (rechts) erklärt Opel-Chef Dr. Karl-Thomas Neumann (links) und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Uwe Baum (2. v.r.), welche Möglichkeiten das neue Visualisierungs-Zentrum bieten wird.

 

 

 „Das CAVE-Prinzip funktioniert ähnlich wie ein Flugsimulator oder ein Computerspiel“, sagt VR-Experte Torsten Steinborn. In dem spiele sich die Projektion einer dreidimensionalen Illusionswelt ab – und der Nutzer interagiert mit dem Geschehen. „Und bei uns wird man zum Beispiel aus der Sicht eines Autofahrers das Innendesign erleben können, dabei das Fahrzeug im Verkehr steuern und Features, die sich gerade in der Entwicklung befinden, testen und validieren, ob Armaturenbrett, Klimaanlage oder Navisystem.“ Die virtuelle Realität wirkt erstaunlich echt, denn sie kommt raumgreifend, grafisch hochaufgelöst daher und ist stets dabei, sich den Aktionen des Nutzers anzupassen.

 

HIGH-END-RECHNER GEBEN ALLES
Dafür sorgen fünf Leinwände, auf die eine komplexe Anordnung von Projektoren kontinuierlich Bilder werfen. Erarbeitet werden diese von einem unglaublich leistungsstarkem IT-Apparat, den viele High-End-Rechner bilden.  Während die CAD-Daten in Cave präsentiert werden, können die einzelnen Teammitglieder aus einem beliebigen Standort des Unternehmens die Präsentation verfolgen – und beeinflussen. Das Erlebnis wird laut Steinborn noch authentischer, „sobald ein Kollege tatsächlich in der CAVE-Kammer sitzt und den Fahrer mimt, dabei physisch greifbare Sachen wie ein Lenkrad oder die Gangschaltung in seinen Händen hält. Der Rest ist eine verblüffend echte Illusion.“

 

KREATIV, EFFIZIENT, MUTIG
Bis auf die Testergebnisse. „Die in der CAVE gesammelten Daten machen die Entwicklungs- und Validierungsprozesse unserer kreativen Fachkräfte schneller und effizienter“, sagt Steinborn. „So bietet sich auch die Gelegenheit, mutigere Konzepte auf Praxistauglichkeit hin zu überprüfen. Damit liefert der Hightech-Ausbau ein Paket, von dem Opel langfristig profitieren wird.“

 


Hier erweitert Opel seine Design-Kapazitäten


Werksplan_Viz_Center_nm-02


 

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Text: Andreas Wollny, Fotos: Alexander Heimann, Opel